Das mit den Volkswirten ist so eine Sache. Auch auf die Gefahr hin, dass es jetzt heftigen Widerspruch gibt, meine Ansichten dazu (ich bin der Volkswirt von oben):
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Es ist richtig, dass es außerhalb der Forschung (wozu ich Institute zähle) bzw. des Akademischen, nur wenige Stellen für Volkswirte gibt, die dann auch als Volkswirte arbeiten (!).
- "Jede Bank braucht Volkswirte". ich rede erst mal von Volkswirten, die als Volkswirt arbeiten. Dann: Nein. Nur sehr große Banken "leisten sich" eine volkswirtschaftliche Abteilung, die aber enorm klein ist. Gleiches mag für sehr große Konzerne gelten. Das dient teilweise der Bereitstellung von Analysen, die man nicht extern einkaufen will und ist daher unmittelbar sinnvoll. Teilweise geht es einfach um Marketing. Man will eben in den Medien präsent sein. Norbert Walter hat als Chefvolkswirt der Deutschen Bank wahrscheinlich mehr für die Deutsche Bank im Bewusstsein der Öffentlichkeit getan, als jede Anzeigenkampagne. Und nicht ohne Grund grinst immer mal wieder irgendein Banken-Volkswirt nett in die Kamera und erklärt für Börse im ersten oder in der FAZ oder sonstwo in Gastbeiträgen die Welt. Außerdem sind deren Arbeiten Grundlage für die Kunden/ den Vertrieb. Unter Jain hat sich die DB Research ganz deutlich gewandelt, nach meiner Meinung.
Dort wo der Druck zum Geldverdienen eher gering (aber trotzdem da! nicht, dass ich missverstanden werde) ist (KfW), finden sich wieder mehr Volkswirte, die tatsächlcih Research machen, weil man es sich eben leistet.
Diese Aspekte des Berufsbildes sind übrigens ein Grund, warum ich immer wieder darauf hinweise, dass es ein echter Verlust der Qualität der Ausbildung deutscher Volkswirte ist, dass sie an den Universitäten nicht mehr beigebracht kommen Aufsätze zu schreiben. Das ist mal zu einem Großteil deren Job! Und die Studis finden es auch noch toll, weil es sich so bequem auf die Geisteswissenschaftler herabsehen lässt.
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Die Volkswirte die bei den Big4 und Konsorten (UBs) arbeiten sind meiner unbedeutenden Meinung nach erst mal per se eine Unterabteilung des Marketings. jedenfalls stehen sie bei mir in dem Verdacht. "Erstelle uns eine Analyse, bei der raus kommt, was der Kunde hören will". Und das machen sie auch noch auf einem erbärmlichen Niveau, denn es muss ja "McKinsey Studie" auch für den letzten trotteligen Journalisten auf Spiegel Online verständlich, reißerisch und zitierfähig sein. Jaaa, das mag überzogen sein und es gibt Ausnahmen, aber man muss sich eben Fragen: Warum sollten sie Volkswirte Analysen erstellen lassen, die kein Geld bringen? Deswegen kam das für mich eher nicht in Frage, aber jedem das Seine.
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Kommen wir zu Volkswirten bei Banken, die nicht als Volkswirt arbeiten. Da landen wir schnell im Risikocontrolling und -- wird von Einsteigern oft vergessen und so viele Stellen werden extern auch nicht ausgeschrieben: Im Treasury von Konzernen! Hackt auf mir rum, aber Volkswirte können im Mittel eben besser rechnen und Zahlen schubsen als der Marketing/Personal-BWLer.
Das Problem: Im Vorfeld der Finanzkrise, sagen wir mal frühestens seit der Deregulierung des Kapitalmarktes in Deutschland in den 1990ern, spätestens seit den 2000ern langt die Mathematik, die ein Volkswirt (sinnigerweise) beigebracht bekommt nicht mehr, um mit der Komplexität der Produkte umzugehen. Da sitzen mittlerweile Physiker. Böse Zungen sagen, dass das mit ein Grund für die Misere ist. Also dass da Leute ohne ökonomischen Sachverstand Produkte programmieren und kalkulieren, die eine ökonomische Wirkung entfalten. Aber das ist ein anderes Thema.
Gleiches gilt für Versicherungen. Auch da hat die Nachfrage nach Volkswirten abgenommen aus diesem Grund.
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Nach meiner Beobachtung werden Volkswirte zunehmend in einem ganz anderen Sektor interessant: In der Bankenaufsicht/ Regulierung. Also eigentlich typische BWL-Spielwiese. Und zwar auf Seiten der Banken, nicht der Behörden. Die ganzen Stresstests und die ganzen Berichts-Anforderungen und Anforderungen an Modelle sind von Accounting-Menschen kaum noch zu schaffen. Sie sind aber je nach Größe der Bank auch nicht so sehr rocket science, dass man Physiker bräuchte. Viele Volkswirte trauen sich aber nicht da einzusteigen, weil sie von Bilanzen und Regulierung keinen Plan haben oder schlicht keinen Bock drauf.
- Zu sonstigen Einsatzmöglichkeiten: Lobbyismus. Verbände etc pp. Da gilt für mich allerdings das Gleiche, wie bei den UBs: Das ist eben Marketing. Aber: Irgendwie interessanter, weils immer auch um Politik geht.
Dann natürlich die Politik selbst. Aber das Feld Ministerien, Öffentlicher Dienst, Zentralbanken, Aufsichtsbehörden, mache ich jetzt hier nicht auf, was es da an Einsatzmöglichkeiten gibt wäre zu vielfältig und die Berufswege udn Anforderungen zu individuell. Aber: Das ist sicherlich das Hauptbetätigungsfeld, rein zahlenmäßig.
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- Was heißt das für die Ausbildung von Volkswirten?
a) Was für den BWLer die Kombination Marketing/Personal ist, das ist für den Volkswirt "Umweltökonomie/Wirtschaftspolitik". Ist nett, aber damit was zu finden wird verdammt schwer, weils eben jeder kann oder schnell angelernt werden kann.
b) Der Marktwert von Volkswirten hängt entscheidend davon ab, wie gut die rechnen können. STATA, Matlab, richtig, richtig gut Excel+VBA, E-Views was auch immer. An Physiker kommt man nie ran, das kann man vergessen. Die lernen von beginn an eine ganz andere Form der Mathematik.
c) Aus diesem Grund ist rechnen alleine aber auch nicht das Heil. Man muss immer ein zweites Standbein haben, in dem man die Rechnungen auch anwenden kann und so "Cash generiert", wo es ein Physiker nicht so einfach kann. Volkswirte mit quantitativer Ausbildung und einem Nebenfach Finance sind zum Beispiel schon mal sehr gut aufgestellt. Man macht sich keine Vorstellung, wie sinnlos die höchsten Rechenkünste sind, wenn man von CAPM-Logik, Marginaldenken, Opportunitätskostenüberlegungen und von Finanzmärkten, oder der Bankenfunktion etc nie gehört hat und man ist erstaunt, wie geprägt man durch das Studium wird! Da ist für wiwis intuitiv, wo sich nicht-wiwis kaum reindenken können.
Vielleicht doch mal ein paar Wahlveranstaltungen Accounting oder Recht mitnehmen.
d) besteht in euren Fachbereichsgremien drauf, dass euch das Schreiben beigebracht wird! Und zwar schon im Bachelor! Besteht auch drauf, dass es neben einem Pflichttutorium "wissenschaftliches Schreiben" auch Veranstaltungen gibt, in denen statt einer Klausur ein essay geschrieben werden muss. Und das meine ich NEBEN den der einen oder den zwei Seminararbeiten. Wenn es an Seminararbeiten geht: Fordert wirkliche Unterstützung ein! Außerdem: Schreiben lernen und viel Schreiben führt auch zu einer besseren mündlichen Ausdrucksweise.
e) Lest viel! Nicht nur PowerPoint Mathe Formeln ansehen. Lest wirklich mal VWL-Bücher durch und fasst sie zusammen. je nach Job beeindruckt ihr mit bloßem breiten Wissen über Theorien. Wenn man für die Gewerkschaft arbeitet muss man andere Modelle kennen, als wenns um die IHK geht oder ums Finanzministerium. Je nach Politik sollte man mehr Keynes oder mehr neoklassik kennen, mehr Minsky oder auch mal einfach die Klassiker zitieren können.
f) Ist das alles im bachelor/Mastersystem zu machen?
Ja...kommt drauf an. Nach meiner Beobachtung (hab das ja nur in den Grundzügen mitbekommen) gibt es ein ganz großes Problem: Was Volkswirte brauchen ist eine breite und in Teilen tiefe Ausbildung. Wenn man aber Bachelor VWL und Master Finance macht, dann bekommt man im Bachelor (der meist ja auch einen BWL Teil hat) zu viel Quatsch mit, den keine Sau braucht (Wirtschaftsinformatik auf einem witzlosen Niveau, Ethik, Marketing, lalala). Das verstopft das eh schmale Studium für die wichtigen Sachen. Mathe, Staistik, Schreiben lernen, Theoriegeschichte.
Nach dem Master ist man eher ein Finance-Typ ohne noch als Volkswirt erkennbar zu sein. Also man ist BWLer.
Oder man macht den BWL bachelor und dann einen Economics Master. Meine Meinung: In 2 Jahren macht man aus einem Controller keinen Volkswirt. Ende der Durchsage. Wenn es ein guter Master ist, dann hat man höchstens die quantitativen Skills aber kein VWL Wissen oder man hat VWL wissen, kann aber nicht gut genug rechnen.
Lösung: PhD, also ein Promotion mit Doktorandenvorlesungen. Aber: Das dauert 5 Jahre und es ist überhaupt nicht gesagt ob man danach eher einen Job findet oder mehr verdient, weil man zum Teil überqualifiziert ist.
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und sonst noch: Das Problem als Volkswirt (das gilt ganz besonders wenn er als Volkswirt arbeiten will) ist mehr als für BWLer der Einstieg. Meist will man einschlägige Berufserfahrung und damit ist EINSCHLÄGIGE gemeint. Der Verband will eben einen Lobbyisten mit Netzwerk. Wenn man im "Marketing" unterwegs sein will, macht sich der Visitenkarten Dr. sehr gut und man sollte irgendwas veröffentlicht haben oder schon mal bei angesehenen Arbeitgebern gewesen sein, um Image in den neuen Job mitzubringen. "jaa, die Analyse hat der Herr Dr. sowieso gemacht! Der war früher beim Finanzministerium und dann bei der Bundesbank. Jetzt ist er hier bei McKinsey und hat für Sie, lieber Kunde, diese tolle Analyse erstellt! Deswegen ist sie ihr Geld wert!" oder so ähnnlich.
Schwere Sache, aber Volkswirt wird man eh nicht wegen des Geldes, sondern aus Überzeugung ;)
Hoffe geholfen zu haben.
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