Die endgültige Einordnung der europäischen Wirtschaftsunis
Nachdem ich gefühlte 235 Stunden in Foren wie diesen recherchiert, mit sämtlichen Personen gesprochen und zahlreiche LinkedIn Profile durchgestöbert habe, will ich hier mal eine kleine Zusammenfassung erstellen, die zukünftigen Generationen die Wahl hoffentlich etwas leichter macht. Statt auf einzelne Unis direkt einzugehen, versuche ich mich eher an einer Clusterisierung.
Vorab vielleicht erst einmal die Grundfrage: Gibt es Target-Unis in Deutschland/Europa?
Ja und nein. Ja, weil selbst in Deutschland Firmen (Beratungen, insbesondere aber Start-Ups im Rocket Umfeld) inzwischen keinen Hehl mehr draus machen, dass sie nur von „Top-Unis“ rekrutieren bzw. eine Präferenz dazu haben. Daraus wird dann schnell eine selbsterfüllende Prophezeiung. Ja auch, weil Deutschland hier sehr lange eine Anomalität dargestellt hat, Target Unis aber in anderen westlichen Ländern (USA, UK, FR) schon fast immer existiert haben, und Deutschland nun, im Zuge einer internationalisierten (HR)-Landschaft sich fast zwangsläufig anpasst. Nein, weil die Effizienz im System einfach noch deutlich geringer ist als beispielsweise in den USA ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Harvard-Absolvent „besser“ ist als ein State College Student ist extrem hoch. In Deutschland gibt es ein vergleichbares Muster in diesem Ausmaß sicher nicht. Das sollte uns allen bewusst sein. Weil irgendwo Mannheim/WHU/Maastricht draufsteht heißt das nicht, dass die Person ein besserer Arbeitgeber ist als ein Hohenheim/Bayreuth/Passau Absolvent. Statistisch gesprochen: Die Varianz innerhalb einer Gruppe ist hier größer als die Varianz zwischen zwei Gruppen.
Ganz wichtig: Wer Target-Unis verstehen will, der muss sich mit dem Konzept von „Signalling“ auseinandersetzen. Target-Unis sind demnach in erster Linie eine persönliche Akkreditierung und der Fakt, dass man angenommen wurde zählt oft mehr als das eigentlich Erlernte. Diese Portion Zynismus sollte man sich in dieser Diskussion durchaus bewahren.
Außerdem noch mMn zentral: Die oft aufgestellte Einordnung Ausland = Gut/Schlecht/Teuer/Elitär ist albern. Weiß nicht, woher dieser Nationalstaatenfetischismus kommt. Wir leben in Europa.
So, jetzt aber mal zu meiner Einordnung mit Vor-und Nachteilen:
a) UK University Targets (Reihenfolge in etwa: Oxford, Cambridge, LSE, Imperial, UCL, Warwick)
Höchster akademischer Anspruch. Business Schools teils zwar etwas abgesondert, Wissensaustausch zwischen Fakultäten findet aber statt und stimuliert. Weltweites Gütesiegel und Netzwerk; muss bei Vorhaben in DE/Europa zu arbeiten aber kein Vorteil sein. Auswahl für Master teils limitiert, da eigentlich nur Zusatzgeschäft. Extrem hohe Studiengebühren u. hohe Lebenskosten.
b) Nordische Target Unis (Unsortiert: Stockholm, Rotterdam, Maastricht, Kopenhagen)
Moderne, agile, staatliche Universitäten in modernen, egalitären Gesellschaften. Dadurch traditionell weniger Ellbogen/elitäres Gehabe als in anderen Business Schools, wird aber durch internationale Studenten teils aufgehoben. Tolle Städte mit hoher Lebensqualität, allerdings auch teuer. Unigebühren dafür sehr gering bzw. nicht existent. Netzwerk und Reputation wächst in Deutschland, hat sich aber noch nicht komplett gebildet/rumgesprochen.
c) Deutschsprachige Top Target Unis (Insbesondere St. Gallen, Mannheim, WHU)
High-Performer Unis, in denen man, positiv formuliert, allein durchs Umfeld Motivation für Top-Karriere bekommt. Negativ formuliert: Hoher Leistungsdruck, Prestige Arbeitgeber u. Noten = hohes Ansehen = Lebenszufriedenheit. Gute Wahl für Leute, die im deutschsprachigen Raum richtig Karriere machen wollen. Akademisch hohes Niveau.
d) Klassische Europäische Target Business Schools (Unsortiert und ohne Anspruch auf Vollständigkeit: ESADE, IE, Bocconi, LBS, ESCP, HEC, ESSEC):
In Übereinklang mit Gesellschaft (FR, IT, ES) oft relativ elitär, aber nicht immer im meritokratischen Sinne. Würde die Business Schools als Throughput-Unis bezeichnen. Ein humboldtsches Bildungsideal ist hier weniger gefragt, es geht stattdessens sehr stark um den Student als Kunden und die Erfüllung seiner Wünsche (UB oder IB First Tier, aber bitte schnell!). Darin sind die Unis tatsächlich gut. Kontakt mit Firmen und Alumni als Kernkompetenz. Akademisch (trotzdem) teilweise gut bis sehr gut (z.B. HEC). Studiengebühren hoch.
e) Deutsche Rising Stars / Targets (Unsortiert und ohne Anspruch auf Vollständigkeit: TUM, Frankfurt School, Goethe, Köln)
Irgendwo zwischen c) und f). Teilweise näher an f) als an c) und vice versa.
f) Deutsche Staatliche Non-Target Unis
Akademisch anspruchsvoll, teilweise sogar anspruchsvoller als beispielsweise d). Positiv formuliert: Entspanntes Umfeld, humboldtsches Bildungsideal, wenig Ellbogen. Negativ formuliert: Uninspirierendes/ambitionsloses Umfeld, veraltete Didaktik. Netzwerk eher regional.
g) Deutsche Private Non-Targets (Unsortiert: ISM, Cologne Business School, Munich Business School, etc.)
Akademisch (bedeutend) weniger anspruchsvoll als beispielweise f), insbesondere in quant. Fächern. Teils gefühlt mehr Geld in Marketing als in Bildungsinhalte. Internationalität wird versprochen, oft nicht eingehalten. Netzwerk dafür (regional) tatsächlich recht gut. Als durchschnittlicher/schlechter Student evtl. bessere Jobperspektiven mit g) als mit f). Moderne Einrichtung, praxisorientiertes Lernen.
Ich hoffe, ich konnte ein paar Leuten mit dieser Einordnung helfen. Bitte kein Streit in den Kommentaren.
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