Herbstgutachten 2008 der führenden Wirtschaftsinstitute
Im Herbst 2008 befindet sich die Weltwirtschaft im Abschwung. Zu den Abwärtstendenzen haben verschiedene Faktoren beigetragen: der weltweite Inflationsschub, das Auftreten von Korrekturen an den Immobilienmärkten sowie die weltweite Finanzmarktkrise.
Herbstgutachten 2008 - DeutschlandDie deutscheWirtschaft befindet sich im Herbst des Jahres 2008 am Rande einer Rezession. Zahlreiche negative Schocks aus demAusland hatten bereits eine Eintrübung des Konjunkturklimas bewirkt, und mit der Zuspitzung der Lage an den Finanzmärkten haben sich die Aussichten deutlich verschlechtert. Deutschland ist von der internationalen Konjunkturschwäche in besonderem Maße betroffen, weil vor allem die Nachfrage nach Investitionsgütern zurückgeht, die im deutschen Exportsortiment eine überragende Rolle spielen. Auch traf die weltweiteAbkühlung der Konjunktur auf eine deutsche Wirtschaft, deren preisliche Wettbewerbsfähigkeit sich fast zwei Jahre lang aufgrund der Aufwertung des Euro verschlechtert hatte. Schließlich hatte der massive Anstieg der Weltmarktpreise für Energieträger, Rohstoffe und Nahrungsmittel die Terms of Trade verschlechtert und dies traf in erster Linie dieKonsumenten. Die Teuerung beschleunigte sich spürbar und damit gingen die Realeinkommen zurück, obwohl die Nominaleinkommen recht deutlich stiegen; die privaten Konsumausgaben sanken real.
Die vorlaufenden konjunkturellen Indikatoren lassen für die kommenden Monate einen Produktionsrückgang erwarten.Vor allem aber haben sich die Erwartungen der Unternehmen in nahezu allen Sektoren derWirtschaft in einem Maße verschlechtert, wie das in der Vergangenheit nur in Rezessionen zu beobachten war. Nach Einschätzung der Institute geht das Bruttoinlandsprodukt in der zweiten Jahreshälfte voraussichtlich mit einer laufenden Jahresrate von 0,7 Prozent zurück. Für das Jahr 2008 insgesamt ergibt sich dennoch eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um 1,8 Prozent.
Um der gestiegenen Unsicherheit für das kommende Jahr Rechnung zu tragen, haben die Institute neben einer keineswegs optimistischen Basisprognose auch ein Risikoszenario durchgerechnet. In ihrem Basisszenario prognostizieren sie, dass sich die gesamtwirtschaftliche Produktion nach dem Jahreswechsel allmählich belebt. Dafür spricht die im Vergleich zu früheren Abschwüngen deutlich günstigere Ausgangslage der Unternehmen außerhalb des Finanzsektors. Sie haben ihre Bilanzen in den vergangenen Jahren konsolidiert und an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen, auch aufgrund der Reformen am Arbeitsmarkt. Auch spricht die bislang robuste Beschäftigungslage gegen einen Einbruch bei den verfügbaren Einkommen. Schließlich dürfte die Struktur des Finanzsektors in Deutschland mit der relativ hohen Bedeutung des traditionellen Bankgeschäfts dafür sorgen, dass die internationale Bankenkrise weniger stark auf die Konjunktur durchschlägt als in anderen Ländern.
Stützend wirken im Prognosezeitraum die privaten Konsumausgaben. Die verfügbaren Einkommen werden selbst bei der schlechter werdenden Lage am Arbeitsmarkt noch recht kräftig expandieren, da die Beschäftigung nur wenig sinkt, die Löhne teilweise spürbar angehoben werden und die Transfereinkommen stärker steigen, insbesondere weil die Renten der Lohnentwicklung mit Verzögerung folgen.Da sich zugleich die Teuerung zurückbildet, dürften die Realeinkommen, wenn auch nur leicht, zunehmen. Die Investitionstätigkeit bleibt hingegen zunächst gedrückt, da die Kapazitätsauslastung fällt, die Finanzierungskosten steigen und vor allem die Absatzund Ertragserwartungen ungünstig sind. Die Unternehmen werden ihre Investitionsbudgets erst im Verlauf von 2009 leicht aufstocken. Dabei spielt eine Rolle, dass die Geldpolitik gelockert wurde. Mit der von den Instituten erwarteten allmählichen Stabilisierung der Weltwirtschaft in der zweite Hälfte des kommenden Jahres ziehen dann auch die Exporte an, zumal sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit insbesondere aufgrund der jüngsten Abwertung des Euro wieder etwas verbessert hat. Alles in allem beinhaltet dieses Basisszenario für das Jahr 2009 einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um lediglich 0,2 Prozent.
Die rückläufige Kapazitätsauslastung dürfte in den kommenden Monaten zunehmend auf den Arbeitsmarkt durchschlagen. Die Erwerbstätigkeit wird bis zur Jahreswende leicht steigen und erst im Jahresverlauf 2009 zurückgehen, am Jahresende werden rund 350.000 Menschen weniger beschäftigt sein als zu Jahresbeginn. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen steigt nicht ganz spiegelbildlich dazu, da das Erwerbspersonenpotential aus demographischen Gründen leicht sinkt und ein Teil derer, die den Arbeitsplatz verlieren, wahrscheinlich in die Stille Reserve abwandert.
Im Risikoszenario würde sich die Konjunktur im kommenden Jahr stärker und länger abschwächen als im Basisszenario prognostiziert. Hier ist unterstellt, dass dieWeltwirtschaft in eine Rezession gerät, die Finanzierungskosten sich infolge der Finanzmarktkrise deutlich erhöhen, und die Verunsicherung der privaten Haushalte dazu führt, dass sie sich mit ihren Konsumausgaben zurückhalten. In diesem Fall geriete Deutschland in eine ausgeprägte Rezession, wie sie beispielsweise nach den Ölpreisschocks in den siebziger Jahren und zu Beginn der achtziger Jahre zu beobachten war. Das Bruttoinlandsprodukt würde um 0,8 Prozent im Jahresdurchschnitt zurückgehen.Besonders stark würden die Investitionen in Ausrüstungen fallen, was ähnlich auch in früheren Rezessionen zubeobachten war. Die Lage am Arbeitsmarkt würde sich deutlich verschlechtern. Die Arbeitslosenquote dürfte dann im Jahr 2009 auf 8,3 Prozent steigen, und es gingen fast 400.000 Arbeitsplätze verloren.Die Institute halten ein solches Szenario zwar für weniger wahrscheinlich als ihre Basisprognose. Das Risiko, dass die ungünstigere Entwicklung eintritt, hat sich in den vergangenen Wochen aber deutlich vergrößert.