Hallo zusammen,

ich beschäftige mich zurzeit mit meinem Berufseinstieg und interessiere mich auch für die Unternehmensberatung, allerdings stelle ich mir die Frage, ob es mit meinen Charaktereigenschaften überhaupt Sinn macht darüber nachzudenken.

Vorab kurz zu meinem Profil, auch wenn es eigentlich nichts zur Sache tut, es aber auch oft danach gefragt wird (nach dem Motto du hättest eh nie eine Chance bei einer UB):

Abi/Bachelor/Master mit 1,X (Target Unis), 2x Auslandssemester + Auslandspraktikum im Investment Banking und auch im Inland weitere Praxiserfahrung gesammelt (Nie bei einer UB).

Um das Profil soll es aber wie gesagt überhaupt nicht gehen. Meine Situation ist, dass ich die erste Hälfte meines Masters hinter mir habe und noch Zeit für ein letztes Praktikum habe, welches natürlich am besten in Richtung späteren Berufseinstieg gehen sollte. Bis jetzt habe ich meinen Fokus primär auf Banking gelegt, musste allerdings feststellen, dass ich mich dort nicht wirklich bis zum Ende meines Lebens sehe. Also bin ich wie so viele andere auch auf den Gedanken gekommen zu einer UB zu gehen (abwechslungsreiche Themen etc.). Interessieren würde ich mich allerdings eher für eine Tier 3 oder kleinere spezialisierte UB, da ich gerne dazu bereit bin mehr als 40h zu arbeiten, aber ich sehe mich eher bei 60 als bei 80.

Nun zu meiner eigentlichen Frage, persönlich bin ich ein eher zurückhaltender und ruhigerer Zeitgenosse. Das heißt aber absolut nicht dass ich z.B. ein Stubenhocker ohne Freunde bin. Ich geh mehr als regelmäßig feiern und konnte mich auch nie darüber beschweren neue Kontakte zu knüpfen. Trotzdem bin ich in Gruppen, insbesondere wenn es sich um einen neueren Freundeskreis handelt, eher zurückhaltend und ruhig, keiner von denen der das Gespräch führt (im Sinne von leiten). Auch in meinen vorherigen Praktika war immer das einzige ?negative? Feedback, dass ich mehr aus mir rauskommen sollte und mir mehr zutrauen sollte. Ich bin auch folgerichtig niemand der das Präsentieren liebt, ich habe keine panische Angst davor, bin aber auch nicht der größte Freund davon. Außerdem, würde ich mich selber nicht als den kreativsten Menschen bezeichnen, sondern bin eher analytisch und ?trocken? veranlagt.

Macht es mit diesen Charaktereigenschaften Sinn über eine Unternehmensberatung nachzudenken?

Vielen Dank an alle die sich die Mühe machen den leider etwas langen Text zu lesen!

Vernünftige Praktika, vernünftige Noten, eher analytisch veranlagt, wenig selbstverliebt, irgendwas mit 60 Stunden pro Woche arbeiten - was sollte gegen eine Karriere als Berater sprechen? Rein oberflächlich beantwortet. Ich bin ja kein Berater, aber die mir bekannten Berater sind mehrheitlich etwa so.

Hast Du eigentlich jemand 40, 60 oder 80 Stunden in einer Woche richtig gearbeitet, so dass Du beurteilen kannst, wo Du dich auf dieser Skala "siehst"? Ich frage deshalb, weil es sehr einfach ist, eine Zahl hinzuschreiben, aber etwas ganz anderes, diese Zahl dann auch tatsächlich zu erreichen.

Hallo Dax Einkäufer,

erst einmal vielen Dank für die nette und hilfreiche Antwort.

Zu Deiner Frage: Ich habe in zwei meiner Banking Praktika ca. 60h/Woche gearbeitet. Das heißt im Schnitt 12h/Tag + Wochenende Frei. Damit hatte ich unter der Woche immer noch 2-3h für mich, genug Schlaf bekommen und das Wochenende frei. Damit konnte ich gut, auch über Monate, leben. 80h/Woche musste ich glücklicherweise noch nie arbeiten. Um auf diese Zahl zu kommen gibt es für mich nur zwei Möglichkeiten, entweder man hat unter der Woche gar kein Leben mehr + Schlafentzug oder man arbeitet auch am Wochenende. Beides sind auf Dauer keine Optionen für mich. Dass es auch in kleineren Beratungen Ausreißer geben kann und wird, ist mir selbstverständlich klar, es geht mir aber um die generelle Situation.

Ich dachte halt, dass sehr gutes präsentieren, sowie kreative Lösungsvorschläge und diese dann am besten möglichst ?laut? kundzugeben wichtige Eigenschaften für einen Unternehmensberater sind und ich weiß nicht, ob dort wirklich meine Stärken liegen.

Hallo TE,

natürlich ist es nicht möglich, anhand deiner Angaben hier eine definitive Emfpehlung zu treffen.

Folgende Dinge sind mir beim Lesen allerdings aufgefallen:

1. Du sagst, dass du dich im IB nicht bis zum Ende deines Berufslebens siehst, und deswegen auf Consulting gekommen bist. Siehst du dich bis zum Ende deines Berufslebens im Consulting?
   Das ist auch hier ungewöhnlich - bei mir in der Firma ist praktisch niemand über 50.

2. Ich habe in meinen Praktika durchaus ähnliches Feedback zum Thema "Aus-Sich-Herausgehen" wie du bekommen und bin jetzt in einer Beratung. An diesem Punkt muss man dort schon arbeiten, um voran zu kommen, ist so mein momentaner Eindruck - Frage ist, ob du das möchtest, lernen lässt sich das sicher. Meine Erfahrung ist, dass die Leute schneller weiterkommen, denen das "angeboren" ist. Kann aber anderswo auch ganz anders sein.

3. In deiner Arbeitszeitbetrachtung würde ich das Reisen nicht unterschätzen - da du noch kein Beratungspraktikum gemacht hast, ist das vielleicht für dich nicht offensichtlich. Je nach dem, wo du wohnst, kann das Zeit und Nerven fressen. Teilweise gewöhnt man sich dran.

Hallo,

der beste Weg rauszufinden, ob Dir die Beratung gefällt, ist es auszuprobieren. Du konntest bereits schon ein Praktikum im Banking machen. Jetzt kannst Du mit Deinem letzten Praktikum einen Eindruck von der Beratung gewinnen. Dann weißt Du, woran Du bist :).

Persönlich bin ich auch eher zurückhaltend und nehme an Besprechungen meist nur teil, wenn ich auch wirklich einen Beitrag leisten kann. In der Beratung geht es eher darum die passenden Fragen zu stellen (und das klappt auch mit wenigen Worten). Und auch Präsentieren kann man lernen. In der Schule oder an der Uni war ich davon eher abgeneigt und mittlerweile halte ich tageweise Schulungen ab ... ;).

Probier es einfach in Deinem letzten Praktikum aus, und dann bist Du Dir sicherer in Deiner Wahl.

Viele Grüße
Andreas

Bewerbe dich doch einfach mal auf Praktika und dann siehst du ja wo du stehst. Wenn die nach einem Bewerbertag zu dem Schluss kommen, dass du in die Beratung passt ist das Potential da. Ist aber halt auch schwierig genommen zu werden.

Es gibt auch unterschiede bei den verschiedenen UBs. Bei manchen gibt es Gruppencases und Präsentationen mit Tendenz zur Selbstdarstellung (Bain). Bei manchen musst du einfach im Einzelgespräch als super smarter Typ rüberkommen, kannst aber die größte Präsentationspflaume sein (McKinsey).

Ach ja: bewerbe dich auf jeden Fall auch bei MBB, auch wenn es später woanders hingehen soll. Da entwickelst du dich am meisten weiter.

Lounge Gast schrieb:

Hallo zusammen,

ich beschäftige mich zurzeit mit meinem Berufseinstieg und
interessiere mich auch für die Unternehmensberatung,
allerdings stelle ich mir die Frage, ob es mit meinen
Charaktereigenschaften überhaupt Sinn macht darüber
nachzudenken.

Vorab kurz zu meinem Profil, auch wenn es eigentlich nichts
zur Sache tut, es aber auch oft danach gefragt wird (nach dem
Motto du hättest eh nie eine Chance bei einer UB):

Abi/Bachelor/Master mit 1,X (Target Unis), 2x
Auslandssemester + Auslandspraktikum im Investment Banking
und auch im Inland weitere Praxiserfahrung gesammelt (Nie bei
einer UB).

Um das Profil soll es aber wie gesagt überhaupt nicht gehen.
Meine Situation ist, dass ich die erste Hälfte meines Masters
hinter mir habe und noch Zeit für ein letztes Praktikum habe,
welches natürlich am besten in Richtung späteren
Berufseinstieg gehen sollte. Bis jetzt habe ich meinen Fokus
primär auf Banking gelegt, musste allerdings feststellen,
dass ich mich dort nicht wirklich bis zum Ende meines Lebens
sehe. Also bin ich wie so viele andere auch auf den Gedanken
gekommen zu einer UB zu gehen (abwechslungsreiche Themen
etc.). Interessieren würde ich mich allerdings eher für eine
Tier 3 oder kleinere spezialisierte UB, da ich gerne dazu
bereit bin mehr als 40h zu arbeiten, aber ich sehe mich eher
bei 60 als bei 80.

Nun zu meiner eigentlichen Frage, persönlich bin ich ein eher
zurückhaltender und ruhigerer Zeitgenosse. Das heißt aber
absolut nicht dass ich z.B. ein Stubenhocker ohne Freunde
bin. Ich geh mehr als regelmäßig feiern und konnte mich auch
nie darüber beschweren neue Kontakte zu knüpfen. Trotzdem bin
ich in Gruppen, insbesondere wenn es sich um einen neueren
Freundeskreis handelt, eher zurückhaltend und ruhig, keiner
von denen der das Gespräch führt (im Sinne von leiten). Auch
in meinen vorherigen Praktika war immer das einzige
?negative? Feedback, dass ich mehr aus mir rauskommen sollte
und mir mehr zutrauen sollte. Ich bin auch folgerichtig
niemand der das Präsentieren liebt, ich habe keine panische
Angst davor, bin aber auch nicht der größte Freund davon.
Außerdem, würde ich mich selber nicht als den kreativsten
Menschen bezeichnen, sondern bin eher analytisch und
?trocken? veranlagt.

Macht es mit diesen Charaktereigenschaften Sinn über eine
Unternehmensberatung nachzudenken?

Vielen Dank an alle die sich die Mühe machen den leider etwas
langen Text zu lesen!

Würde mich von der Art her ähnlich einschätzen wie du. Ich persönlich hätte Bedenken gegen die Selbstvermarkter ein wenig unterzugehen. Wenn du aber erstmal irgendwo untergekommen bist, dann ist das glaube ich kein Thema mehr. Jemand der sich realistisch einschätzt und reflektiert arbeitet ist doch gerade in Cinsultungbereich viel wert.

Die Frage die sich mir stellt. Willst du dir das wirklich antun? Ich könnte mir schon vorstellen, dass dich der viele Kundenkontakt unterschwellig stresst. Das ist per se jetzt nichts negatives und natürlich wächst man da rein. Da du aber ja langfristig planst, weiß ich nicht, ob die Branche so richtig zu dir passt.

Sehe ich mit ein wenig Berufserfahrung in der UB ähnlich. Man kommt auch als eher ruhiger Typ voran, aber Selbstdarstellung und Networking begünstigen den Aufstieg massiv, sodass du an diesen Punkten arbeiten solltest, um dort langfristig glücklich und erfolgreich zu werden.

Schaturas schrieb:

2. Ich habe in meinen Praktika durchaus ähnliches Feedback
   zum Thema "Aus-Sich-Herausgehen" wie du bekommen
   und bin jetzt in einer Beratung. An diesem Punkt muss man
   dort schon arbeiten, um voran zu kommen, ist so mein
   momentaner Eindruck - Frage ist, ob du das möchtest, lernen
   lässt sich das sicher. Meine Erfahrung ist, dass die Leute
   schneller weiterkommen, denen das "angeboren" ist.
   Kann aber anderswo auch ganz anders sein.

Hier der TE:
Erst einmal vielen Dank für die durchweg konstruktiven Beiträge!
Ob ich mich bis zum Ende meines Berufslebens im Consulting sehe kann ich natürlich leider noch nicht vorhersagen, ich denke zurzeit einfach nur darüber nach ob es überhaupt Sinn macht für mich macht mich mit diesem Thema auseinander zu setzen.
Eure angesprochenen Punkte, z.B. die Sorge gegen Selbstvermarkter unterzugehen oder nicht so gute Networking Fähigkeiten sind genau die Sachen über die ich auch im Kopf hatte. Auf der anderen Seite sehe ich es aber auch als positiv an, dass ein ruhigerer analytisch geprägter Typ scheinbar nicht komplett verloren wäre in einer Unternehmensberatung.

Ich denke ich werde dem Ganzen einfach eine Chance geben und mein letztes Praktikum bei einer Unternehmensberatung machen (vorausgesetzt ich kriege einen Platz natürlich). Weil es die einzige Möglichkeit ist herauszufinden ob es passen würde oder nicht.

Euch wirklich vielen Dank für Eure Meinungen!

"Ob ich mich bis zum Ende meines Berufslebens im Consulting sehe kann ich natürlich leider noch nicht vorhersagen, ich denke zurzeit einfach nur darüber nach ob es überhaupt Sinn macht für mich macht mich mit diesem Thema auseinander zu setzen."

Diese Entscheidung ist ja auch nicht bis zum Lebensende bindend.

"Eure angesprochenen Punkte, z.B. die Sorge gegen Selbstvermarkter unterzugehen oder nicht so gute Networking Fähigkeiten sind genau die Sachen über die ich auch im Kopf hatte. Auf der anderen Seite sehe ich es aber auch als positiv an, dass ein ruhigerer analytisch geprägter Typ scheinbar nicht komplett verloren wäre in einer Unternehmensberatung."

Inhaltlich ist das Argument korrekt. Dennoch wundert es mich, dass Du es so prominent in den Vordergrund stellst. Es ist irrelevant, ob Du auf Partys fremde Menschen anquatschen kannst oder ob Du Dein Bier schnell oder langsam trinkst. Die wenigsten Berater betreiben Kaltakquise oder vermarkten Handyverträge an Leute, die gar kein Handy brauchen. Entscheidend ist, ob Du dir über wirtschaftliche Sachverhalte ein Urteil bilden kannst und ob Du das Urteil angemessen vertreten kannst. Da es in wirtschaftlichen Fragen fast nie "richtig" oder "falsch" gibt, sondern vieles von Interpretationen, "logischen" Schlussfolgerungen und der Anwendung strategischer Modelle abhängt. Du kannst privat ein vollkommen emotionsloser Zeitgenosse sein, solange Du bei wirtschaftlichen Fragestellungen zu Hochform aufläufst und Deine Einstellung durchsetzen kannst. Meistens geht diese Einstellung dann auch mit der Fähigkeit einher, als Blinder über die Farbe zu sprechen. Die Kombination aus schneller Auffassungsgabe, logischer Intelligenz und wirtschaftlicher Intuition kann Dich sehr weit bringen.

"Ich denke ich werde dem Ganzen einfach eine Chance geben und mein letztes Praktikum bei einer Unternehmensberatung machen (vorausgesetzt ich kriege einen Platz natürlich). Weil es die einzige Möglichkeit ist herauszufinden ob es passen würde oder nicht."

Dein Text liest sich für mich voller Selbstzweifel. Ich wünsche Dir, dass das nur ein falscher Eindruck ist.