Wenn Dich Wirtschaft und Politik im ganzen interessiert, so ist das noch keine Antwort auf die Frage, welche konkreten Tätigkeiten Dich glücklich machen. Viele VWLer beschäftigen sich intensiv mit Mathematik und Statistik. Die Wirtschaft als ganzes tritt bei diesen Berufen lediglich in Form einiger Zahlen auf, die man dann auswertet und in mathematische, wirtschaftliche Modelle einbringt.
Außerdem musst Du bedenken, dass Du später im Beruf dafür bezahlt wirst, dass Du einem Unternehmen oder einer Institution einen Nutzen bringst. Dein Interesse für Wirtschaft (und insbesondere das für Politik!) bringt aber zunächst mal niemandem etwas. Politik und Wirtschaft verstehen ist das eine, Politik und Wirtschaft erfolgreich betreiben aber etwas völlig anderes. Du solltest dir überlegen, ob Du lieber über Politik und Wirtschaft nachdenken willst oder ob Du in ihnen erfolgreich tätig sein willst.
Wenn Du gerne nachdenkst, ist ein VWL-Studium nicht verkehrt. Viele VWLer finden aber hinterher keine feste Anstellung in einem Unternehmen, denn nur bei wenigen Firmen ist das Geschäftsmodell darauf angewiesen, dass die Mitarbeiter sich mit Lohnkurven, Staatsquoten und Slutzky-Gleichungen auskennen.
Es könnte außerdem sein, dass Du bereits nach wenigen Semestern feststellst, dass Dir der Theoriegehalt dieser Fächer viel zu groß ist und dass Du nach einem ersten Grundverständnis der Zusammenhänge gerne ins "Machen" wechseln möchtest.
Ich kenne diesen Unterschied recht gut, weil ich selbst BWL studiert habe (und inzwischen in einer großen Firma in einer kaufmännischen Funktion tätig bin, bei der ich direkt mit Geschäftspartnern zu tun habe) und mein Bruder VWL studiert hat.
Mein VWL-Bruder sagt, meine BWL-Arbeit wäre ihm zu primitiv, zu kurzfristig, zu wenig theoretisch, zu sehr mit zwischenmenschlichen Faktoren beladen. Die Vorstellung, das Telefon in die Hand zu nehmen und mit einem Geschäftspartner eine Vereinbarung auszuhandeln, sei ihm ein Graus.
Ich BWLer sage meinem VWL-Bruder, seine Arbeit wäre mir viel zu weit weg vom richtigen Leben, würde viel zu oft in 100seitigen Forschungspapieren enden, die am Ende sowieso niemand liest geschweige denn versteht, und die Vorstellung, dass ich morgens um 9 ins Büro komme und erst zur gemeinsamen Mittagspause um 12.30 das erste mal einem anderen Menschen begegnen werde, ist für mich der absolute Horror.
Insofern ist für uns beide unser Weg eine Erfüllung geworden. Er will seine Ruhe haben und in einem Einzelbüro über die grundlegenden mathematischen Zusammenhänge unseres Wirtschaftssystems forschen, ich will ein Büro mit 6 Kollegen und einem Telefon, welches maximal für 10 Minuten still steht. Und abends gehe ich nach Hause und kann genau sagen, was ich für meinen Arbeitgeber heute erreicht habe. (Und mein Bruder hat dafür in 30 Jahren die Welt gerettet.)
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