Leute, übertreibt doch bitte nicht!
Die Relevanz von Praktika in einem - rein inhaltlich betrachtet - eher dünnen Studium wie BWL ist denke ich unbestritten. Dennoch muss man auch nicht so tun, als sei die eigene Karriere bereits mit 21 beendet, sollten nach dem Bachelor nicht mindestens XY Praktika im CV stehen. Natürlich zahlt sich mehr praktische Erfahrung immer aus. Es gibt Branchen (IB, UB) in welchen teils gewisse "Vorpraktika" vorausgesetzt werden, da braucht es dann in der Tat zwei, drei relevante andere Praktika um überhaupt erst einmal ins AC bei McK zu kommen. Das ist, auf die große Masse an Jobs welchen BWL-Absolventen offen stehen aber noch immer nur ein kleiner Teil welcher insbesondere durch die verzerrte Sicht dieses "High Performer" Forums zu einem allgemeinen Standard erklärt wird.
Nach dem Abitur hat es viele meiner Freunde an (regionale) unbedeutende Unis/FHs für 0815 BWL/WiWi/etc. Studiengänge gezogen. Manche gingen hier schon nach Semester 2 zu BIG4, andere absolvierten bis Ende des Bachelors kein einziges Praktikum. Am Ende haben es alle in durchaus solide Berufe geschafft. Meine beste Freundin aus der Schulzeit studierte BWL an einer FH in Bayern, arbeitete knapp 1,5 Jahre als Werkstudent bei US-Tech und ist dort nahtlos an der Bachelor eingestiegen. Aus Sicht dieses Forums wegen "Dorfuni" und "zu wenig praktische Erfahrung" quasi ein hoffnungsloser Fall, dürfte sie einkommenstechnisch nach zwei Jahren wohl zur Spitze der Berufsanfänger zählen - bei 45-50h die Woche.
Auf der anderen Seite steht eine gute Bekannte aus dem Auslandssemester:
"Target"-Bachelor, Master an guter Uni im Ausland, Praktika bei DAX30, T3 Consulting, dazu diverse Werkstudentenstellen, etc. Hat ihr nach dem Abschluss alles nicht viel gebracht; sie musste fast 10m nach einer Stelle suchen und ist am Ende des Tages deutlich unter ihren Erwartungen eingestiegen.
Der ganze Praktikawahn ist allgemein etwas sehr Deutsches. Sowohl während meines Auslandssemesters, als auch während meines Auslandsmasters fanden Kommilitonen aus UK, Frankreich oder Schweden nur wenig Verständnis für den Hustle vieler deutscher Studenten nach dem 5. oder 6. Praktikum. Ich habe während des Gap Years bei T2-Consutling in London ein Praktikum gemacht. Während ich bereits zwei Vorpraktika aus Beratung und Start-Up mitbrachte, war das Praktikum für viele meiner Intern-Kollegen die erste "richtige" Arbeitserfahrung, abgesehen von Initiativen o. Ä. an den Unis.
Wie auch in einem anderen Thread im Forum beschrieben, ist der immer steigende Druck nach >mehr< Praktika in DE ein Teufelskreislauf. Ich arbeite inzwischen in der Schweiz. DIe meisten Berufsanfänger haben bei uns während des Studiums ebenfalls kaum praktische Arbeitserfahrung vorzuweisen. Meistens steht hier eine zuvor abgeschlossene Ausbildung sowie teilweise ein einziges, langfristiges Praktikum nach dem Bachelor. Mehrere Praktika wie in DE sind hier eher die Ausnahme - geschweige denn eine Anzahl von 4+ - und werden im schlimmsten Fall (auch wenn das Bullshit sein mag) sogar eher negativ seitens der Personaler betrachtet, so zumindest mein Gefühl.
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