schwierig. Gut finde ich schon mal, dass Du das emotional betrachtest, denn letztendes musst Du Dich über Jahre hinweg motivieren und das geht nur, wenn Du voll dahinter stehst und Dir über die Gründe Deines Tuns bewusst bist. Ziemlich viele, die über ne Promotion reden haben schlicht keine Ahnung davon wie es ist in der Situation zu sein und beschäftigen sich rational mit dem Thema. Rationalität hilft aber einem Doktoranden mit Problemen ziemlich selten. Man ist eben im Irrenhaus und muss damit klar kommen. Das sind meist irgendwelche 21 jährigen BWL Bachelor, die meinen, Motivation ließe sich durch erwartetes Einkommen kaufen und dabei selbst gerade mal ein in Portionen aufgeteiltes 6semestriges Studium absolvieren, aber über ein Projekt reden, das alleine, selbstorganisiert und am Stück länger dauert als ihr gesamtes Studium... (Sorry, aber das muss man einfach mal in aller Deutlichkeit sagen und es gilt - wie immer - sicherlich nicht für alle. Will sagen: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten.)
Ich kann absolut verstehen, dass man da eine gewisse "Niederlage" fühlt und dass das an einem zehrt. Wahrscheinlich wirst Du Dir noch sehr lange denken "hätte ich das doch damals durchgezogen"...
Nach der Vorrede, mal einige konkrete Überlegungen:
Pro: Du kennst bereits Deinen Doktorvater auf Arbeitsebene und nicht nur als Student, was ein unschätzbarer Vorteil ist. Die zwischenmenschliche Komponente und mit den Macken des Chefs umgehen zu können ist ja, na ja sagen wir mal ein Drittel der Diss.
Contra: Wie ich sehe bist Du in einem sozial gefestigten Umfeld. Willst Du das aufs Spiel setzen? Ich denke die jetzt vorhandene Motivation könnte sich schneller dadurch verflüchtigen, dass Du im Laufe der Zeit andere "Quellen des Lebenssinns" (jaaa etwas dick aufgetragen) findest oder schon hast (Frau, demnächst Kinder?). Und spätestens das wird Dir helfen über das Gefühl "versagt" zu haben oder "unvollständig" zu sein wegzukommen.
Pro/Contra?: Wenn ich Dich recht verstehe soll es um ein anderes Thema gehen? Ist das ein Thema in dem Du schon drin bist? Ich denke die Machbarkeit einer nebenberuflichen Promotion erhöht sich enorm, wenn die schwierigste Phase einer Diss (der Anfang+Themeneingrenzung) schon erledigt ist. Sprich: Du hast ein wirklich klar (!) abgegrenztes Thema, hast bereits einen Literaturüberblick und kannst exakt bestimmen:
Mo nach Feierabend 19-22 Uhr xy lesen, zusammenfassen.
Di 20-22 Uhr: Struktur des Datensatzes dokumentieren
Sa: 10-18 Uhr Struktur Kapitel 2 erstellen unter Berücksichtigung von...
Ob man sich dran hält steht auf einem anderen Blatt und überhaupt arbeitet jeder ja bekanntermaßen anders... Ich will nur sagen, dass es gut ist in einem Stadium zu sein, wo man überhaupt solche konkreten Pläne aufstellen KANN. Eine Roadmap kann man nur erstellen, wenn man weiß wo's hingeht und was es zu umfahren gilt. Für die Effizienz ist es außerdem nach meiner Erfahrung extrem dienlich sofort wenn ich mich an den Schreibtisch setze zu wissen, was in den ersten fünf Minuten konkret inhaltlich zu tun ist - vielleicht weil ich es mir zum Ende der letzten Sitzung auf einen verdammten Postit geschrieben hab :) Wenn Du den Job beginnst und nebenher die Diss anfängst mit "mhh was mach ich denn morgen in dem "Timeslot" nach Feierabend? Mal sehen ääähm..." und am Ende sitzt Du nach Feierabend am nächsten Tag da und klickst auf Facebook rum, der Timeslot ist schnell vorbei, das ist deprimierend und bis tief in die Nacht rumsitzen/klicken, bis der Elan zur Arbeit oder der große Einfall kommt kannst Du nicht, weil Du am nächsten Tag früh raus musst oder Deine Frau Dich im Bett verlangt. Dann wird das nix. (BTW typische Situation für Doktoranden - vgl. PhDComics.com - aber die normalen Doktoranden - oder sogar Stipendiaten - können sich das Prokrastinieren eher leisten als Du)
Bist Du also mit dem neuen (?) Thema soweit, dass Du wirklich anfangen kannst?
Weiter im Text:
Wie steht Deine Frau dazu?
Was gibt es sonst für Möglichkeiten?
Wie steht es eigentlich um die Möglichkeit Teilzeit im Job zu machen?
Was sagt der Arbeitgeber zu dem Projekt?
Teilzeit Lehrstuhl/ Teilzeit Job?
Dann:
Was ist die Motivation Deines Doktorvaters? Eher die eigene Forschung? Profs machen nach meiner Erfahrung nix, wenn sie keinen Nutzen draus ziehen. Externe machen zwar weniger Arbeit, aber dennoch steckt irgendwas dahinter. Das muss nichts Schlechtes sein, man muss sich nur über die wahre Motivation im klaren sein. Am besten vorher. Das hilft - siehe Zwischenmenschlcihes - beim Argumentieren und Diskutieren, wenn man die Diss in eine gewisse Richtung pushen will...
Wie ist die Betreuungssituation? Hat Dein DrV Dich stärker unter der Fuchtel (was die Diss betrifft) als Dir lieb ist oder eher zu wenig Betreuung oder genau richtig? Wie geht er mit anderen Doktoranden um?
Wie alt ist Dein DrV? Lebt er in 5 Jahren noch? (Kein Witz!)
Was noch... Wie sind die Publikationsmodalitäten der Diss? Kumuliert/ Journals/Monographie?
Gibts ein Doktorandenstudium durch das Du durch musst?
Das wärs soweit erst mal glaub ich. Entscheiden musst Du das am Ende ohnehin selbst. Angesichts Deiner Familiensituation würde ich mich wohl gegen die Promotion entscheiden. Fakt ist anscheinend, dass Du mit Deinem Privatleben glücklich bist. Das ist letzten Endes alles was zählt, never touch a running system.
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