Wie, ein Vorbild sein? Eher wohl ein abschreckendes Beispiel dafür, was wird, wenn man nix wird, weil man nix gescheites gelernt hat und nur Amt oder Bildungsträger kann. Ich ärgere mich heute jedenfalls richtig, dass ich nicht gleich was vernünftiges, solides und anerkanntes studiert habe (Jura, Psychologie, Medizin o.ä.) und stattdessen - weil ich ziemlich faul und antriebslos war - so einen weichgespülten Laberquatsch (Sozialpädagogik) studiert, besser wohl stupidiert, habe.
Aber ich will gar nicht nörgeln! Ich will lediglich den Idealismus meines Vorposters etwas mit der Realität kontrastieren. Für Sozialpädagogen ist das Amt zwar meist echt eine finanziell lukrative Option (habe selbst 1900 ? netto Stk. I raus mit BA Vertrag), weil ansonsten draußen oft nur Bildungsträger warten, die ich als AV/PAP nun mit Kunden bestücke und mich freue, nicht selbst Kunde zu sein, der dort rein bestückt wird (was in Anbetracht meines befristeten Vertrages aber irgendwann durchaus passieren kann). Aber auf Dauer ist diese Tätigkeit doch wenig herausfordernd und bietet gerade nicht die Chance einer individuellen Fallbetrachtung, schon gar nicht die Chance nachhaltiger Fallbearbeitung (nicht umsonst heißt es ja vermittlungsorientiertes FM).
Es interessiert die Vermittlung (in was auch immer), der Rest ist sekundär. Zum Glück mache ich nebenbei derzeit noch meinen MBA und hoffe so, alsbald doch noch raus zu kommen aus der Arbeitsverwaltung. Wie kann man dann bitte allen Ernstes konstatieren, man solle doch irgendwo Vorbild sein, wenn die primäre Aufgabe eines Arbeitsvermittlers - zumindest im JC - gerade nicht die Arbeitsvermittlung, sondern die Kundenbetreuung und insbesondere die Zufriedenstellung der Amts-, Bereichs- und Teamleitung ist? Individualisierung und fallspezifische Sichtweise hören sich ja in der Tat toll an, nur ist das faktisch doch gar nicht leistbar bei 400 + X Kunden + Tagesdienste + Sachbearbeitung + Maßnahmebetreuung. Ich jedenfalls muss bei meiner Tätigkeit kaum denken. Nicht, weil ich das nicht kann, sonder weil meine Tätigkeit dies kaum hergibt, ja, es sogar unerwünscht ist, dass man mitdenkt.
Man soll funktionieren und nix infrage stellen. Eben wie ein zu jeder Anweisung Ja und Amen sagender, vorauseilend gehorsamer Wackeldacken oder dressierter Affe mit voller Batterie soll man wie am Fließband
- inhaltsleere Eingliederungsvereinbarungen abschließt (80% sollen so ein Ding haben, was drin steht, ist egal)
- 0815-"Profilings" ohne jedwede Qualität durchführt (manchmal ohne die Kunden überhaupt gesehen zu haben)
- MATs und ESF-MATs en masse bestückt (asu ist eben besser als alo)
- weitgehend sinnfreie Quoten-VVs raushaut (Meldung vom DQM: Herr XYZ hat seit 6 Mon. keinen VV erhalten, der muss jetzt aktiviert werden)
- Kunden die Grandiosität von Zeitarbeit nahebringen (Da verdienen Sie gutes Geld. Und den Rest gibts von uns aufgestockt, auf dass Sie noch ewig beim Amt verweilen)
- Kunden grundlos anruft, um die Kontaktdichte einzuhalten (Ja, Frau M. Hier ist mal wieder das JC, wollt nur checken, dass se noch leben...tun se, ja? Dann okay. Tschüss ne, und melden se sich bitte wenn se tot sind, ja?)
- Kunden alle zu Unterstützungsprofilen macht, um ebd. einhalten zu können (Sind ja nur zwei Klicks für einen Ruhepuffer von + 2 Monaten. Am besten noch alle Kunden auf mangelnd verfügbar setzen, das spart auch Rente...)
- Beratungsvermerke zu Gesprächen schreibt, die gar nicht stattgefunden haben, um die Kundenkontaktdichte einzuhalten (Ja Herr TL, mit dem Herrn B. hab ich gestern ein Beratungsgespräch geführt und die individuelle Eingliederungsstrategie besprochen, was immer das auch sein mag. Da hat sich nix geändert..."Frage an mich: Wer ist eigentlich Herr B?")
- nun schon zum 10. Mal sich irgendeinen Beratungsvermerk samt Integrationsstrategie aus den Fingern saugen muss für Kunden, die niemals in Arbeit kommen, man das aber nicht schreiben darf (Motto: Kd. spricht kein deutsch, hat keine Qualifikation, keinen FS, Insolvenz, war 6 Jahre mangelnd verfügbar. Ergo: Eine Heranführung an den AM wird doch etwas dauern, wir sind aber sehr zuversichtlich...seit 6 Jahren zuversichtlich...)
Also mal Klartext: Ich bin Arbeitsvermittler. Ich bin kein Vorbild, sondern ein durch und durch durchschnittlicher Sachbearbeiter, der seinen Job mehr oder weniger indifferent ausübt. Ich habe meinen Bruder z.B. kürzlich ermahnt und gesagt: Siehe zu, dass du was vernünftiges studierst. Denn sonst landest du - wenns blöd kommt - später auch bei uns (als Kunde oder AV). Beides kann nämlich fast jedem passieren, wie unsere ehemaligen Postboten zeigen, die zwangsversetzt wurden zum JC. Vom Kompetenzprofil her gesehen nimmt sich das aber auch nix, ob man nur von der Ausbildung her Postbote, Sozialpädagoge, BWLer oder Verwaltungswirt ist, denn wirklich herrausragende Kompetenzen braucht man als AV meiner Meinung nach nicht. Ich jedenfalls hab keine herausragenden Kompetenzen (sonst wäre ich wohl erfolgreicher und nicht auf'm Amt). Und selbst wenn ich kompetent wäre, könnte ich meinen Job aufgrund der strukturellen Gegebenheiten auch nicht besser leisten. Dressierter Affe eben. Solange, bis der nächste kommt. So ist es eben auf'm Amt. Oh Mist, morgen früh muss ich ja wieder hin...
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