Das ist ein sehr interessanter Thread. Die Herangehensweise ist sehr analytisch. Vielleicht zu sehr.
"Ich weiß was ich kann, z.B. analytisch Denken, schnelle Auffassungsgabe, Programmieren, Rechnen, Schreiben, Verkaufen, kreativ Probleme lösen, Fremdsprachen, Präsentieren usw. Ich begrenze mich auf ?Skills? die direkt beruflich verwertbar sind (also nicht Schlafen oder Autofahren oder sowas)."
Unterstellen wir mal, dass diese Selbstanalyse inhaltlich zutrifft. Ich würde diese Fähigkeiten dann sinnvoll gruppieren und strukturieren - Programmieren, Rechnen, Schreiben, analytisches Denken sind für mich mathematisch-logische Fertigkeiten, die man vor allem im Alleingang und unter Konzentration auf eine einzelne Aufgabe erledigt. Verkaufen, kreative Problemlösung, Präsentationen etc. haben etwas mit der Interaktion mit anderen Menschen zu tun. Das sind zwei sehr unterschiedliche und gegenläufige Stärken, die bei Menschen nur selten gleichzeitig auftreten. Ich würde mich fragen, wie Du es damit zu einem VWL-Studium geschafft hast, dann das zweitgenannte Fähigkeitensegment ist bei diesen eigentlich eher selten. Der typische VWLer hasst Verkäufer.
Ich würde außerdem abwägen, ob die beiden Fähigkeiten wirklich gleich stark ausgeprägt sind oder ob eine der beiden dominiert. Dazu kannst Du dir eine einfache Frage stellen: Wie planst Du eine Urlaubsreise? Studierst und analysierst Du in stiller Einzelarbeit Prospekte oder sprichst Du mit anderen über Deine Pläne und holst Ideen ein? Normalerweise ist eine der beiden Herangehensweisen dominant.
"Meine Meinung und die vieler Freunde ist: der passende Job ist, wenn Du das machst, was Du am besten kannst und dafür bezahlt wirst. Das bringt beruflichen Erfolg, Geld, Zufriedenheit im Job, Sicherheit etc. Ich bin nun am Ende vom Master (VWL) und sollte das wohl langsam wissen."
Das ist etwas plakativ, im Kern aber richtig. Das Sprichwort ignoriert lediglich die Dynamik des Berufslebens. Du bist noch gar nicht fertig mit dem, was Du kannst, denn Du kannst Fähigkeiten hinzulernen. Als Absolvent "kann" man eigentlich relativ wenig, aber man hat das Potenzial, etwas zu erlernen. Du solltest dich also fragen, in welche Richtung Deine Neigungen und Interessen gehen. Wenn das die Themenfelder sind, die Du bereits beherrschst, geht es Dir also um weitere Vertiefung. Sind das gegenläufige Interessen, geht es Dir eher um Abwechslung und Ausgleich.
Außerdem musst Du diese Dinge ja nicht nur können, sondern auch mögen. Ein jeder von uns kann Stifte der Farbe nach sortieren, aber kaum jemand möchte das den ganzen Tag lang machen. Es kann außerdem sehr befriedigend sein, eine Sache anfangs nicht gut zu können, dann aber zu meistern. Die berufliche Befriedigung setzt sich zusammen aus der Anerkennung für Fähigkeiten, die man bereits hat, und Anerkennung für Erfolge, an denen man hart arbeiten musste. Die Reduktion des Berufslebens auf Dinge, die man sowieso schon kann, bedeutet Verblödung und Langeweile.
"Nur ist mir überhaupt nicht klar (und deswegen schreibe ich hier ins Forum):
1) was ?am besten? heisst? Das machen, was ich ?absolut? am besten kann im Vergleich zu anderen Dingen die ich kann, oder im Vergleich dazu, wie wie gut andere Leute das können (also ?relativ?)? Ich denke eher ersteres, denn es kann einen ja kaum zufrieden machen, was zu machen, was man schlecht kann, nur weil man es besser kann, als andere. (Ich koche z.B. besser als viele Freunde, aber analytisch denken kann ich besser als kochen, obwohl viele Freunde das relativ besser können, trotzdem sollte ich wohl eher was mit analytischem Denken machen, weil ich das absolut besser kann, wenn auch relativ schlechter.)"
Je nachdem. Kein erfolgreicher Arbeitnehmer konnte vom ersten Tag an alles, was ihn erfolgreich gemacht hat. Die meisten Dinge lernst Du erst mit den Jahren. Wenn Du besser kochst als andere, könnte das (um in Deinem Beispiel zu bleiben) die Grundlage für eine Karriere als Spitzenkoch sein. Du musst das Kochen dafür aber vor allem mögen und nicht bloß können. Es muss Dir eine Befriedigung sein, Dich näher damit zu beschäftigen.
"2) woher weiß ich, wo ich das, was ich absolut am besten kann, am besten einsetze? Wieder das Beispiel: wenn ich analytisch Denken am besten kann von allen Skills, was mache ich dann damit am besten, und woher weiß ich, dass es am besten ist? (Das braucht man doch überall?)"
Eigentlich sorgt ein Chef dafür, dass Du gemäß Deinen Fähigkeiten und Deinem Erfahrungsniveau sinnvoll fordernd und fördernd eingesetzt wirst. Eigentlich solltest Du diese Erfahrung auch in Praktika bereits gesammelt haben - man ist selten genau richtig qualifiziert, aber lieber etwas überfordert als unterfordert.
Das Berufsleben besteht am Ende sowieso aus einer Mischung aus vielerlei Tätigkeiten. Man hat fast immer irgendwann etwas zu präsentieren, etwas kreativ zu lösen, etwas analytisch auszuarbeiten, etwas aufzuschreiben und etwas vorzutragen. Die Frage ist weniger, ob Du diese Tätigkeiten verrichten wirst, sondern in welchem Gewicht.
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