Arbeitszeugnis – versteckte Formulierungen
Es gibt eine Menge von Formulierungen und Redewendungen, die in Arbeitszeugnissen immer wieder vorkommen. Offensichtlich ist der wohlwollende Klang, dennoch verbergen sich dahinter verschiedene Beurteilungen, die in Schulnoten übersetzbar sind. Diese Zeugnissprache ist für viele nicht einfach entschlüsselbar. Die Wahrheits- und Wohlwollenspflicht hat dazu geführt, dass eine geheime Zeugnissprache entstanden ist. Im Teil 2 zeigt der WiWi-Treff, hinter welchen Arbeitszeugnis-Formulierungen sich welche Noten verstecken.

Das Arbeitszeugnis entziffern
Zu Schulzeiten bekommt jeder ein Zeugnis, das aufzeigt, welche Noten in welchem Fach erzielt wurden. Die Einteilung von Schulnote 1 - 6 ist einfach und nachvollziehbar. Spätestens mit dem ersten Praktikanten- oder Ausbildungszeugnis ändert sich die Verständlichkeit. Die Benotung wird in Sätze umformuliert und oft unverständlich für den Arbeitnehmer. Nur wer über den Tellerrand schaut und die Textformulierungen genauer betrachtet, entdeckt hinter wohlklingelnden Aussagen schlechte Noten.
Note 1 = Er/Sie arbeitete stets zu unserer vollsten Zufriedenheit
Weitere Formulierungen für eine sehr gute Beurteilung:
- selbständige und eigenverantwortliche Erledigung
- überragend
- äußerst
- enorm
- stets sehr gut (jederzeit, immer)
- hohem Einsatzwillen
- permanent
- vollste Anerkennung
- außerordentlich zufrieden
- übertrafen die sehr hohen Erwartungen
Note 2 = Er/Sie arbeitete stets zu unserer vollen Zufriedenheit oder Er/Sie arbeitetet zu unserer vollsten Zufriedenheit
Weitere Formulierungen für eine gute Beurteilung:
- übernahm folgende Aufgaben
- überdurchschnittlich
- übertrafen die hohen Erwartungen
- hervorzuheben
- gut
- volle Anerkennung
- sehr sicher
- hohen Einsatzwillen
- voll und ganz zufrieden
Hinweis: Wird stets nicht im Kontext verwendet, dann wird das durch die gesteigerte Form von vollen in vollsten ersetzt. Beide Formulierungen entsprechen der Schulnote zwei.
Note 3 = Er/Sie arbeitete zu unserer vollen Zufriedenheit oder Er/Sie arbeitete stets zu unserer Zufriedenheit
Weitere Formulierungen für eine befriedigende Beurteilung:
- selbständige Bearbeitung
- voll zufrieden
- in jeder Hinsicht entsprochen
- zeigte Eigeninitiative
- gewissenhaft
- zuverlässig
- übertrafen die Erwartungen
Hinweis: Wird stets im Kontext ohne ein Attribut verwendet, dann ist dies hier gleichzusetzen mit einer konstanten zufriedenstellenden Leistung stets gleich befriedigend.
Note 4 = Er/Sie arbeitete zu unserer Zufriedenheit
Weitere Formulierungen für eine ausreichende Beurteilung:
- wurden Aufgaben übertragen
- meist
- grundsätzlich
- entsprachen den Erwartungen
- durchaus
- immer wieder
- einwandfrei
- zufrieden
Note 5 = Er/Sie war bemüht
Weitere Formulierungen für eine mangelhafte Beurteilung:
- in der Regel
- stets bemüht
- im Allgemeinen
- insgesamt zufriedenstellend
- im Großen und Ganzen
- Erwartungen erfüllt
- bewältigt
- entsprachen häufig den Erwartungen
Note 6 = Er/Sie entsprach meistens den Anforderungen
Weitere Formulierungen für eine ungenügende Beurteilung:
- mit großem Eifer
- interessiert
- bemüht
- kennen zu lernen
- bestrebt
- im Rahmen seiner Möglichkeiten
- meistens
- versucht
Befriedigend ist durchschnittlicher Maßstab
Wichtige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes, Urteil vom 18.11.2014: Die Zeugnisnote befriedigend stellt als Schulnote eine drei dar und gilt damit als durchschnittlicher Maßstab. Wer eine bessere Note im Arbeitszeugnis einklagen will, muss nach diesem Urteil beweisen können, warum er eine bessere Beurteilung verdient hat.
Abschiedsformulierungen und Danksagungen sind nicht verpflichtend
Nach dem BAG-Urteil vom 11.12.2012 ist der Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet in der Schlussformulierung des Arbeitszeugnisses dem Arbeitnehmer für die geleisteten Dienste zu danken. Das beinhaltet auch Formulierungen über das Bedauern des Ausscheidens und Glückwünsche für die Zukunft.
Welche Werte werden heute noch Arbeitszeugnis zugesprochen?
Das Arbeitszeugnis ist für Arbeitnehmer enorm wichtig, wenn sie sich bei zukünftigen Arbeitgebern bewerben. Es symbolisiert die Fähigkeiten und Leistungen der vorrangegangenen Beschäftigung. Aus diesem Grund kommt es auch häufiger vor, dass Arbeitnehmer ihre Zeugnisse selbstschreiben oder von Profis schreiben lassen.Grund dafür ist, dass Arbeitgeber vorab einen Rechtsstreit vermeiden möchten und bereit sind ihren Arbeitnehmern gute bis sehr gute Zeugnisse zu geben. Das führt dazu, dass viele Personaler heutzutage Arbeitszeugnisse nur noch überfliegen getreu dem Motto: überall steht das Gleiche. Wichtig ist es nach wie vor ein gutes Arbeitszeugnis in den Händen zu halten. Haben Arbeitnehmer ein Mitspracherecht, ist noch mehr von Bedeutung die Aussagekraft. Je individueller eine Beurteilung ist, desto mehr hebt sich ein Arbeitszeugnis von den anderen ab. Auch sollte das Arbeitszeugnis die Anforderungen der beruflichen Aufgaben in der Realität entsprechen. Was ist wirklich relevant für den Job?