Herbstgutachten 2015 der führenden Wirtschaftsinstitute - Deutsche Konjunktur stabil
Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem verhaltenen Aufschwung und wird in diesem und dem kommenden Jahr 2016 um 1,8 Prozent wachsen. Getragen wird die Expansion vom privaten Konsum. Die Investitionen beleben sich allmählich. Angesichts der mäßigen Expansion der Weltwirtschaft dürften die Exporte hingegen nur leicht steigen. Die Beschäftigung wird wieder rascher ausgeweitet.
Deutsche Wirtschaft stagniert
Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem verhaltenen Aufschwung. Im ersten Halbjahr expandierte das Bruttoinlandsprodukt mit Raten, die in etwa der Wachstumsrate des Produktionspotenzials entsprechen. Gestützt wurde die Expansion vom privaten Konsum. Dieser profitierte von der spürbaren Ausweitung der Beschäftigung und steigenden Reallöhnen, auch wegen des Kaufkraftgewinns aufgrund des gesunkenen Rohölpreises. Die Investitionstätigkeit nahm hingegen insgesamt gesehen eher verhalten zu. Ungeachtet des mäßigen Tempos der weltwirtschaftlichen Expansion stiegen die Exporte kräftig. Wesentlichen Anteil daran hatten die Erholung im Euroraum und die Abwertung des Euro.
Im dritten Quartal dürfte sich die Expansion in etwa gleichem Tempo fortgesetzt haben wie im ersten Halbjahr. Zwar ist die Erzeugung im Produzierenden Gewerbe wohl nur verhalten ausgeweitet worden, dies dürfte aber die Produktion in den Dienstleistungsbereichen mehr als ausgeglichen haben. Dafür sprechen der deutliche Zuwachs der Einzelhandelsumsätze und die sehr gute Lageeinschätzung der Dienstleister. Auf einen leicht beschleunigten gesamtwirtschaftlichen Produktionsanstieg deuten auch der kräftige Anstieg der Beschäftigung im Juli und August hin sowie die Lageeinschätzung in der gewerblichen Wirtschaft. Alles in allem gehen die Institute davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal um 0,4 Prozent gestiegen ist.
Konsumausgaben tragen Aufschwung
Im weiteren Prognosezeitraum wird der Aufschwung vor allem von den privaten Konsumausgaben getragen. Zwar laufen die anregenden Wirkungen vonseiten des gesunkenen Rohölpreises auf die Realeinkommen allmählich aus. Letztere profitieren aber weiterhin von einer steigenden Beschäftigung, Tariflohnabschlüssen deutlich über der Inflation, einer sinkenden Steuerbelastung und steigenden Transfers. Diese erhöhen sich auch aufgrund der zunehmenden Flüchtlingsmigration, die auch den Staatsverbrauch beschleunigt steigen lässt.
Anlageinvestitionen und Ausrüstungsinvestitionen
Die Anlageinvestitionen werden im Prognosezeitraum bei weiterhin günstigen Finanzierungsbedingungen leicht beschleunigt zulegen. Die Bauinvestitionen ziehen an; insbesondere entwickelt sich der Wohnungsbau weiterhin kräftig und die öffentlichen Investitionen dürften spürbar ausgeweitet werden. Auch die Ausrüstungsinvestitionen beleben sich, ihr Expansionstempo bleibt jedoch weiterhin hinter dem früherer Aufschwungsphasen zurück. Hier wirkt sich aus, dass die Kapazitäten derzeit normal ausgelastet sind und sich daran im Prognosezeitraum nichts ändern wird.
Außenhandel
Die Ausfuhren werden von zwei gegenläufigen Einflüssen geprägt: Einerseits setzt sich die Erholung im übrigen Euroraum fort. Andererseits wird die Expansion in den Schwellenländern, insbesondere in China, wohl verhalten bleiben. Vor diesem Hintergrund dürften die Ausfuhren nur mäßig expandieren, zumal die anregende Wirkung der Euro-Abwertung allmählich nachlässt. Bei den Importen ist ebenfalls mit einem nur moderaten Anstieg zu rechnen, nicht zuletzt wegen der wenig dynamischen Ausrüstungen, die durch einen besonders hohen Importgehalt gekennzeichnet sind. Insgesamt gesehen werden die Einfuhren allerdings wohl etwas kräftiger ausgeweitet als die Ausfuhren, so dass der Außenhandel nach einem Beitrag von 0,4 Prozentpunkten zum Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Produktion im Jahr 2015 im kommenden Jahr einen geringeren Expansionsbeitrag von 0,1 Prozentpunkten liefern dürfte.
Bruttoinlandsprodukt
Alles in allem steigt das Bruttoinlandsprodukt im Verlauf des Prognosezeitraums etwa in gleichem Maße wie das Produktionspotenzial. Die Institute prognostizieren für 2015 und für 2016 einen Zuwachs um jeweils 1,8 Prozent. Die Produktionslücke dürfte damit ab dem Jahr 2015 geschlossen sein. Das 68-Prozent-Prognoseintervall für 2015 reicht von 1,6 Prozent bis 2,0 Prozent. Für 2016 ist es mit einer Spanne von 0,3 Prozent bis 3,3 Prozent erheblich breiter.
Beschäftigung
Angesichts der aufwärts gerichteten Produktion wird die Zahl der Erwerbstätigen im kommenden Jahr um 0,6 Prozent oder 256 000 Personen steigen, nach einer Zunahme in ähnlicher Größenordnung in diesem Jahr. Weiterhin werden zusätzliche Arbeitskräfte in hohem Maße aus der Stillen Reserve oder aus dem Kreis der Zuwanderer rekrutiert. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit ist hingegen zum Erliegen gekommen. Im Verlauf des Prognosezeitraums dürfte die Zahl der Arbeitslosen leicht zunehmen, weil in zunehmendem Maße Asylbewerber dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Die Arbeitslosenquote dürfte leicht von 6,4 Prozent in diesem auf 6,5 Prozent im kommenden Jahr steigen.
Inflationsrate von 1,1 Prozent
Die Kerninflation, die zuletzt 1,2 Prozent betrug, wird sich nur wenig beschleunigen. Zum einen bleibt die Kapazitätsauslastung unverändert, zum anderen sind von den Importpreisen aufgrund der schwachen Weltkonjunktur keine Schübe zu erwarten. Allerdings laufen die dämpfenden Wirkungen der gesunkenen Rohstoffpreise auf die Teuerung allmählich aus. Vor diesem Hintergrund erwarten die Institute für 2016 eine Inflationsrate von 1,1 Prozent nach 0,3 Prozent in diesem Jahr.