Nobelpreisträger für Wirtschaft 1994
Der Nobelpreis für Wirtschaft ging 1994 an John C. Harsanyi, John F. Nash und Reinhard Selten für ihre grundlegenden Analysen von Gleichgewichten in der nicht-kooperativen Spieltheorie.
Das Problem des Auftretens mehrerer Gleichgewichte bei nicht-kooperativen Spielen hat zu einem Forschungsprogramm geführt, in dem es um den Ausschluss »uninteressanter« Nash-Gleichgewichte ging. Grundlegende Idee ist die Aufstellung härterer Kriterien, nicht nur, um so die Zahl möglicher Gleichgewichte zu reduzieren, sondern auch, um im wirtschaftlichen Sinne unvernünftige Gleichgewichte zu vermeiden. Mit dem Konzept der »Teilspielperfektheit« (subgame perfection) legte Selten die Grundlagen für systematische Bemühungen in diesem Bereich.
Als Beispiel zur Erklärung des Konzepts kann ein monopolistischer Markt dienen, in dem ein potenzieller Wettbewerber durch die Drohung eines Preiskrieges abgeschreckt werden soll. Dabei kann es sich sehr wohl um ein Nash-Gleichgewicht handeln. Sofern der Wettbewerber die Drohung ernst nimmt, mag es in seinem Interesse liegen, sich von diesem Markt fernzuhalten. In diesem Fall enstehen für den Monopolisten keine Kosten, da die Drohung nicht zum Tragen kommt. Sieht der Monopolist sich jedoch bei einem Preiskrieg mit hohen Kosten konfrontiert, so ist die Drohung nicht glaubwürdig. Ein Wettbewerber, der dies erkennt, wird sich auf dem Markt etablieren, und der vor vollendeten Tatsachen stehende Monopolist wird keinen Preiskrieg beginnen. Hierbei handelt es sich ebenfalls um ein Nash-Gleichgewicht. Darüber hinaus erfüllt dieser Ausgang Seltens Bedingung der Teilspielperfektheit. Diese beinhaltet eine Formalisierung der Forderung, dass nur glaubhafte Drohungen berücksichtigt werden sollten.
Seltens Teilspielperfektheit hatte unmittelbare Bedeutung für die Diskussion des Problems der Glaubwürdigkeit in der ökonomischen Analyse, für die Analyse von Oligopolen und die Informationsökonomie. Sein Konzept kann als grundlegendste Verbesserung des Nash-Gleichgewichts betrachtet werden. Dennoch gibt es Situationen, in denen auch die Bedingung der Teilspielperfektheit nicht genügt. Dies veranlasste Selten, eine weitere Verbesserung einzuführen, die gewöhnlich als »Gleichgewicht der zitternden Hand« bezeichnet wird. Hier wird angenommen, dass jeder Spieler eine geringe Wahrscheinlichkeit voraussetzt, dass Fehler geschehen - dass die Hand eines Mitspielers zittern wird. Ein Nash-Gleichgewicht ist dann »trembling-hand perfect«, wenn es sich als robust gegenüber der geringen Wahrscheinlichkeit solcher Fehler erweist. Dieses und eng verwandte Konzepte, wie etwa das sequentielle Gleichgewicht von Kreps und Wilson, haben sich in diversen Forschungsbereichen als nützlich erwiesen, z.B. in der Theorie der industriellen Organisation und der makroökonomischen Theorie der Wirtschaftspolitik.
John C. Harsanyi
Die rationalistische Interpretation des Nash-Gleichgewichts setzt eine vollständige Information aller Beteiligten, auch hinsichtlich der Präferenzen der Mitspieler, voraus. Da diese Voraussetzung jedoch bei realen strategischen Interaktionen längst nicht immer gegeben ist, gab es lange Zeit keine Methode zur Analyse eines breiten Spektrums von Spielen. Das änderte sich jedoch entscheidend, als John Harsanyi in den Jahren 1967/68 in drei Artikeln einen neuen Ansatz für Spiele mit unvollständiger Information vorstellte und damit die Grundlagen für fast die gesamte ökonomische Analyse im Bereich der Informationen legte - unabhängig davon, ob es sich dabei um asymmetrische, private oder öffentliche Informationen handelt.
Harsanyi postulierte, dass jeder Spieler einem bestimmten »Typus« angehört, wobei jeder Typus mit einer Anzahl möglicher Präferenzen und einer subjektiven Wahrscheinlichkeitsverteilung korrespondiert. In einem Spiel mit unvollständiger Information wählt jeder Spieler für jeden seiner Typen eine Strategie. Ist die Vorsaussetzung einer Übereinstimmung der Wahrscheinlichkeitsverteilung erfüllt, so zeigte Harsanyi, dann existiert für jedes Spiel mit unvollständiger Information eines mit vollständiger Information. Im Jargon der Spieltheorie verwandelte er Spiele mit unvollständiger Information in Spiele mit unvollkommenen Informationen, denn diese lassen sich mit Standardmethoden handhaben.
Ein Beispiel für eine Situation unvollständiger Information kann die Zinspolitik der Zentralbank sein. Sind Unternehmen und Finanzmärkte nicht genau über die Präferenzen einer Zentralbank hinsichtlich der Balance von Inflation und Arbeitslosigkeit informiert, ist die Zinspolitik ungewiss. Mit den von Harsanyi eingeführten Methoden können die Interaktionen zwischen der Entstehung von Erwartungen und der Politik der Zentralbank untersucht werden. Im einfachsten Fall kann die Zentralbank einem von zwei Typen, mit den dazu gehörigen Wahrscheinlichkeiten, angehören. Entweder strebt sie eine geringe Inflation an und ist zu einer restriktiven Politik mit höheren Zinsen bereit, oder sie versucht, die Arbeitslosigkeit mit niedrigeren Zinsen zu bekämpfen. Ähnliche Methoden können auch bei der Regulierung von Monopolisten angewandt werden. Hier stellt sich die Frage: Welche Regeln oder Verträge ein angestrebtes Ergebnis bewirken, wenn der regulierenden Instanz keine vollständigen Informationen über die Kosten des Unternehmens vorliegen?
Weitere Beiträge der Nobelpreisträger
Abgesehen von seinen Beiträgen zur nicht-kooperativen Spieltheorie hat John Nash eine grundsätzliche Lösung für kooperative Spiele entwickelt, die gewöhnlich als Nash-Verhandlungslösung bezeichnet wird und in verschiedenen Zweigen der Wirtschaftstheorie angewandt wurde. Ferner initiierte er das sogennante Nash-Programm, ein Forschungsprogramm, das darauf abzielte, die kooperative Spieltheorie auf die Ergebnisse der nicht-kooperativen Spieltheorie zu gründen. Reinhard Selten hat desweiteren zentrale neue Erkenntnisse über evolutionäre Spiele und die experimentelle Spieltheorie vorgestellt. John Harsanyi hat zudem bedeutende Beiträge zu den Grundlagen der Wohlfahrtsökonomie und dem Zusammenhang von Ökonomie und Moralphilosophie geleistet. Harsanyi und Selten arbeiten seit mehr als zwanzig Jahren eng zusammen.
Aufgrund ihrer Beiträge zur Gleichgewichtsanalyse in der nicht-kooperativen Spieltheorie stellen die drei Nobelpreisträger eine natürliche Kombination dar: Nash legte die Grundlagen der Analyse; Selten entwickelte sie im Problemfeld der Dynamik weiter, und Harsanyi in dem unvollständiger Information.
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