juhuuu mal wieder eine Uni vs FH und alle gegen Bachelor-Debatte :)
Meine praktische Erfahrung+meine persönliche Einstellung:
Vorab: Grubndsätzlich dreht es sich hier nur zu 10% um rechtliche Fragen und zu 90% um Gepflogenheiten. Ähnlich wie die Themen nur weiße und blaue Hemden? Schwarze Anzüge? Etc pp. Sinnhaft ist also, man sieht sich um, und schaut, wie es das Umfeld so macht. Bei einer Bewerbung geht es meiner Meinung nach nicht in das Namensfeld, dafür gibts den Lebenslauf. Im zweifel Zurückhaltung statt dicke Hose, außer man ist bei UBs oder den Big4 dann kann man das Schaumschlagen nicht früh genug üben ;)
So, nun zur Sache:
Im Akademischen (=wenn man an der Uni arbeitet und evtl. noch bei Forschungsinstituten) ist es verbreitet, dass der Magister Artium (MA) angegeben wird. Keine Ahnung warum die das machen, aber irgendwie finden die das toll. Wie die das im Berufsleben handhaben weiß ich nicht, aber die Geisteswissenschaftler finden eh keine privatwirtschaftliche Arbeit, so gesehen stellt sich die Frage nicht. ;)
Beim Diplom sieht man hier und da mal den "Diplom-Volkswirt" ausgeschrieben. Also Herr Dipl.-Volkswirt Mustermann. Ist nach meiner Wahrnehmung aber bereits in den frühen 2000er Jahren deutlich seltener geworden, als es noch in den 1970ern und 1980ern war. So alt bin ich zwar auch wieder nicht, aber wenn man in älteren Publikationen blättert oder auch ältere Klingelschilder wo sich irgendwelche Selbstständigen anpreisen sieht, drängt sich der Eindruck auf. Mag daran liegen - Parallele zur heutigen Debatte - dass 1970 noch nicht so viele studiert haben. Aber egal. Eine gewisse Sonderstellung hat der Dipl.-Ing. Der wird oftmals angegeben. Es sei betont, dass es da nicht um eine objektive "Wertigkeit" geht. Uni-Diplom ist Uni-Diplom - rechtlich. Es geht mehr darum, was üblich ist und was unüblich ist. Da gibts kein Richtig und Falsch, aber man fragt sich ja wie man es macht ohne unangenehm aufzufallen. So jedenfalls habe ich die Frage des TE verstanden.
Der Dipl.-Ing ist also wie gesagt verbreitet und es fällt nach meinem Dafürhalten auch nicht negativ auf. Hier und da sieht man auch mal von Betriebswirten und Psychologen ein Dipl.... angeführt, aber das schon eher selten und wenn, dann hat es vor allem bei Psychologen gleich so einen Marketing-Beigeschmack (find ich jedenfalls). Besonders wenn Psychos aber irgendwo rumbalsavern, wo sonst keine Psychos sind, kann das aber durchaus eine win-win-Situation sein. Auf einem AC erklärt sich so, was die Rolle von dem Typ ist und was er hier zu suchen hat. Das kann man denke ich grundsätzlich festhalten: Wenn man unter Gleichen (fachlich oder was die Höhe des Abschlusses angeht) ist, macht es wenig Sinn irgendwas anzugeben oder es wirkt sich negativ aus.
Der Dr. ist eine ganz andere Nummer. Gleichwohl ist da gewisses Feingefühl gefragt. Bei uns in der Bank ist es zwar selbstverständlich, dass (ungefragt) er auf Visitenkarten etc gedruckt wird und je nach dem wo man ist, werde ich auch mit Dr. xxx vorgestellt oder angesprochen. Wenn man allerdings in einer Besprechung oder einer Abteilung unterwegs ist, in der die Mehrheit promoviert ist, wirkt es leicht affig sich gar selbst so vorzustellen (was ich ohenhin nie mache) oder wenn man so vorgestellt wird oder das irgendwo prominent präsentiert wird (oft hab ich da keinen Einfluss drauf). Es ist in so einer Runde eben nichts Besonderes. Ähnlich wie sich Professoren an einer Uni untereinander ja auch nicht mit Prof. Dr. xxxx ansprechen weil sie eben wissen, dass der andere auch einer ist und sich dessen nicht ständig versichern müssen oder Post-Docs sich nicht mit Dr. sowieso. Würde ein neuer Prof. das irgendwie machen würde das a) unsicher oder b) so wirken, wie vielleicht Neureiche unter Reichen wirken. Letztere sind es einfach, erstere müssen sich dessen versichern, wollen es zeigen und merken dabei nicht, wie unangebrahct und lächerlich es von der Peer-group wahrgenommen wird.
Auf den Punkt und etwas idealistisch formuliert: Akademiker IST man oder eben nicht. Qua Auftreten, Eloquenz, Allgemeinbildung und fachlicher Bildung.
Zwischenfazit: Wie man das aber handhabt ist wie eine Frage des Kleidungsstils was ganz Persönliches, muss sich jeder mit wohl fühlen, hängt von der Branche ab, etc. -- und geht hier bzgl. des Dr. eh am Thema vorbei.
Dennoch kann man eben eines für die Frage nach dem Bachelor lernen: Wenn man sich in einer Gruppe befindet, in der alle den gleichen oder einen höheren Abschluss haben, wirkt es in der Tat, wie es bereits genannt wurde, "affig", wenn man den Titel (Grad, was auch immer, keine Haarspaltereien bitte) anführt.
Da der Bachelor nun mal der niedrigste von mittlerweilen mehreren - und davon mindestens zwei weit verbreiteten) akademischen Graden ist würde ich das als "Akademiker" in akademisch geprägtem Umfeld eher lassen. Um es mal aus meiner arroganten Perspektive zu sagen: Wenn auf einer Roadshow eine 23 jähre Sales-Bitch von einer Bank zu mir kommt, um unserer Abteilung (Asset Management) ihre ETFs oder Bond-Emissionen anzupreisen und auf der Visitenkarte würde in irgendeiner Form der Bachelor aufgeführt, fänd ich das ziemlich lächerlich.
Ich meine
1) Das ist jemand der im Sales arbeitet => Fachlich keine Ahnung, aber ne große Klappe (sieht dafür aber gut aus)
2) Aufmerksamkeitsgeil
3) Ist unter 30 aber will mir die Welt erklären und scheint auch noch der festen Überzeugung er oder sie könnte das auch
4) versucht sich zur Krönung des Ganzen dann die Geltung und den Respekt, der durch Persönlichkeit und Fachliches fehlt, durch den penetranten Verweis auf einen "Bachelor" auszugleichen und entlarvt dabei, dass sie keine Ahnung hat wo sie damit steht.
= hinterlässt bei mir einfach kein gutes Bild. Understatement ist im Zweifel Trumpf bei mir, auch wenn das was ich schreibe gerade nicht so rüber kommt ;)
Das kann jeder anders sehen, aber ich sehs nun mal so.
Bachelor in BWL ist für mich erst mal ne Bankausbildung mit theoretischem Add-on. Das ist sicher was Handfestes und ich will es von daher auch gar nicht schlecht reden, aber es ist auch nichts was groß an die Glocke gehängt werden sollte. Uiuiui da hat einer drei Jahre eine Uni oder FH von innen gesehen und das bei zunehmend fallendem Niveau (und dann hat er auch noch den erstmöglichen Exit genommen). Glückwunsch, so what? Tut man es doch, erweckt es eher den Anschein man wäre unsicher und müsste was kompensieren.
Selbst Master-Abschlüsse in BWL haben MEINER MEINUNG nach nichts auf Visitenkarten zu suchen. Das ist aber diskutabel und ich nehme es jemandem nicht übel. Gerade wenn man unter Bankmenschen ist und es hat einer einen Master in Naturwissenschaften oder irgendwas Unüblichem gemacht, kann das ja eine interessante Zusatzinfo sein. So weit ich bei mir im Umfeld sehen kann gibt es keinen, der keinen Master bzw. Diplom in Wiwi hat - was sollte das also selbiges anzugeben? Das Abitur lässt man sich auch nicht drauf schreiben.
Promotion ist wie gesagt ne andere Kiste, aber darauf gehe ich jetzt nicht noch mal ein.
Abschließend noch mal der Hinweis: Gerade wenn man sehr jung (u25) ist (oder wirkt) und im Umfeld von Berufserfahrenen und evtl deutlich Älteren auftritt, kann das Hinweisen und Hervorheben von Dingen, die für andere selbstverständlich sind, peinlich und bemüht wirken. WAS aber als Selbstverständlich angesehen wird, hängt eben vom Kontext ab und gerade da bemerkt man dann denjenigen, der Feingefühl und oder Berufserfahrung hat. Er (er)kennt die Peer-Group und passt sich entsprechend an.
Abschließend ein zugespitztes Beispiel: Stellt euch vor ihr sitzt mit einer Reihe Komilitonen am Tisch und darunter auch ein Hauptschüler, der nun seine Ausbildung gemacht hat (was ihr vielleicht aber gar nicht wisst, sondern glaubt er habe auch studiert). Respektabler Kerl. Jetzt haut er einen Satz raus wie "Ja Fremdsprachenkenntnisse sind heute schon unerlässlich! Ich habe jüngst auch mal einen Englischkurs an der VHS belegt." Ähm ja. Englisch? Geschenkt, davon redet doch keiner wenn man sich um die zunehmende Bedeutung von Fremdsprachenkenntnissen unterhält. Englisch ist selbstverständlich. Allenfalls geht es um "fließend oder wirklich fließend".
Und nun noch ein Ausflug in die MBA, CFA und co Welt.
MBA und CFA und was es sonst so gibt findet man immer mal wieder auf Visitenkarten. Beim MBA ist das für mich wieder lächerlich. MBA=Da hat einer eben Geld dafür bezahlt Singen und Klatschen mit Powerpoint zu lernen an irgendeiner Eltie-kost-viel-Geld Schule, was der Arbeitgeber bezahlt hat. Was kann ich mir davon kaufen? Kann der irgendwas besser? ist er spezialisiert? Nö. Wahrscheinlich so eine windige McKinsey Flitzpiepe.
CFA - zumindest gibt der die Info Preis, dass es sich um eine Spezialisierung handelt und lässt Rückschlüsse darauf zu, was der Typ so macht. In Abgrenzung zu den anderen Certified lalalala die es noch gibt. Da der CFA mittlerweile aber auch so weit verbreitet ist, nehme ich das kaum noch wahr.
tl;dr
Der Bachelor gehört im Zweifel auf keine Visitenkarte. Zweifel sollte man dann haben, wenn die anderen es auch nicht tun.
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