Hallo liebe Leute,
ich beginne in einer renommierten Kanzlei (40 MA) ab dem 01.12 im Bereich FINANZWESEN.
Während des Studiums habe ich zwar Großunternehmen gesehen allerdings denke ich, dass ich etwas an der einen oder anderen Stelle zum Thema "business knigge" verbessern kann. Dazu habe ich mir ein Buch gekauft.

Zudem bitte ich um ein paar Ratschläge und Erfahrungsberichte;

1. Probezeit sind 6 Monate, habt Ihr paar Tipps wie man sich am besten schnell einarbeiten kann? Gibts Strategien oder Methoden??
2. Worauf sollte ich besonders achten in den ersten Wochen/Monaten?
3. Wie viel Lernaufwand soll ich ungefähr außerhalb der Arbeitszeit investieren?
4. Darf ich nach bestandender Probezeit eine Gehaltserhöhung verlangen? Wenn ja wie viel ungefähr ?

1. Das Unternehmen sollte sicher stellen, dass Du eingearbeitest wirst. Unabhängig davon sollte man Fragen stellen, und zwar so lange, bis man die Dinge versteht. Ältere Kollegen fühlen sich bei solchen Fragen oftmals "in Frage gestellt" und reagieren manchmal abweisend. Der Ton macht die Musik. Wenn die Kollegen unter Stress sind, dann sammele Fragen auf einem Zettel und stelle sie zu einem Zeitpunkt, an dem es passt. Kläre bei Aufträgen die Erwartungshaltung. Bis wann muss etwas erledigt sein? In welcher Form erwartet der Auftraggeber die Ergebnisse? Auf wen darf man mit dem Thema zugehen, wenn man Fragen hat? Was geschieht mit den Ergebnissen? Außerdem weißt Du nicht, welche Erwartungen Deine Kollegen an Dich haben und wie über Dich gesprochen wurde, bevor Du kamst. Damit musst Du leben.

2. Es gibt in jedem Betrieb geschriebene und ungeschriebene Regeln. Die geschriebenen Regeln wird man Dir irgendwann mitteilen. Die ungeschriebenen eventuell nicht sofort. Das können sehr wichtige Errungenschaften oder ganz doofe Rituale sein. Wenn man irgendwo neu anfängt, sollte man eine Antenne für solche Themen haben. Man muss nicht alles mitmachen, sollte aber auch nicht alles ablehnen.

3. Das hängt von der Firma ab und auch von dem Vertrag, den Du unterschrieben hast. Gehälter werden normalerweise nicht zwischen Tür und Angel gemacht, sondern auf Basis definierter Regeln.

Und noch ein Tipp am Rande: Gute Manieren kommen gut an, wenn sie eine ehrliche Bekundung von Aufmerksamkeit, Respekt und Wohlwollen sind. Es ist schwierig, sich sowas anzulesen, wenn dahinter nicht der Wille steht, Menschen gut zu behandeln (und zwar unabhängig von ihrer Stellung, ihrem Alter, ihrem Geschlecht oder Beruf). Anständiges Verhalten bedeutet, auch dann für die "richtigen" Dinge einzustehen, wenn andere es nicht tun. Zu einem Kollegen zu halten, den andere fallen lassen. Vertrauliches vertraulich zu behandeln, auch wenn man durch die Weitergabe einen Vorteil erhalten würde. Anderen Menschen gerade dann zu helfen, wenn man eigentlich keine Zeit dafür hat und daraus auch keinen Nutzen zieht.

@DAX: Das hast du schön gesagt. Vor allem dein letzter Absatz gefällt mir, denn so geht Menschlichkeit im Unternehmen nicht verloren. Abgebrühte Zyniker und skrupellose Egoisten gibt es genug.

Ich finde diese albernen Benimmregel-Bücher und -Trainings ziemlich überflüssig. Besonders das ganze Brimborium um "Geschäftsessen" ist dermaßen realitätsfremd. Ich muss fast täglich mit verschiedenen Führungskräften essen gehen und sehe da überhaupt keinen Bedarf für solchen Firlefanz. Klar gibts ein paar Regeln ala .. morgens und abends grüßt man die Kollegen, aber das sollte man auch ohne Buch hinbekommen.

Schließe mich dem DAXEinkäufer an. Im Leben sollte man sich generell an ein paar einfachen Regeln orientieren wie Respekt, Integrität, Loyalität. Man muss sich im Beruf nicht plötzlich benehmen wie ein gespreizter Adelsjünger.

DAX Einkäufer schrieb:

Und noch ein Tipp am Rande: Gute Manieren kommen gut an, wenn
sie eine ehrliche Bekundung von Aufmerksamkeit, Respekt und
Wohlwollen sind. Es ist schwierig, sich sowas anzulesen, wenn
dahinter nicht der Wille steht, Menschen gut zu behandeln
(und zwar unabhängig von ihrer Stellung, ihrem Alter, ihrem
Geschlecht oder Beruf). Anständiges Verhalten bedeutet, auch
dann für die "richtigen" Dinge einzustehen, wenn
andere es nicht tun. Zu einem Kollegen zu halten, den andere
fallen lassen. Vertrauliches vertraulich zu behandeln, auch
wenn man durch die Weitergabe einen Vorteil erhalten würde.
Anderen Menschen gerade dann zu helfen, wenn man eigentlich
keine Zeit dafür hat und daraus auch keinen Nutzen zieht.

Das ist genau meine Einstellung. Leider gerät man selbst schnell an seine Grenzen, wenn man sieht, dass 95 % der Kollegen sich nicht so verhalten. Dann muss man auch zusehen, dass man nicht unter die Räder kommt.

1. Probezeit sind 6 Monate, habt Ihr paar Tipps wie man sich am besten schnell einarbeiten kann? Gibts Strategien oder Methoden??
   --> einfach man selber sein, authentisch, und egal ob Probezeit oder danach, Performance bringen (an guten und schlechten Tagen!)

2. Worauf sollte ich besonders achten in den ersten Wochen/Monaten?
   --> Auf das Umfeld. Wie ticken die Leute, wie passt du am besten rein.

3. Wie viel Lernaufwand soll ich ungefähr außerhalb der Arbeitszeit investieren?
   --> Außerhalb der Arbeitszeit ist dein Privatleben. Beispielsweise in einer WP-/Steuer-Gesellschaft gibt es für Berufsexamina Aufwand, der in der Privatzeit anfällt, aber das ist die Ausnahme. Weiterbildungen sind ansonsten in der Arbeitszeit abzuleisten!

4. Darf ich nach bestandender Probezeit eine Gehaltserhöhung verlangen? Wenn ja wie viel ungefähr ?
   --> Warum? Nach 6 Monaten eine Gehaltserhöhung? Verhandel vorher besser, ansonsten würde ich jährliche Anpassungen angehen.

Lass es einfach auf dich zukommen. Entweder es funkt zwischen dir und der Firma oder eben nicht.

Bzlg der guten Manieren. Ich kann mich noch an meinen ersten Tag erinnern, als einziger gestylt im Anzug in der Kantine. Ich kam mir eher vor wie im Schweinestall, so wie die Kollegen gegessen haben!

Ansonsten erstmal zurück halten und die Kollegen kennenlernen und abschätzen. Besonders bei privatem wäre ich am Anfang sehr vorsichtig, und würde so wenig wie möglich von mir preis geben!

Und unbedingt alles mitschreiben, was dir erklärt wird. Wer schreibt, der bleibt. Und ih würde mir das Aufgeschriebene zuhause nochmal kurz anschauen. Fragen solltest du stellen, aber nur, wenn du es dir nicht selber erklären kannst. Klar sollte man als Berufsanfänger auch nicht überheblich auftreten, aber das versteht sich ja von selbst.

Business-Knigge wird total überbewertet. Wenn man nicht gerade in Top UB oder internationalen Anwaltskanzleien arbeitet, interessiert der abgespreizte Finger beim Teetriken keinen Menschen.

"Ich finde diese albernen Benimmregel-Bücher und -Trainings ziemlich überflüssig. Besonders das ganze Brimborium um "Geschäftsessen" ist dermaßen realitätsfremd."

Nicht falsch verstehen - ich finde Tischmanieren, Umgangsformen etc. sehr wichtig und sehe es sehr gerne, wenn sich Menschen daran halten. Sie sind aber nicht erfunden worden, damit Berufseinsteiger etwas zum Lernen haben, sondern weil sie das respektvolle Miteinander in Regeln gießen. Ich habe zum Beispiel mal mit jemandem gegessen, der ständig seinen Kopf über das Essen gebeugt hat. Mit so jemandem ist kein Gespräch möglich, da man die Augen nicht mehr sieht. Oder Leute kommen nicht pünktlich. Oder sie telefonieren laut im Restaurant. Oder stecken bei einem lockeren Gespräch beide Hände in die Hosentasche, so dass man sich fragt, was sie denn da suchen. Oder sie sprechen beim Essen über die leidigen Themen Religion-Geld-Politik-Krankheiten etc., so dass am Tisch ein Streit ausbricht, aber niemand weggehen kann, weil man ja noch isst. Das sind alles Dinge, die nicht sein müssen. Und wer das nicht zu Hause gelernt hat, der muss sich das halt bei anderen abgucken oder Bücher lesen.

Er sollte beim Lesen aber nicht vergessen, dass der Respekt vor dem anderen Menschen das Entscheidende ist. Wer Respekt vor anderen hat, wird die Grundlagen des Miteinanders beachten, ohne sie explizit zu kennen.