Konstruktion - Der Wirtschafts-Thriller: Teil 22
Das ihm Abverlangte trug menschenunwürdige Züge, war eine Art Judasdienst. Nichts hatte das mehr gemein mit der viel beschriebenen Loyalität gegenüber dem Unternehmen.
Wieso hatte ihn keiner von der Reportage und seinem bevorstehenden Interview in Kenntnis gesetzt, fragte er sich. Dann begegnete er auf dem Weg in sein Büro Seymour. Geiger, gut, dass ich sie treffe, wir warten schon alle auf sie. Der CNN ist hier vor Ort, um dieses Special über unser Projekt zu drehen. Mann, das ist eine Riesensache, wir werden ganz groß raus kommen, hören sie Geiger?
Es hatte fast den Eindruck als würde Seymour der sabbernde Geifer über seine Lippen laufen, er war sichtlich erregt. Er liebte es sich darzustellen, mit dem, was er hatte zu protzen, Machtspielchen zu treiben. Was konnte es da besseres geben als einen öffentlich inszenierten Auftritt vor laufender Kamera, in dem er sich selber feiern konnte. Er, der große Seymour, der der Welt dieses einzigartige Bauwerk schenkte. Dieses Bauwerk, das seine ganze Genialität zum Ausdruck bringen würde und ein für alle mal mit seinem Namen verbunden sein würde.
Die wollen auch mich vor der Kamera sehen? brachte Philipp seine von Skepsis getragene Frage hervor. Ja, verdammt! Das ist unsere Chance, Geiger! Sein sie mal ehrlich, haben wir nicht immer darauf gewartet. Gott im Himmel, diese Medienpräsenz, das ist der totale Wahnsinn! Zugegeben, es war der Wahnsinn, wenn man sich einmal vor Augen führte, wer da vor der Kamera stehen sollte. Nach außen hin waren sie die Heilsbringer, die genialen Technokraten von edler Gesinnung. Mehr noch. Sie waren diejenigen, die den immerwährenden Kampf mit der Natur stellvertretend für die gesamte Menschheit ausfochten, und die den menschlichen Traum nährten. Den Traum vom Schneller, höher, weiter!, dem ewigen Fortschreiten in der Dimension der Grenzenlosigkeit. Doch nach Innen waren sie nichts anderes als der sich in Korruption suhlende menschliche Abschaum, der Verderben gebracht hatte und dem Blut an seinen Fingern klebte. Doch das sah keiner. Es herrschte kein Zusammenhang. Noch nicht.