Auf die Gefahr hin, liebgewonnene Klischees zu zerstören:
In Deutschland hat sich Golf zu einem ganz normalen Breitensport entwickelt.
Ich kenne es noch aus meiner Kindheit - mein Vater spielte Golf in Hittfeld bei Hamburg, und das war ein Club, der mehr oder weniger auf Privatinitiative von Unternehmern und Managern, Freiberuflern und Privatiers gegründet wurde, wie viele andere Clubs auch. Es hatte eine sehr gediegene Atmosphäre, man kannte sich, der Dresscode auf dem Fairways war klar (Peter-Scott-Pullover in allen Farben, keine Funktionsmaterialien, Schuhe hatten Metallspikes und waren aus Leder). Die Clubmitgliedschaft war mühsam zu erwerben und beinhaltete in der Regel ein (in DM) fünfstelliges Investment. Rund um Hamburg was das Golfen in den 70er und 80er Jahren ein Vergnügen der aufstrebenden oberen Mittelschicht. So sahen auch die Parkplätze aus, S-Klassen und Porsches und - damals - Golf(!) Cabrios. Oberschicht und Aristokratie gingen anderen Zerstreuungen nach, entweder kapitalintensiver oder traditioneller.
Heute nun hat jedes Dorf seinen Golfclub, jede Stadt ihre Driving Range. Man zahlt manchmal nur das Greenfee, oder man hat einen DGV-Ausweis. Es rascheln die Nylonblousons, die Schuhe sehen aus wie von Run DMC entworfen, die Gesamtanmutung ist "Gym" und nicht "Club". Finanzielle Eintrittsbarriere: kaum vorhanden. Zahnärzte verdienen weniger, der Herr Dr. lokaler 5-Partner-Kanzlei-Rechtsanwalt fährt nicht mehr S-Klasse, sondern "SUV" und trägt Camp David statt kanariengelbem Kaschmirpullunder.
Was das "Networking" betrifft: der gemeine Manager in den mittleren bis oberen Rängen eines Unternehmens hat i.d.R. während der Arbeitswoche keine Zeit, auf dem Golfplatz zu sein, sondern arbeitet. Gleiches erwartet er auch von seinen aufstiegswilligen Mitarbeitern. Bei inhabergeführten Mittelständlern kann es sein, dass sich - bei schönem Wetter - der Inhaber mit anderen Fabrikanten man zu einer Runde Golf trifft, aber der sehnt sich dann nicht unbedingt nach einem "Hey Chef" am 08. Loch. Aus meiner Sicht finden sich in den heutigen Golfeinrichtungen für die breite Masse vornehmlich Freiberufler (für den Angestellten-Aufsteiger also erstmal wenig "hilfreich"), mittlere Führungskräfte und deren "Hangarounds" und "Prospects" um einmal das Vokabular eines bekannten Motorradclubs zu strapazieren.
Sicher, quer durch alle Hiercharchieebenen eines Unternehmens wird es Golfer geben, die dies in der Freizeit tun. Mit denen kann man sich ja nach Feierabend verabreden, oder am Wochenende, oder man gründet eine Golferrunde im Unternehmen. Das kann man aber auch als Trimmdich-Freund, als Tennisspieler oder als Breakdancer tun.
Natürlich, beim Golfen ist man 4 Stunden lang zusammen, spaziert übers Grün, da ist Zeit zum "Networken". Aber mit wem? Aus meinen Erinnerungen haben die sog. Highperformer eigentlich nie die Muße für so eine langwierige Angelegenheit. Nach meinem Gefühl networkt man mit den Vorgesetzten im Unternehmen lieber auf Arbeitsebene.
Und außerhalb? Neuer Job durchs Golfen? Wie soll das gehen? Man golft solange herum, bis man durch Zufall bei einem Flight einen UB-Partner der passendesn Fachrichtung/Practice Group gefunden hat, der einen dann nach erfolgreicher Runde (ihn natürlich gewinnen lassend) einstellt? Wirklich?
Und: Liebe Generation Y, bei den guten Clubs, die man als Gast auf Greenfeebasis besuchen darf, werden die Startzeiten oft Wochen im Voraus vergeben. Wochen im Voraus! Und dann verabredet man sich ja mit bis zu 3 anderen für einen Flight! Im Voraus!!! Nicht per Mobiltelefon auf den letzten Drücker! Unvorstellbar!
Fazit: "Geschäfte auf dem Golfplatz" finden sicherlich statt, wenn die örtliche Rotary-Mannschaft, vom Bürgereister bis zum Apotheker, ausknobelt, wer die Strippen beim jährlichen Stadtfest ziehen darf und wer den Zuschlag für die Entwicklung des Neubaugebiets bekommt. Champagner gibt es dort nicht, Gartorade hat übernommen. Sozialdemokraten und "Kapitalismuskritiker" sind dankbar für das Vorhandensein dieses Sports, bietet er doch nicht endenwollende Möglichkeit, das vermeintliche Klüngeln der "oberen Zehntausend" darzustellen.
Dem ehrgeizigen Aufstieger im Unternehmen empfehle ich zunächst erst einmal gute Arbeit zu machen und dies wohldosiert an den richtigen Stellen zu plazieren, und darüber hinaus in Fachzirkeln innerhalb und ausserhalb des Unternehmens ein Kontaktnetzwerk zu entwicklen.
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