Lounge Gast schrieb:
wer exogene varianz der unabhängigen variable isolieren kann,
der kann auch kausalität messen, das geht sehr wohl.
Oh, es wurde ein Kausalitätsdetektor entwickelt? Leuchtet der Rot, wenn die Kausalitätskraft aufspürt?
Zeig mir eine Quelle aus der Mathematik oder Statistik (also nicht aus der Ökonometrie) oder Physik, die davon spricht, dass Kausalität "gemessen" werden kann. Auf Kausalität wird "geschlossen", aber messbar ist sie nicht.
Schönes Beispiel auf der Homepage des Australischen Statistischen Amtes (denen ich jetzt einfach mal ein gewisses know how zurechne)
http://www.abs.gov.au/websitedbs/a3121120.nsf/home/statistical+language+-+correlation+and+causation
"How is correlation MEASURED?" --- jaaa und wie ist das mit der Kausalität?
...
"How can causation be ESTABLISHED?" --- wie?! Established?! Ich establishe doch auch nicht mein Gewicht, wenn ich mich wiege, sondern messe es. Richtig, weil es da etwas zum Messen gibt. Kausalität ist aber nichts, das "da ist" und gemessen werden kann. Ich kenne jedenfalls keinen Kausalitätsdetektor/waage/Messinstrument. Alles was ich kenne, sind Methoden, die einen Schluss auf etwas Derartiges nahe legen und man bei Vollzug dieses gedanklichen Schlusses also eine Kausalität unterstellt/ etabliert/ annimmt.
Und mal auf einer etwas abstrakteren Ebene:
In einem kausal und auch sonst geschlossenen System, dass es nur in der Theorie geben kann und bei dem alle unabhängigen Variablen bekannt sind, mag es (vielleicht) richtig sein, dass es eine solche "Messbarkeit" von Kausalität geben könnte. Wie man leicht sieht ist das aber nahe an einer petitio principii, weil ich per Definition ein theoretisches System aufstelle, in dem kausale Geschlossenheit angenommen wird - dann ist es nicht weit her mit der Aussage, dass diese hineingesteckte Annahme auch theoretisch ableitbar sein muss. Messbar sicherlich nicht, denn was ist es denn für eine "Kraft"(?) oder Entität, die da gemessen wird?
Ein solches System ist in der Praxis nicht existent. Und zwar weder in der Physik noch sonst wo. Im Bereich der Newtonschen Physik (also in einem gewissen Geltungsbereich) vielleicht - und letzten Endes steckt man eben auch dort gewisse Annahmen, wie die Obige, einfach rein, schlicht weil es "praktisch" ist. Und schon die Frage, wo dieser Geltungsbereich exakt aufhört, ist nicht klar beantwortbar.
Für den Nicht-Physiker empfehle ich Henri Poincares "la valeur de la science"/ der Wert der Wissenschaft zu Einführung. Er schließt bezogen darauf, warum wir auf gewisse Gesetze der Newtonschen Physik kommen (am Beispiel der Frage, was es heißen soll, dass zwei Ereignisse gleichzeitig geschehen - aber wenn wir das nicht exakt bestimmen können, dann haben wir auch keinen Begriff davon, was es heißt, dass sie nicht gleichzeitig, also aufeinanderfolgend geschehen und das wiederum ist eine notwendige Bedingung von Kausalität - weswegen er die Gleichzeitigkeit so ausführlich betrachtet.)
?Nous choisissons donc ces règles, non parce qu?elles sont vraies, mais parce qu?elles sont les plus commodes, et nous pourrions les résumer en disant: ?La simultanéité de deux événements, ou l?ordre de leur succession, l?égalité de deux durées, doivent être définies de telle sorte que l?énoncé des lois naturelles soit aussi simple que possible.? En d?autres termes, toutes ces règles, toutes ces définitions ne sont que le fruit d?un opportunisme inconscient?
"Wir wählen also diese Regeln, nicht weil sie wahr sind, sondern weil sie die bequemsten sind, und wir könnten sie zusammenfassen und sagen: 'Die Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse oder ihre Aufeinanderfolge und die Gleichheit zweier Zeiträume müssen derart definiert werden, daß der Wortlaut der Naturgesetze so einfach als möglich wird'. Mit andern Worten, alle diese Regeln, alle diese Definitionen sind nur die Früchte eines unbewußten Opportunismus."
Was Ökonomen angeht möchte in hinzusetzen: Eines naiven, unschuldigen Optimismusses (Opportunismus werfe ich ihnen nicht mal vor, dazu genügen ihr methodologisches Wissen und und ihre mathematischen Kenntnisse nicht), wie ihn eigentlich nur Kinder haben können. In gewisser Weise bewundere ich die Kollegen dafür.
Ich sehe überdies nicht, wie man Humes riddle of induction einerseits und das im Prinzip auf Poincare zurückgehende Duhem-Quine-Problem (siehe bspw. Duhem: The Aim and Structure of Physical Theory) der Unterbestimmtheit von Theorien (und Aussagen der Form "zwischen A und B besteht ein kausaler Zusammenhang" sind zunächst theoretische und benötigen selbst eine Theorie der Kausalität) anders, als pragmatisch lösen will.
Ich bin Pragmatiker und um Gottes willen weder Skeptiker noch Relativist. Aber problematisch finde ich es, wenn sich faktische Pragmatiker für Realisten halten.
Wenn ich es richtig im Kopf habe, könnten Ökonomen mal durch Deborah Redmans "Philosophy of Economics" blättern. Das sensibilisiert erst mal. Und auch, wenn es in eine andere Richtigung geht: Lest wenigstens Friedmans Essays in Positive Economics.
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