WiWi Gast schrieb am 27.10.2023:
Du musst hier zwei Sachen unterscheiden. FACHLICH ist der Vergleich Studium/Ausbildung nicht zu ersetzen, darum ging es hier nicht. Es geht allein um die Frage, ob der Bachelor die Ausbildung TATSÄCHLICH d.h. in der Realwelt ersetzt. Und das passiert gerade im Eiltempo (Anzahl Studenten ca 3 Mio, Anzahl Azubis ca 1 Mio in 2022) in de Realwelt. Man hat sich noch vor 20 Jahren über die "studierte Krankenschwester" in UK/USA lustig gemacht (aus deutscher Sicht). Heute ist das in Deutschland mittlerweile quasi die gleiche Realität ("B.A. Gesundheits- und Krankenpflege"). Die Krankenschwester der Zukunft wird auch in Deutschland studiert haben. Obs dafür mehr Gehalt gibt, steht auf einem anderen Stern. In der Familie haben 3 Leute dual studiert. Die sagen alle das Gleiche. Sie sind in ihrem KMU die vergleichsweise Jung, haben den höchsten Abschluss (B.A., Master). Der Chef hat meistens "nur" eine Ausbildung. Und die Arbeit, die sie machen, ist 1:1 die gleiche, wie die der Ausgebildeten. Nur gibt's halt 500 Euro mehr Gehalt. Neue Azubis finden die Betriebe nicht, dafür aber Duale Studenten ohne Probleme. Selbst für's Lager. Dann fährt der Duali BWL-Logistik halt 1 Jahr Gabelstapler (symbolisch übertrieben gesagt). Aus Sicht des Betriebs ist es, wie gesagt, wurscht.
Ich persönlich glaube, dass sich hier eher die bessere Verhandlungssituation der Gen Z widerspiegelt.
Ich habe vor meinem Studium eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten gemacht und hätte auch gerne dual studiert. Das wollte mein damaliger AG aber nicht unterstützen. Ist fast 15 Jahre her. Damals konnte mein Chef sich seine 4 Azubis noch unter 20 Bewerbern aussuchen. Das hat sich auch in den Arbeitsbedingungen niedergeschlagen, es gab keine 30 Tage Urlaub, nach der Berufsschule ging es selbstverständlich usw. Parallel konnte man relativ hohe Ansprüche an die Bewerber stellen (mind. Abitur, kein Fachabi).
Mittlerweile muss da hart gekämpft werden um überhaupt noch jemanden zu finden und da kommt eben auch das Duale Studium ins Spiel.
Tatsächlich sind die Ansprüche der fertigen Dualen Studenten dadurch auch gestiegen. Die Ausbildung ist schwieriger und es werden nicht nur spannende Aufgaben sondern auch eine bessere Bezahlung wird vorausgesetzt, sonst sind die schnell wieder weg.
Bei meinem jetzigen AG ähnlich, wir finden mittlerweile auch kaum BWL'er. Trotz entsprechender Tariflicher Eingruppierung und Sicherheit im ÖD. Meinen Kollegen haben sie vor 10 Jahren noch als Kaufmann eingestellt um ihn 2 EG Stufen niedriger einzugruppieren trotz Diplom, da reichte noch als Argument "Jobsicherheit" und "unbefristet", damit holst du mittlerweile keinen mehr ab. Und wenn den Leuten der Job nicht gefällt sind sie schnell weg, wenn ich mir jetzt vorstelle ich würde einen BWL'er Gabelstapler fahren lassen, kann ich jetzt schon sagen, das der sich in der Probezeit wegbewirbt oder ich ihm lächerlich viel Schmerzensgeld zahlen muss.
Ist jetzt natürlich sehr anekdotisch. Ich glaube aber wirklich das wir mittlerweile in völlig anderen Zeiten leben als die meisten noch im Kopf haben. Ist aber natürlich nur mein persönlicher Eindruck.
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