Du sprichst mit a) und b) interessante Fragen an, die man aber ohne einen näheren Blick in die Führungskultur Deines Arbeitgebers nicht beantworten kann.
Zu a): Du schreibst, dass Du nur "Fachvorgesetzter" bist. Demnach gibt es einen Linienvorgesetzten, der für die Urlaubsgenehmigung und die Sicherstellung der fachlichen Qualifikation verantwortlich ist. Wie steht der Linienvorgesetzte zu der Priorität des Projekts und welche Konsequenzen hat es für ihn, dass seine Mitarbeiter Projektaufgaben nicht richtig erledigen (aus welchem Grund auch immer)? Normalerweise werden solche Themen bei unzureichender Bearbeitung doch eskaliert, d.h. der nächsthöhere Vorgesetzte wird darauf hingewiesen, dass in seinem Verantwortungsbereich nicht richtig gearbeitet wird (Konsequenzen!). Das hängt aber davon ab, wie die Verantwortlichkeiten zwischen Fach- und Linienvorgesetztem verteilt sind, und kann von einem Externen nicht wirklich beantwortet werden. Meiner Ansicht nach muss es zwischen Dir als fachl. Vorgesetztem und dem Linienvorgesetzten einen regelmäßigen Austausch geben, so dass Deine Belange bei der Urlaubssituation berücksichtigt werden. Ob der Urlaub hätte genehmigt werden dürfen (was teilweise schon Monate vorher passiert, damit Reisen etc. gebucht werden können), hängt von den Regeln im Unternehmen ab. Irgendwann müssen die Leute ja ihren Urlaub nehmen.
Zu b): Ist das Dein (Linien-)Mitarbeiter oder einer, dessen "Fachvorgesetzter" Du bist? Grundsätzlich musst Du in einer Aufgabe mit (Personal-)Verantwortung akzeptieren, dass Du nicht everybody's daddy bist und auch nicht die Welt retten kannst. Wenn die Leute schlechte Arbeit machen, machen sie schlechte Arbeit und kassieren dafür entsprechende Konsequenzen. Du als Vorgesetzter kannst den Mitarbeitern helfen, in dem Du schon frühzeitig auf diese Konsequenzen hinweist und ihnen Wege zeigst, wie sie besser werden können. Aber der Retter in der Not? Die Rolle würde ich mir nicht antun, zumal Du ihnen damit langfristig nicht hilfst. Beim nächsten Mal wird es wieder so sein und die Leute werden darauf vertrauen, dass Du sie raushaust.
Ich finde es grundsätzlich richtig, wenn Du als (Linien-)Führungskraft die erste Adresse für Kritik an Deinen Leuten bist und es sollte in einer anständigen Unternehmenskultur auch so sein (mit der Konsequenz, dass man Dich für die Leistungen Deiner Mitarbeiter verantwortlich macht). Am Ende kannst Du aber die Menschen nicht völlig neu erfinden - Du musst mit dem leben, was sie können und schaffen (bzw. dem, was Du daraus machen kannst).
Das hat auch viel mit dem Management von Erwartungen zu tun. Wenn ein Mitarbeiter von vornherein ungeeignet für eine Aufgabe ist, dann sollte eine gute Führungskraft schon viel früher darauf hinweisen, bevor das Kind in den Brunnen fällt. Die Kritik eines Prokuristen an der schlechten Qualifikation eines Mitarbeiters zum Beispiel könnte man als Steilvorlage dafür nehmen, diesen Mitarbeiter entsprechend weiterzubilden. "Herr Prokurist, die schlechten Leistungen von XYZ sind mir auch schon aufgefallen. So kann es nicht weitergehen und wenn das in Zukunft besser werden soll, braucht er eine Schulung in den Fähigkeiten A, B und C."
Unabhängig davon musst Du dich davon frei machen, die Leute vor irgendetwas oder irgendwem beschützen zu wollen. Der Chef ist der Chef und nicht Robin Hood. Wie willst Du als Vorgesetzter eigenes Durchsetzungsvermögen aufbauen und Deine Projektziele erreichen, wenn Du gleichzeitig als Retter vor den (zwingenden) Konsequenzen schlechter Arbeit auftrittst?
Außerdem unterstellst Du mit dieser Haltung grundsätzlich die Unschuld der Mitarbeiter an den Problemen. Mit dieser Haltung könntest Du eines Tages bitter enttäuscht werden, wenn Du merkst, dass durchaus eigenes Verschulden dabei ist und dass die Leute besser arbeiten könnten, wenn sie denn wollten. Wenn Du Höchstleistung von Deinen (Fach-)Mitarbeitern bekommen willst, darfst Du nicht unterstellen, dass sie ihre eigene Leistung grundsätzlich nicht beeinflussen können.
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