Professur oder Wirtschaft?
Guten Morgen Allerseits,
ich habe Ende 2014 promoviert und anschließend an der gleichen Universität einen Ruf auf eine Juniorprofessur erhalten. Damals war ich mir schon sehr unsicher, ob es der richtige Weg für mich ist, deshalb hatte ich mich auch in der Wirtschaft beworben. Das Feedback war durchaus positiv, aber die Stellen haben mir einfach am Ende nicht zugesagt - die Tätigkeit als Professor fand ich spannender und als den größeren Karriereschritt. Schließlich habe ich mich deshalb und auch der Familie wegen dazu entschieden, erstmal an der Uni zu bleiben. Am Anfang war es nicht leicht auch als Professor wahrgenommen zu werden, da sich das Umfeld am Institut ja nicht geändert hat, aber mittlerweile geht es besser und an und für sich bin ich mit der Tätigkeit zufrieden. Es gibt jedoch ein paar Punkte die mich tierisch nerven:
- Publizieren
- Drittmittel einwerben
- Befristete Verträge
Die beiden erstgenannten Punkte gehören nun mal zu meinem Job, völlig klar. Aber aufgrund dessen, dass ich die letzten drei Semester nur damit beschäftigt war eine vernünftige Lehre aufzubauen, habe ich nicht mehr wirklich publiziert. Bei Projektanträgen sieht es ähnlich aus: Hier fehlen mir die ganz großen Ideen. DFG oder BMBF-Projekte sind nicht in Sicht. Ich lebe nach wie vor, von meinem Promotionsprojekt, welches weitergeführt wird und ein paar kleineren Projekten mit der Industrie.
Demzufolge mache ich mir auch ein wenig Sorgen um die Evaluierung die Ende 2018 ansteht.
Dazu kommt, dass mich der dritte Punkt in eine recht unsichere Zukunft blicken lässt. Möchte ich im Falle einer positiven Evaluierung den Weg weiter an der Uni gehen, muss ich in jedem Fall die Universität wechseln und umziehen. Meine Frau hat einen sehr speziellen aber gut bezahlten Job, den es vielleicht noch in ein paar Großstädten wie München, Frankfurt oder Berlin gibt, aber sicherlich nicht dort, wo ich eine Chance auf eine volle Professur hätte.
Die Frage ist einfach, ob ich meine Uni-Karriere jetzt schon an den Nagel hängen sollte ehe es zu spät ist. Mit Mitte 30 sehe ich durchaus noch Möglichkeiten bei einem DAX-Konzern unterzukommen - die Frage ist nur, ob ich das will und was ich dort überhaupt will. Für die typische Führungskraft fehlen mir ein wenig die Softskills, z.B. Durchsetzungsvermögen. Eine Karriere als Key Expert könnte ich mir aber durchaus vorstellen. Problem ist auch, dass ich von diesem ganzen Management-Zeugs ganz wenig halte. Hier habe ich durch die Uni leider ein kleines Mentalitätsproblem. Ich habe früher nie verstanden, warum Beamte oder Promovierte es teilweise so schwer haben, aber jetzt verstehe ich es besser. Das Arbeiten an der Universität ist nun mal ganz anders und viel freier.
Durch die letzten zwei Jahre auf der Position des Juniorprofessors bin ich eher am Organisieren als am Umsetzen, d.h. die tatsächliche Arbeit wird logischerweise von den Studenten oder Doktoranden ausgeführt. Ich bin also nochmals ein Stück weiter weg von den aktuell eingesetzten Softwarepaketen etc. Die Stellen in der Wirtschaft sind aber häufig Entwicklerstellen, wo man genau diese Skills benötigt. Das ist also ein weiteres Problem, was ich aktuell sehe. Ich denke auch, dass im Falle eines Wechsels die Erwartungshaltung an meiner Person recht groß sein könnte - schon alleine wegen meinen Gehaltsvorstellungen. Diesen Druck bin ich nur bedingt gewohnt bzw. lässt sich dieser wohl schwer vergleichen mit dem Druck an der Uni. Evtl. sehe ich die Dinge aber auch komplett falsch?
Was waren eure Gedanken nach der Promotion? Evtl. könnt ihr euch ein wenig vorstellen, wie ich mich fühle.
Viele Grüße
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