Liebe Forums-Teilnehmer,
Durch einen Zufall bin ich auf die Beiträge hier gestoßen. Als Alumni (BA CME 2017/jetzt T2 UB) würde ich gerne ein paar subjektive Wahrnehmungen ergänzen, die sich nicht ausschließlich auf Rankings und Placement beziehen, sondern vielmehr den Uni-Alltag betrachten. Denn am Ende verbringt ihr drei bis vier Jahre eures Lebens an der Uni. Da kommt's dann nicht darauf an, ob eure Uni die dritt- oder fünftbeste ist laut irgendeiner Tabelle, sondern darauf wie gerne ihr morgens aus dem Bett steigt und zu den Kursen geht.
*Positive Aspekte*
Uni-Gebäude/Mensa: Die Uni-Gebäude sehen toll aus, es gibt eine Dachterrasse, einen Uni-Strand und die Bibliothek hat 24/7 geöffnet. Das Essen in der Mensa ist nicht günstig, aber immer von hoher Qualität. Die Uni ist sehr sauber. Am Empfang werden unbürokratisch Ladekabel/Adapter etc. verliehen. Für mich der größte Pluspunkt ist der Wohlfühlfaktor und die Sicherheit auf dem Campus: "Mal schnell zum Supermarkt fahren? Natürlich lass ich meinen Laptop in der Mensa stehen. Ist doch alles eine Familie. Hier kommt nichts weg!"
Die Menschen: Ein toller Mix von sehr diversen Typen. Einige Studenten leben als Hippies mit ihrem Bauwagen vor der Uni, während andere mit Papis Benz zum Seminar kommen. Diese Mischung an Menschen ist unheimlich bereichernd. Man reflektiert sich ständig selbst und spornt sich gegenseitig zu akademischen und persönlichen Höchstleistungen an.
Kontakte: Mir als Mittelklasse-Kind hat es unheimlich geholfen Personen kennenzulernen, die einen ganz anderen familiären Background haben als ich selbst. Mein erstes Praktikum habe ich über den Vater meines ehemaligen Mitbewohners gefunden. Die Kontakte, die man in einem solchen Umfeld knüpft, sind nicht zu unterschätzen.
Uni-Verwaltung: Sehr effizient. Meistens wird einem innerhalb weniger Stunden kompetent geholfen. So etwas mag bei der Uni-Wahl nebensächlich erscheinen. Im Alltag entlastet es einen aber schon enorm, wenn man sich nicht mit unnötiger Bürokratie herumschlagen muss.
Kleine Seminare: Hier muss nicht viel gesagt werden. Kleinere Klassengrößen resultieren in höherer Aufmerksamkeit des Einzelnen und intensiveren Diskussionen.
Reputation: Es mag vielleicht stimmen, dass, wie von einem Vor-Poster angemerkt, einige Arbeitgeber die ZU noch nicht kennen. Bei den Unternehmen und Behörden, die bereits mit den Studenten Kontakt hatten, genießt sie jedoch einen hervorragenden Ruf. Über Kommilitonen findet man sehr schnell vernünftige Praktika bei interessanten Firmen/Behörden/NGOs.
Kontakt zu Professoren: Natürlich gibt es immer mal wieder Ausnahmen, aber die meisten Profs haben immer ein offenes Ohr für euch und helfen schnell, wenn ihr mal eine Frage habt oder ein Empfehlungsschreiben für Ausland oder Stipendium benötigt.
Nebenjobs: In Friedrichshafen sitzen einige führende Technologie-Unternehmen wie Rolls Royce, ZF, Zeppelin oder Airbus. Ich hatte selbst eine Werksstudentenstelle bei einem der o.g. Unternehmen: Hervorragende Bezahlung und gute Einblicke. Viele weibliche Freunde von mir haben in den Sommermonaten auf der Messe gejobbt und viel verdient. Auch bei Gastro-Jobs verdient man dank vieler Schweizer Touristen sehr gutes (Trink-)geld.
Bodensee: Die Lage ist der Hammer. Von Anfang April bis Mitte Oktober scheint fast jeden Tag die Sonne. Man kann viel Wandern, Biken oder auch mal günstig ein Boot ausleihen. Gerade im Sommer und Frühherbst ist die Stadt voller Touristen und es wird kulturell einiges geboten. Im Winter dauert es nur 90 Minuten bis in die nächsten Skigebiete. Der Faktor Wetter und Outdoor-Sport hat mir während anspruchsvoller Phasen immer wieder geholfen einen klaren Kopf zu kriegen.
*Negative Aspekte*
Bodensee: Während es im Sommer atemberaubend schön ist. Kann es im Winter manchmal sehr nebelig sein, was auf die Stimmung drückt. Die Anbindung an den Rest Deutschlands ist eher so lala.
Friedrichshafen: Wer viel Wert auf viele Partys legt ist hier definitiv fehl am Platz. Es gibt zwar ein paar Bars, Clubs und viele studentische Hauspartys, aber wer eine Club-Szene wie in Berlin, Frankfurt oder Köln braucht wird in Friedrichshafen definitiv nicht glücklich. Zusätzlich dazu sind viele "Eingeborene" sehr konservativ unterwegs und können nicht viel mit den Zugezogenen anfangen.
Auslandssemester: Die Auswahl an Partner-Unis ist für die oberen 20% eines Jahrgang sehr gut (Sciences Po, Berkeley, CBS etc.). Danach hört es aber auf. Hier würde ich mir mehr Engagement wünschen, um bessere Partner-Universitäten zu akquirieren.
Kurs-Auswahl: Das Studium ist sehr breit gestaltet. Das heißt man hat die Möglichkeit einen Einblick in verschiedene Bereiche zu bekommen. Vor allem im ersten Jahr studiert man auch Politik, Kultur und Recht, was den eigenen Erfahrungshorizont ungemein erweitert. Aus der kleinen Größe der Uni sowie aus der Breite des Curriculums folgt, dass bestimmte Vertiefungen, die es an staatlichen Unis gibt, in Friedrichshafen nicht angeboten werden können. Das Gleiche gilt für das Fremdsprachenangebot: Englisch, Spanisch und Französisch gibt es genug Kurse. Was Chinesisch, Russisch oder Arabisch angeht ist die Auswahl an Kursen jedoch stark begrenzt.
Mieten: Günstige Zimmer fangen bei 350€ an. Das ist meiner Meinung nach deutlich zu viel für ein WG-Zimmer in einer mittelgroßen, schwäbischen Stadt.
Ich hoffe ich konnte unentschlossenen Abiturienten etwas weiterhelfen. Für mich war die Zeppelin Uni genau die richtige Erfahrung und ich bin immer wieder gerne am Bodensee zu Besuch. Ich kann empfehlen, am Besten mal selbst vorbeizuschauen und dann zu entscheiden, ob einen die Uni anspricht!
Viele Grüße
Euer Alex
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