HansJürgen1960 schrieb am 13.01.2021:
Guten Abend,
Aus welchem Grund sind die Examen bspw. für den StB oder den WP so schwer? Ist es einfach die Masse an Stoff? Oder sind die Themen extrem komplex?
Wie wichtig ist bei sowas die eigene Intelligenz - oder kann man das mit harter Arbeit auch erreichen?
Aus meiner Sicht (bin seit Dezember WP und seit 2018 StB) ist es vor allem die Masse an Stoff, aber durchaus auch die Komplexität mit der der Stoff verknüpft ist.
StB:
Die erste Hürde ist hier erst einmal die juristische Sprache und Logik.
"Tatbestandsmerkmale -> Rechtsfolge -> Ausnahme -> Rückausnahme -> Rückrückausnahme..."
Hierbei hilft Intelligenz im Sinne von logischer Denkfähigkeit meiner Ansicht nach schon sehr. Ich bin Mathematiker und kam mir an den ersten Tagen im Präsenzkurs damals vor wie der größte Depp im ganzen Kurs. Da saßen normale BWLer und Juristen drin, die Steuern schon ein wenig kannten, und Praktiker, die die freakigsten BFH-Urteile auswendig kannten.
Sobald die Fälle dann aber verzwickter wurden, stiegen gerade die Praktiker schnell aus - das kannten sie alles nicht aus der Praxis. Mir hingegen war Praxis und Realitätsbezug sowieso unbekannt und ich habe Stur das Schema runtergespult und der Gesetzeslogik folgend den Fall gelöst.
Die zweite Hürde ist das Zusammenspiel von verschiedenen Gesetzen, Richtlinien und Erlassen. Und das ist ekelhaft. Wenn man sich bei Schema und Logik (s. oben) etwas Zeit spart, kann man schon ein bisschen auch noch blättern während des Examens - aber nicht viel. Dass es einen Leasing-Erlass gibt und was da grob drinsteht, muss man auswendig wissen. Das kann man nicht im Examen spontan durchblättern. Dass und wo die Gemeinnützigkeit in der AO geregelt ist, muss man wissen - wer da anfängt in z.B. Ertragsteuer-Richtlinien zu blättern, dem wird die Zeit nicht reichen.
Wenn nun wiederum das jruistisch-logische Denken stimmt, dann reicht dir (bzw. reichte mir zumindest^^) die umfangreiche logische Mind-Map im Kopf sowie die Grundschemata auswendig. Wenn ich dann einen konkreten Fall lösen wollte, hab ich diesen soweit Standard am Schema abgefrühstückt und zum Knackpunkt dann spontan das Gesetz logisch interpretiert. Wenn einem die juristische Logik nicht liegt, dann muss man auch noch das auswendig lernen, sprich: man hat ein endloses Meer an potenziellen Szenarien, die man auswendig lernt, wenns am logischen Denken hakt.
Für mich war der StB weitaus primär eine Herausforderung wegen der Stoffmenge - aber ich habe viele Praktiker an der Komplexität scheitern sehen. Im Gesamten ist es also wohl ein Zusammenspiel: Je besser das logische Denken ist, desto weniger musst du auswendig lernen.
WP:
Im Grunde treffen hier meiner Ansicht nach genau die selben Punkte zu - nur vervielfacht. Das Modul Steuern ist genauso umfangreich wie das StB-Examen, nur die Fälle nicht ganz so abgefahren, weshalb sich über "Mut zur fehlenden Tiefe" der Stoffumfang dann doch wieder reduziert.
Recht ist von der Systematik wie Steuern, aber mehr "Klasse statt Masse". Mit Gesetzen und juristischer Logik kommt man hier schon sehr weit auch - ohne auch noch irgendwelche Richtlinien und Erlasse lernen zu müssen.
Bei BWL/VWL hilft massiv ein quantitatives Verständnis von BWL. Wer im Studium die mathelastigeren Vorlesungen gut gemeistert hat: Hier gibt es dasselbe, in seicht und einfach
(hatte selbst BWL im Studium nur im Nebenfach und hab für das WP-Modul fünf Tage gelernt). Wenn einem Mathe garnicht liegt, könnte man hier Probleme bekommen, sonst ist dieses Modul meiner Ansicht nach ein Spaziergang. Möge mich für diese Aussage jeder Nicht-Mathematiker verfluchen. ^^
Prüfungswesen ist von der Stoffmenge her brutal. Ich hab immer gesagt: "Es ist ein Fass ohne Boden - und ohne Rand. Es ist ein Fass ohne Fass."
Und das besondere Schmankerl: Prüfungsstandards, HFA-Mitteilungen, Rechnungslegungsstandards etc. darf man nicht mitnehmen. Hier ist sehr sehr viel auswendig lernen gefragt. Jedoch auch hier (wie auch das Auswendiglernen beim StB) geht es darum ein auswendiges Verständnis zu haben - nicht stumpfsinnig Wörter auswendig zu lernen. Entsprechend hilft es auch hier, wenn man schnell versteht, Analogien ziehen kann etc.
Zum Beispiel ist der PS zur Prüfung von Risikomanagementsystemen ähnlich wie der zu Compliance Management Systemen - weil alle Systemprüfungen im Grunde gleich ablaufen. Wenn man das versteht und die Mindmap im Kopf funktioniert, reduziert sich der Stoffumfang extrem von "unmöglich jemals zu lernen" zu "wenn ich mehrere Monate auf ein Leben verzichte, klappt das schon".
Mein Fazit: Logische Intelligenz und die Fähigkeit stur auswendig lernen zu können, gehen hier Hand in Hand. Wer intelligenter ist, kann besser abstrahieren, verknüpfen, Analogien ziehen und muss weniger stumpf auswendig lernen. Aber so oder so bleibt eine enorme Stoffmenge. Man braucht beides, kann aber in einem gewissen Maße das Eine durch das Andere ersetzen.
Ich hoffe ich konnte helfen.
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