Wenn es um Traineeprogramme geht würde ich mal eine Grobeinteilung in drei verschiedene Kategorien wagen. Denn in meinen Augen gibt es schon ziemlich große Unterschiede hinsichtlich Auswahlverfahren, Ablauf und Inhalten. Dabei ist in erster Linie wichtig, was man sich selbst von dem Jahr (oder manchmal auch mehr) erwartet.
1.) Die oben schon erwähnten "elitären" Programme von Großunternehmen (DAX, Big4 und andre Große wie Bosch). Das sind die, wo jeder hin will und sich auch jeder bewirbt. Da ich schon in einem DAX-Konzern im HR ein Praktikum absolvierte kenne ich die durchschnittlichen Bewerbungsanzahlen pro Stelle. Und das ist einfach extrem heftig. Der Bewerbungsprozess in demnach sehr anspruchsvoll. Telefoninterview, Online-Test und AC sind Standard. D.h. neben einem blitzsauberen CV (möglichst mit etwas Stallgeruch angereichert, mit Auslandsaufenthalt usw.) muss man Durchsetzungsvermögen mitbringen und in der Lage sein, solche Tests sehr gut zu meistern. In meinen Augen ist das nicht immer ein Qualitätsmerkmal, aber irgendwie müssen die ja selektieren. Von daher absolut ok.
Im Programm selbst ist man dann in einem sehr großen Unternehmen allerdings oft auf eine Stelle fixiert und wird im Anschluss auch in dem Bereich arbeiten. Logisch, die Förderung ist i.d.R. vorbildlich und man hat in der Regel ein super Sprungbrett in Führungspositionen alleine deshalb, weil man Trainee war. Allerdings ist es sehr unwahrscheinlich, dass dir dein CV hier irgendwelche Chancen eröffnet. Sorry, aber das ist einfach so. Selbst mit Master wären die Noten zu schlecht.
2.) Sind da die als Trainee-Programme getarnten Drill-Veranstaltungen von Discountern, die nur dem Unternehmen dazu dienen, dich für kleines Geld auf relativ unmenschliche Jobs vorzubereiten (hinsichtlich deinen künftigen Arbeitszeiten und vor allem "Führungsaufgaben"). Hier im Forum gibt es zahlreiche Beiträge dazu. Wer das will ok, hat aber für mich nichts mit Trainee zu tun.
3.) Traineeprogramme von Mittelständlern. Ja, die gibt es tatsächlich. Man muss sich nur die Mühe machen, sie zu finden. Aber der Mittelstand hat mittlerweile auch erkannt, dass er hier was bieten muss. Ich selbst habe ein solches in einem schwäbischen Familienunternehmen mit ca. 4000 Mitarbeitern und weltweiten Tochtergesellschaften absolviert. Durch die entspanntere Bewerbungssituation (die Unternehmen bekommen weniger Massenbewerbungen) ist das Auswahlverfahren meist nicht so krass wie bei den Großen. Dafür wird dir hier jedoch oft ein (nach meinem Verständnis) echtes Trainee-Programm geboten. Man durchläuft alle relevanten Abteilungen und kann sich z.B. als BWLer auch mal in technischen Bereichen wie der Entwicklung für ein paar Wochen ansehen. Das Beste ist meiner Meinung jedoch die Unternehmensgröße. Man kann die Schnittstellen zwischen verschiedenen Bereichen und Funktionen noch erkennen und lernet deren Zusammenarbeit kennen. Für mich als Absolvent eines breit angelegten wirtschaftswissenschaftlichen Uni-Studiums ist es besonders interessant gewesen, diese Zusammenhänge in der Praxis sehen zu können. Ich bezweifle, dass das bei einem größeren Unternehmen so möglich gewesen wäre. Und meist bieten Familienunternehmen auch einen sehr guten Boden für Networking und einen recht schnellen Aufstieg in der Organisation nach Ablauf des Trainee-Programmes.
Ich will hier keinen Hehl daraus machen, dass auch ich mich bei den Großen beworben habe und nicht genommen wurde. Wäre das Interesse von denen da gewesen, wäre ich auch sicher dort gelandet. Nach der Absagenflut allerdings habe ich mich einmal richtig auf Recherche begeben und war überrascht, was für tolle Möglichkeiten der Mittelstand bietet. Ich kann dir daher nur raten, den Markt auch nach solchen Angeboten genau zu sondieren und auch nach Unternehmen zu suchen, die nicht jeder kennt. Die investierte Zeit lohnt sich.
Heute bin ich froh, dass alles so gekommen ist und ich ein tolles und entwicklungsorientiertes Traineeprogramm genießen durfte.
Klar, mit einem (eher unterdurchschnittlichen) Bachelor wird' überall schwer. Aber deine Chancen stehen im Mittelstand dennoch besser als bei den DAX-Unternehmen. Und das ein Master mit vielleicht etwas besseren Noten deine Chancen generell erhöhen, weißt du selbst...
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