Hallo Jan,
ich mache mir jetzt einmal die Mühe etwas ernsthaftes zu schreiben, obwohl ich eigentlich wenig Zeit habe.
Zu mir, meine Eltern sind beide selbständige Ärzte. Ich sage nicht wo oder was, oder was ich mache, aber das sollte ja nicht so wichtig sein.
Das Problem der 1,0er Abis die Medizin wegen ihrem Umfeld studieren ist sehr groß. Dazu kommen außerdem noch viele, welche es wegen dem Geld machen.
Das große Geld - wie viele die Ärzte verdächtigen - gibt es nicht so oft.
Wenn man "Gehalt Chefarzt" googelt findet man sofort: "Laut einer Kienbaum-Studie von Führungs- und Fachkräften in Krankenhäusern verdienen Chefärzte im Durchschnitt ca. 290.000 Euro jährlich." - Das stimmt einfach hinten und vorne nicht. Krankenhäuser haben keine Tarifpflicht, sondern bestimmen eigene "Tarife".
Dass der Traum vom großen Geld für die meisten Ärzte genauso unerreichbar ist wie für den 0815 BWLer, bemerken viele erst in ihrer Assistenzarzt-Zeit.
Dass das Medizinstudium kein 3 Jahres BWL Bachelor ist und du am Ende den "Dr." genauso machen musst wie ein promovierender Normalo ist dir sicher klar.
Kurz: Dein Weg wird noch verdammt hart sein und du hast keine Garantie auf riesigen Erfolg. Klar, du wirst nicht arbeitslos, aber der nächste Bodensee-Chirurg oder Charité-Berühmtheit wirst du wahrscheinlich auch nicht. Um alleine die gesamte Ausbildung zu packen musst du motivierter sein, als ein BWLer der zu Goldman Sachs will.
Diese Passage ist dazu da, um dich zu fragen, ob du das alles willst.
Wenn du nicht JAAA brüllst wie im Bootcamp der Navy, dann lass es sofort. So schwer es klingen mag: Du musst wissen was du wirklich willst, auch wenn dein Umfeld dir bei jeder Gelegenheit vorhalten wird "Ach Jung, wärst du doch Doktor geworden. Der Müller, ich sags dir, der macht Geld mit die Privatpatienten...."
Btw, ich bin auch kein Mediziner geworden, obwohl ich mich ins gemachte Nest hätte setzen können. Einfach weil ich schon vorm Abi wusste: Ich will es eigentlich gar nicht so.
Natürlich kam bei mir auch von allen Seiten "WIE?! Kein Medizinstudium? Dabei hättest du doch die Praxis übernehmen könne. Das wirst du noch bereuen." - Nein, bereuen würde ich es etwas mein Leben lang zu tun, was ich gar nicht will. Vor allem wenn ich mit der Einstellung das Studium gar nicht gepackt hätte.
Also, Lösung, was kannst du machen?
-
Hast du dich mit Bio-Medizin, Pharmazie, Ingenieurwesen Medizintechnik usw. (also Entwicklung der OP-Geräte und Roboter) auseinandergesetzt. Das wäre nur ein Umschwung deiner Laufbahn und du sagtest ja dich interessiert Ingenieurwesen, Roboter, Mathe usw.
- Etwas komplett anderes.
Was keine Lösung ist:
So weiter machen. Lass es. Sags wegen mir erstmal keinem. Familie sind bei sowas die schlimmsten Feinde. Die müssen erstmal nicht alles wissen, es geht um dich und DEIN Leben.
Informiere dich echt mal über die neuen Entwicklungen im Bezug auf OP-Roboter usw. da passiert gerade einiges - ergo kann man sehr sehr gut verdienen und echt noch in der Entwicklung arbeiten.
Aber das ist auch nur eine Idee, halte dich nicht dran, weils ein Mensch aus dem Internet sagt.
Bitte nehme vor allem eine Sache mit:
Wenn du nicht vorm Spiegel stehen kannst und absoluter Überzeugung, wie ein Krieger brüllen kannst "ICH MUSS ARZT WERDEN! ICH WILL ARZT WERDEN! ICH WILL NICHTS ANDERES IN MEINEM LEBEN ALS ARZT WERDEN!" - dann bitte, lass es jetzt sofort. Du musst sicher schon bemerkt haben, wie ehrgeizig deine Konkurrenz ist. Das ist kein Witz, das ist deine Konkurrenz. Spätestens in den Praxisphasen im Krankenhaus wird es Kampf gegeneinander. Da könnt ich dir Storys erzählen...
Du kommst mit dem Abi sicher an Stipendien. Informier dich mal ein wenig. Für 1,0er Abi UND schwere soziale Verhältnisse gibts so viele Stipendien.
Du musst dich entscheiden was du willst. Les hier im Forum, les im Internet, was du genau tun sollst kann ich dir auch nicht sagen, aber dass es mit der Einstellung kein Medizin wird garantiere ich dir.
Reiß dich jetzt am Riemen, du bist nicht zu alt, du bist nicht zu dumm, du bist nicht der einzige der Laster zu tragen hat. Rede dich nicht mit deiner Situation raus. Du bist in Deutschland deines eigen Glückes Schmied.
Viel Glück in deinem Leben Jan!
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