Wie lange warten mit Kündigung? Sind Arbeitszeiten von 40h/Woche Utopie?
Hallo zusammen,
ich stehe gerade vor einem innerlichen Scheideweg und benötige mal eure Meinung. Sorry, dass der folgende Text länger wird:
Ich war 6 Jahre in einem Unternehmen (inklusive dualem Studium) und davon die letzten 2 Jahre in einer leitenden Position im Außendienst (inklusive Personalverantwortung von ca. 60 Mitarbeitern). Der Job entsprach an sich genau meinen Vorstellungen und hat mir echt Spaß bereitet - Vorgesetztenverhalten, Arbeitsbedingungen, fehlende Entwicklungsmöglichkeiten und nicht vertretbare Unternehmensentscheidungen, die ich an die Mitarbeitenden weitergeben musste, waren jedoch nicht mehr vertretbar. Ich hatte häufig Wochen mit mehr als 70 Wochenstunden und war an 6 Tagen die Woche unterwegs + zusätzlicher 24/7 Erreichbarkeit für meine Mitarbeiter und Vorgesetzten, die aufgrund von Corona auch häufig sonntags (den 7. Tag) in Anspruch genommen wurde. Sonntags lag ich dann völlig erschöpft auf der Couch und war für nichts zu gebrauchen. Demzufolge musste ich Partnerin, Freunde und Familie eher hinten anstellen.
Schließlich wurde ich von einem Recruiter angeschrieben, der mir eine ‚super‘ Stelle in einem Unternehmen anbot, welches ein direktes Wettbewerbsunternehmen darstellte, bei dem ich schon immer mit dem Gedanken gespielt hatte, dorthin zu wechseln.
Die Position ist quasi höher gestellt als meine damalige, deutlich besser bezahlt und VOR ALLEM: ich habe nun einen 40h Arbeitsvertrag und Work-Life-Balance sei groß geschrieben.
Aber: Für den Job müsste ich umziehen (ca. 400km von Heimat und Familie entfernt). Da es sich um ein internationales Unternehmen handelt, habe ich dann im Vorstellungsgespräch um die notwendigen Englischkenntnisse gefragt (da ich es bisher nie in meinem Leben beruflich benötigt habe und es demzufolge eher etwas eingerostet ist) - die Antwort lautete: „Schulenglisch reicht, kann schon sein, dass man mal etwas auf Englisch machen muss, ist aber eher die Seltenheit“.
Nach intensiver Absprache mit meiner Freundin ergab sich folgender Plan: das erste halbe Jahr nehme ich dort eine Zweitwohnung, im Anschluss zieht auch meine Freundin mit dorthin und sucht sich dort einen Job. Schließlich hätte ich dort dann eine 40 Stundenwoche und jedes Wochenende frei, so dass wir dort wesentlich mehr Zeit miteinander hätten und alle 2/3 Wochenenden in die Heimat fahren könnten.
Schließlich habe ich den Job begonnen. (01. März)
Der Job an Sich ist wirklich extrem spannend und ich stehe vor einer großen Herausforderung, ABER:
Arbeitszeiten täglich von 07:30 Uhr bis 20:30 Uhr, Mittag wird schnell vor dem Rechner gegessen, Freitags nur bis 18:00 Uhr (danach heißt es für mich: 4 Stunden Fahrt in die Heimat.
Den halben Tag finden geschäftliche Meetings auf Englisch statt
Es gibt keinen Zusammenhalt - jeder kämpft für sich
Enorm hohe Fluktuation
Sehr niedriger Altersschnitt, ältere Mitarbeiter gibt es in dieser Abteilung nicht
Einarbeitung getreu dem Motto: „Du darfst alles fragen, aber nur einmal“ und „Mich hat auch keiner richtig eingearbeitet und ich musste mir alles selbst beibringen“
Letztlich habe ich effektiv 36 Stunden am Wochenende für Freundin, Familie und Freunde, da ich Sonntagabend dann auch schon wieder los muss.
Es ist mittlerweile undenkbar, dass meine Freundin mit dort hin zieht, da wir letztlich auch so nur 30 Minuten voneinander am Abend hätten.
Problem ist, dass ich mich bereits nach den ersten beiden Tagen extrem von dem Unternehmen ‚ver******‘ gefühlt habe. Die 40 Stunden waren schlichtweg erlogen und auch meine Englischkenntnisse entsprechen in keiner Weise den Anforderungen.
Ich komme die Woche über nach Hause, telefoniere kurz mit meiner Freundin, esse, dusche und gehe direkt danach schlafen - ist das lebenswert?
Ich glaube, dass ich durch diesen Schritt erkannt habe, was für mich im Leben zählt und ich nicht bereit bin, für eine Karriere wirklich ALLES andere aufzuopfern.
Die Frage ist nur: Was ist am sinnvollsten/wie lange soll ich dort bleiben?
Bleibe ich wenigstens 6 Monate, damit man nicht im Lebenslauf einen kurzen Step von nur 1-2 Monaten stehen hat und sich wenigstens die Miete der Zweitwohnung zahlt? Oder gehe ich direkt, weil ich mich selbst noch nie so unglücklich erlebt habe?
Das Problem ist, dass sich selbst Bewerbungen neben dem Job als sehr schwierig darstellen würden. An das Telefon kann ich nicht gehen (im Büro) und Einladungen zu VG könnte ich auch nicht nachgehen…. Zumindest nicht ohne Krankmeldung oder vorheriger Kündigung.
Ist es wirklich naiv, an ein ordentliches Gehalt mit wenigstens ansatzweise 40 Stunden zu glauben?
Sind 40h/Woche Arbeit wirklich Utopie? Ich kenne es nicht anders, kann es mir aber kaum vorstellen.
Was denkt ihr darüber? Einfach hinschmeißen, weil ich super unglücklich bin? Arschbacken zusammenkneifen für wenigstens ein paar Monate? Oder vielleicht 1-2 Jahre durchziehen, um die Erfahrung mitzunehmen und es als Sprungbrett für die Zukunft zu nutzen?
Ich bin innerlich komplett unentschlossen.
Entschuldigt bitte den ewig langen Text und vielen Dank schon mal für euren Rat!
Liebe Grüße
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