WiWi Gast schrieb am 05.04.2016:
Ich verstehe deine krampfhafte Verteidigung dieses Murks-Systems nicht, außer es ist einfach nur eine Art Selbstaufwertung, weil du selbst ein Massenstudent bist. Dann schon.
zu 1)
Die Quote scheint sich wirklich bei knapp unter 60% einzupendeln. Nur, wenn 6 von 10 Kindern eines Jahrganges studieren, wie viele brauchbare bleiben dann noch für die Ausbildungen? Nach der Logik der Marktwirtschaft werden Absolventen, unabhängig von der Qualität, irgendwann billiger einzukaufen sein, als ein guter Lehrling.
zu 2)
Die Steigerungen sind in allen Bereichen exorbitant. Warum du das jetzt auf die bestimmte Fächer konzentrieren willst, verstehe ich nicht. Zudem war es ein politische Ziel der Strategie von Lissabon die Quote der Studierenden zu erhöhen und das ganz bewusst auf Kosten des Niveaus.
zu 3)
Nur weil, etwas im Artikel nicht steht, heißt dass nicht, dass es nicht Realität ist: Natürlich hat man das Abitur und das Studium extrem erleichtert. Wie sonst kann man den solche Steigerungsraten innerhalb von wenigen Jahren erreichen? Mal abgesehen, dass es genügend Arbeitgeber-Umfragen gibt, die von einer totalen Unzufriedenheit mit den neuen Abschlüssen sprechen und dem Ziel der EU, dass die duale Ausbildung in Deutschland größtenteils vom Bachelor abgelöst werden soll, solltest du dir mal eine logische Frage stellen:
Sind die Kinder des Jahrganges 1987 dümmer als die des Jahres 1990? Und die dümmer des Jahres 1994? Bei den ersten haben im zarten Alter von 20 gerade mal so 33% studiert. Bei den zweiten 45% und bei den dritten knapp 60%.
Entweder es gab von 1987 bis 1994 einen unglaublichen evolutionären Intelligenzaufschwung in wenigen Jahren oder man hat schrittweise am Niveau gedreht..
Auch wenn dieser Beitrag schon etwas älter ist, möchte ich darauf eingehen. Meine Schwester ist aus dem Jahrgang 1990 und ich aus dem Jahrgang 1993. Beide haben einen Master-Abschluss. Ich glaube nicht, dass das Bachelor- oder Master-System massive Änderungen gegen die alt bewährten Systeme hatte. Ein Intelligenz-Aufschwung in den Jahren 1987 bis 1994 lässt sich tatsächlich minimal laut IQ-Statistiken verzeichnen, ab 1997 aber bspw. ein starker Rückgang. Dieser minimale Aufschwung sagt aber nichts darüber aus, dass es einen starken Anstieg an Studienabschlüssen gab. Ich sehe es so: Es werden immer mehr Menschen durch das Abitur geschoben, die Schule wird immer leichter.
An der Qualität beim Studium ändert sich aber minimal etwas. Früher haben an sich einfach viel weniger Leute studiert und sich das Studium auch weniger leisten können. Heutzutage ist das für viele Pflicht. Viele Eltern, die selbst nicht studiert haben, raten ihren Kindern dazu, das Studium anzugehen, da man hier meist ein höheres Einkommen erzielen kann. Klar kann ein Meister auch viel verdienen oder ein Techniker - das ist aber branchenabhängig. Nur werden diese irgendwo eine Obergrenze erreichen, während der Akademiker immer die Option hat, auch ins obere Management mit nahezu keiner Obergrenze aufzusteigen - natürlich unter sehr starkem Konkurrenzkampf, weshalb nicht jeder Karriere macht. Das Studium bleibt allerdings stressig. Im Gegenteil, da auch einige Personen zugelassen sind, die weniger Intelligent sind, müssen diese um so mehr aufwenden, um mit dem Studium abschließen zu können.
Die Noten einiger meiner Kommilitonen gingen daher auch massiv in den Keller und einige haben eine Extra-Runde gedreht. Meiner Meinung nach geht die Belastung um gute 20-40% runter, wenn man 1 bis 2 Fächer schiebt, weshalb ich bspw. niemanden einstellen würde, der nicht in der Regelstudienzeit abschließt. Die meisten Kommilitonen haben so dann statt meiner 1,4 oder 1,5 dann mit 1,0 bis 1,3 abgeschlossen, aber im Schnitt 1 Jahr länger studiert. Diese Kandidaten zeigen mir als Personaler nur, dass die Person zwar die Fähigkeit hat, sich auch in komplexere Themengebiete einzuarbeiten und fachlich fit sind, das ist der Kandidat mit 1,4 bzw. 1,5 m.E. aber auch. Nur mit dem Unterschied, er hat es geschafft, sich gleichzeitig in mehrere Themengebiete einzuarbeiten und das trotz Druck. Für mich müssen da härtere Durchfallmaßnahmen ergriffen werden, um die Qualität der Abgänger zu sichern, da ansonsten einige ins Berufsleben starten mit der Arbeitseinstellung, dass man maches ja aufschieben kann.
Die höhere Studienabschlussrate hat daher nichts mit höherer Intelligenz zu tun, sondern schlichtweg damit, dass Personen lieber länger studieren und irgendwie den Abschluss erreichen wollen, als dass diese gar nicht studieren. Jedoch finde ich es beschämend, wer heutzutage alles zum Studium zugelassen wird. Gerade in den ersten 2 Semestern war bei uns die Abbruchrate extrem hoch. Die Illusion "mit einem Abitur steht einem die Welt offen", was einem oft in der Schule eingetrichtert wurde, kann man m.E. nicht viel anfangen. Wir sollten lieber für eine höhere Qualität in der Schule sorgen, denn nicht selten erlebe ich es, dass einige keinerlei Ahnung haben, was sie eigentlich genau studieren. Auch meine Professoren haben sich mehrfach insbesondere in Mathematik aufgeregt, dass einige Grundlagen nicht vorhanden waren. Diese erwirbt man sich meist erst im Studium.
Über die Qualität eines Bachelors möchte ich an dieser Stelle nichts aussagen. Ich habe Informatik im Master absolviert, vorwiegend deshalb, weil ich mich nicht mit einigen Dumpfbacken vergleichen wollte. Wenn ich aber mit meinen Dipl.Ing.-Eltern unterhalte, war dies aber bereits zu ihrer Zeit so. Das einige sich irgendwie durch das Studium mogeln konnten. Mit der höheren Zahl studierter Kräfte ist es halt für eine intelligente Person nur schwerer geworden, auf sich aufmerksam zu machen. Man geht oftmals im Schwarm unter. Das heißt aber nicht, dass die Qualität schlechter wurde. Es ist nur schwerer für Personaler geworden, die richtigen Absolventen zu finden.
Natürlich könnte die Qualität in vielen Bereichen besser sein, das ist aber in 3 - 5 Jahren Studium meiner Meinung nach oft nicht erreichbar. Hier muss viel früher, zu Schulzeiten, angesetzt werden. Gerade was Themen wie die Digitalisierung und deren Auswirkungen betrifft. Chemie und Physik hat man ja auch in die Tiefe, warum nicht auch Grundlagen der Vernetzung, Data Mining, Cloud Computing, Machine Learning? Ich meine nicht, dass diese ins Detail gelehrt werden müssen, aber das zumindest ein Grundverständnis da ist. Das bspw. diverse Programmiersprachen erst im Studium erworben werden, ist für mich ein Armutszeugnis unser heutigen Zeit. Das ein mal eins lernt man schließlich bereits in der Grundschule. Wie sollen wir in der Welt große Herausforderungen in der Informartik meistern, wenn der Bachelor max. Grundlagen der Informatik lehrt, nicht aber den Blick über den Tellerrand? Die meisten Informatik-Absolventen können dir nichts über die Forschungsthemen sagen, die es so in der Informatik gibt. Sie sind schlichtweg Programmierer und vielleicht ein bisschen IT-Projektleiter (wobei hier die Erfahrung im Berufsleben notwendig ist), sie werden aber niemals Architekten großer SW-Architekturen für Fragen unserer Zeit werden oder Protokolle entwickeln können. Sie nutzen meist nur das, was bereits vorhanden ist und kombinieren das.
Daher sehe ich einen massiven Unterschied zwischen Bachelor und Master, auch, weil man im Master sich nicht mehr mit Grundlagen aufhält, sondern sich sämtliche Forschungsfelder in einem bestimmten Berufszweig anschaut und da unterschiedliche Technologien abwiegt und sich Gedanken darüber macht, wie man bspw. die Datenqualität von IoT Sensoren mit ML-Algorithmen verbessern kann, um den Output für die Automatisierung spezifischer Prozesse nutzen zu können. Der Bachelor-Absolvent würde max. die Daten nutzen, statt verstehen, welche Auswirkung die Qualität der Daten auf die Algorithmen hat bzw. wie man diese erhöhen kann. Gleichzeitig schaut man sich aber auch andere Themen wie eine Indoor-Navigation, Robotik, IoT, Cloud, ML näher an, Themen von denen gute Bachelor-Absolventen grob gehört haben und dazu vielleicht auch den ein oder anderen Artikel gelesen haben, schlechte werden aber nicht wissen, was es mit diesen Themen auf sich hat. Es ist schon ein Armutszeugnis, dass einige schwierigkeiten bereits haben, die IDE einzurichten oder mit Repositories umzugehen.
Andererseits ging es mir aber bereits schon so, dass es Unternehmen gab, die nicht verstanden haben, mit welchem Stand ein Absolvent anfängt. Sind wir ehrlich, Ingenieure in der Elektrotechnik oder anderen Berufszweigen haben vor 20-30 Jahren auch erst sich in die Herausforderungen einarbeiten müssen. Viele Themen waren damals aber eher so, dass man mehrere Puzzle-Teile zusammenführt und reine Logik ausreichend war. Grundlagen bzw. nur wenig Wissen hat dazu ausgereicht, mehr wurde auch im Studium nicht vermittelt - und daran hat sich bis heute nichts verändert, es gibt nur teilweise neuere Themen. Heutzutage geht es viel mehr um die Optimierung jedes Puzzle-Teils, weil man viel zu viele Unterteams in den meisten Unternehmen gegründet hat. Dadurch steigt die Produktqualität, es ist aber viel mehr Detail-Wissen notwendig. Dieses muss von den Absolventen aber erst noch erarbeitet werden, da im Studium oft keine Zeit besteht. Lediglich wenn man entsprechende Projekte hatte, als Werkstudent tätig war oder in diesem Bereich seine Abschlussarbeit geschrieben hat. Wir sorgen also dafür, dass immer mehr Druck auf den Absolventen lasstet. Warum? Weil die Personen in einem Unternehmen, die in diesem Bereich arbeiten, natürlich viel mehr Erfahrung haben, wie Neueinsteiger. Diese haben sich spezialisiert.
Eine Möglichkeit wäre es, zu schauen, dass das Studium nicht mehr in die Breite wächst, sondern in die Tiefe. Da sehe ich aber bei einigen meiner ehemaligen Professoren - und das obwohl ich von einer der renommiertesten Hochschulen komme, ein Manko. Diese haben oftmals nicht das Detailwissen - es gibt schon Gründe, warum manche aus den Unternehmen raus sind. Daher sollte bei den Unternehmen tatsächlich ein Bewusstsein entstehen, dass nicht jeder Bachelerand schlecht ist, man diese aber vielleicht am Anfang einer erhöhten Einarbeitungszeit aussetzen muss. Einige Mittelständer haben das bereits gut verstanden.
Meiner Meinung nach wäre dies alles vermeidbar, wenn man schon in der Schule strenger wird und für höhere Qualität sorgt. Und wenn viele Studiengänge besser strukturiert sind. 20% waren total unnützlich und nur Zeitaufwendig, 30 weitere Prozent haben mir für meinen Karriereweg weniger gebracht und in 20 weiteren Prozent hatte ich (andere im Kurs nicht) viele Vorkenntnisse. Der Rest war neu und sinnvoll und auch in genügender Tiefe vorhanden. Es ist daher schwierig, jeden so individuell zu fördern, wie es notwendig gewesen wäre. Erst im Master habe ich das gelernt, was mich wirklich weiter gebracht hat. Hier waren 70% neu und sinnvoll, 30% wiederholend oder nicht sinnvoll. Aber da wird jeder andere Erfahrungen gemacht haben.
Ich fühle mich bei einem Mittelständer im gut bezahlten Autonomen Fahren Bereich als Projektmanager und ehemaliger Entwickler sehr wohl und habe dort oft Einfluss auf Einstellungen. Gehe das aber meist locker an, da ich denke, dass einige ein hohes Potenzial haben, sich noch zu entwickeln. Ich war leider auch in einigen Unternehmen, wo man zu sehr Vorschriften gemacht hat, wie was erledigt werden soll bzw. was gewünscht ist. Da fühlte ich mich eher eingeschränkt, gute Ergebnisse zu liefern. Man sollte Entwicklern und Ingenieuren auch den Spielraum geben, nicht nur das gewünschte Resultat abzuliefern, sondern auch, Dinge auszuprobieren und zu kreativen und neuen Ideen zu kommen. Das ist in der USA bspw. viel stärker verbreitet. Hier arbeitet man auch meist eher in kleinen und nicht Überspezialisierten Teams. D. h., mit weniger Angestellten sind meist gleiche Ergebnisse zu erzielen.
Meine Erfahrung aus dem Praxissemester sind, dass die Qualität zwar etwas schlechter (aber immer noch angemessen) sind, die Effizienz (Kosten-Nutzen-Verhältnis) jedoch einiges höher ist, man viel Spaß daran hat, Wertschätzender mit den Absolventen/Praktikanten/Einsteigern umgegangen wird und die eigene Meinung auch was zählt. Das ist nämlich bei Berufseinsteigern hierzulande oft nicht der Fall mehr. Leider. Auch wenn es Entwickler/Ingenieure gibt, die mehr Erfahrungen haben, sollte m.E. nach nie ein Blickwinkel zu vorschnell außer Acht gelassen werden. Jeder kann mal geniale Ideen haben und dann sollte man die Ansätze auch nachverfolgen dürfen, anstatt dass man diese abschnürrt. Aber was erwartet man in einem überbürokratisierten Land schon anderes.... Klar macht die Qualitätsschraube Sinn, jedoch sollte man auch immer schauen, dass man irgendwo kreativ und innovativ bleibt und auch auf die Meinung von jungen Menschen eingeht, statt diese immer nur als schlecht gebildet zu bezeichnen und zu jammern, dass früher alles besser war.
Die Zeiten haben sich geändert, wir stehen heute einerseits in größerem Wettbewerb, andererseits sind immer mehr Anforderungen da. Das sieht man auch an der Anzahl psychisch erkrankter Menschen - dabei bin ich mir sicher, dass das nur halb so schlimm wäre, wäre man einfach mal freundlicher und wertschätzender. Denn dann macht Arbeiten auch Spaß und man nimmt den Druck gar nicht so wahr ;) Habe ich selbst schon alles so erlebt. Wir wären auch weiter, würden wir in Deutschland nicht alles immer nur kritisch sehen und nur nörgeln. Man muss manchmal auch den Mut haben, etwas auszutesten und leider bräuchten wir auch viel mehr Politiker, die mehr Ahnung haben. Ohne beleidgend zu werden, aber wie will ein Bundestag zur Digitalisierung abstimmen, wenn die Personen nicht einmal wissen, was IoT ist und wozu wir 5G brauchen? Geschweige denn die Bildung entsprechend anpassen?
Leider ticken viele Bundesbürger so, dass man sehr kritisch mit neuen Technologien umgeht, man verteufelt diese erst einmal. "Early Adopter" gibt es sehr selten. Man findet immer Gründe, etwas nicht zu nutzen. Das war bei den erneuerbaren Energien so, bei E-Autos sieht man das nach wie vor, etc. Obwohl diese Technologien bereits jetzt vielversprechend sind. Klar gibt es Fehler und das Optimum ist nicht erreicht, aber auf jeden Fall so, dass ein breiter Nutzen für die meisten Kurzstreckenfahrer (die meisten fahren max. 40km/Tag) bereits gegeben wäre - da denkt ein E-Auto auch die Heizung mit ab im tiefsten Winter. Die meisten bedenken hierbei nicht, dass das anschließen zum Laden keine 30sec. dauert, man daheim über Nacht problemlos laden kann und oft auch in der Stadt/bei der Arbeit. Man spart sich Zeit durch das Tanken. Die wenigsten fahren mehr als 400km am Stück. Also ist das Auto quasi immer voll, wenn man von der Arbeit/daheim los fährt. Aber lieber nörgeln, statt sich das mal vernünftig anzusehen. Das war nur ein Beispiel.
Um es anders auszudrücken, dass wir in der Digitalisierung Schlusslicht sind, liegt nicht nur an der Politik oder der Telekom, die das versäumt haben, sondern auch, dass die Industrie viel zu spät ihr Interesse an der Automatisierung gezeigt haben und viele privaten Verbraucher einigen Technologien nach wie vor skeptisch gegenüber stehen. So hat bereits jeder 2. Chinese bereits ein Smart Home, etc. Klar gibt es Nachteile wie Datenschutz, IT-Sicherheitsbedenken, etc. Aber alle Systeme wären auch autark möglich mit lokaler Vernetzung, etc. Es gibt quasi eine Regelrechte Angst vor Veränderungen/Neuerungen, die man in den USA/China nicht verzeichnen kann. Je weniger aber neue Technologien vertrauen, desto weniger können dort überhaupt Fortschritte erzielt werden. Wir schauffeln uns mit unserem übertriebenem Konservatismus unser eigenes Grab.
Genau so wie der übertriebenen Sozialpolitik. Lieber Geld in die Rente von Generationen stecken, die bspw. die Finanzkrise ausgelöst haben, statt in die Bildung/Ausbildung/Schulen. Und lieber Hartz IV Empfänger fördern, statt Leuten das Studieren auf angemessenem Niveau zu ermöglichen. Über die verlorenen Gelder durch misglückte Großbauprojekte und übertriebener Bürokratie, gehe ich lieber nicht ein. Dabei weiß jeder BWLer, der halbwegs etwas kann, dass Investitionen das A&O sind, um überhaupt Gewinne erzielen zu können. Investitionen vor allem in die Infrastruktur und andere Bereiche. Man kann sich leider auch kaputt sparen. Statt die Absolventen hier zu beschuldigen, sollte erwogen werden, wie man die Qualität politisch verbessern kann.
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