WiWi Gast schrieb am 27.11.2023:
Es gibt zweifelsohne sehr gute Nawiprofile bei MBB. Die meisten sehr guten Naturwissenschafler, die ich kenne, arbeiten gern in ihrer Fachrichtung. Ich kenne wenige, die zu MBB gehen, weil sie den Job so toll finden. Es ist eher die fehlende Perspektive in der Wissenschaft, und die mittelmäßige Bezahlung in der deutschen Industrieforschung, die die Nawis zu den Beratungen treibt. Einen spannenden Job zu finden, der gut bezahlt und fachlich spannend ist, ist für Nawis in Deutschland einfach kaum noch möglich, wenn man es nicht zu Facebook, Google etc schafft, was auf entsprechenden Positionen sogar noch teils deutlich kompetitiver ist, als MBB. Das ist zumindest meine Wahrnehmung.
Das ist tatsächlich so und ein großes Problem in Deutschland. Nicht nur für die Nawis, sondern auch für die deutsche Wirtschaft, die nicht versteht, dass man guten Leuten entsprechend Geld zahlen muss. Deutschland vergrault so die Spitzenleute und verliert in vielen Bereichen den Anschluss.
Andererseits: Der Durchschnitts-MINTler schafft auch einfach relativ wenig Wert. Das steht im Gegensatz zur ärztlichen Dienstleistung, die stets eine Individualdienstleistung ist, für die ein Patient in einem markwirtschaftlichen System sehr viel Geld zu zahlen bereit wäre.
WiWi Gast schrieb am 27.11.2023:
Und in der Hinsicht ist der Arztberuf einfach deutlich besser. Er bietet im Gegenzug zum MINT Bereich die Möglichkeit, in seinem Fachbereich mit fachlicher Tätigkeit sehr gut zu verdienen. Mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit irgendwann zwischen 100-150k zu verdienen und bis ins hohe Alter gefragt zu sein. Und das gilt für jeden Wald und Wiesen Mediziner. Diesen Luxus gibt es in keinem anderen Fach.
Wenn man sich, mit jedem anderen einigermaßen brauchbaren Fach, ähnlich reinhängt wie Mediziner es zwangsweise müssen mit Lernaufwand im Studium + Arbeitsbelastung in der Assistenzarztzeit.
WiWi Gast schrieb am 27.11.2023:
Wenn ich als Physiker arbeiten möchte, dann gibt es ausserhalb der Unis quasi keine Jobs in Deutschland - ich bin fast überall Quereinsteiger und konjunkturellen Gegebenheiten ausgesetzt.
Das erste ist teilweise ein Problem. s.o. Das zweite eben nicht.
Und natürlich tragen auch Ärzte ein systemisches Risiko: Der Topf, aus dem sie bezahlt werden wird immer kleiner, weil die Gesundheitsausgaben (anderweitig) explodieren, die Einnahmen einbrechen, und immer weniger Geld für die Mitarbeiter des Gesundheitssystems zur Verfügung steht. Aus diesem Grund erodieren die Reallöhne der Ärzteschaft seit Jahrzehnten. Nur, weil die Gehaltsentwicklung der Ärzte nicht zyklisch ist, heißt das noch lange nicht, dass sie risikofrei ist.
WiWi Gast schrieb am 27.11.2023:
Es gibt keinen Staat, der mir einen 100k Job für meine Ausbildung warmhält und schützt - im Gegenteil unterstützt der Staat sogar aktiv dabei, den MINT- Fachkräftenachschub auf Biegen und Brechen hoch und damit die Löhne niedrig zuhalten.
Schau dir doch mal an, wie viel Ärzte in marktwirtschaftlichen Systemen verdienen. Der Arzt drückt die Ärztegehälter, er erhöht sie nicht, und trägt damit zum Ärztemangel bei.
WiWi Gast schrieb am 27.11.2023:
Die Arbeitsbedigungen an den Uni-Kliniken sind natürlich zu kritisieren, würde allerdings behaupten dass die Promotion für viele Nawis nicht viel weniger Intensiv ist, ähnlich viel Zeit beansprucht und deutlich schlechter bezahlt wird als die Assistenzarztzeit.
Als ehemaliger Arzt, der in seiner Freizeit im Labor geforscht hat, kann ich darüber nur lachen. Ich weiß, wie Nawis (primär Biologen und Biochemiker) promovieren. Klar ist das manchmal stressig (weil man an lebenden Organismen forscht, die keinen Sonntag kennen), aber mit der Assistenzarztzeit (nicht nur an Unikliniken) ist das absolut nicht zu vergleichen.
Und die promovierenden Physiker, die ich so privat kenne, chillen halt auch hart.
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