Ich finde es interessant, dass Du bereits im allerersten Satz in Stein meißelst, dass Du für die Situation absolut nicht verantwortlich bist und auch nichts an ihr ändern kannst. Da würde ich mich als Unternehmen fragen: Wofür brauche ich dann einen Vertrieb? Wenn der es in schlechten Zeit nicht schafft, etwas zu verkaufen?
"Nun meinte mein Chef die Woche vor versammelter Mannschaft, dass ich jetzt endlich in die Pötte kommen soll und Aufträge reinholen muss."
Die Formulierung klingt nicht nach der feinen Art, im Kern hat der Chef allerdings Recht. Versetze dich mal in seine Lage - das Unternehmen läuft nicht gut, Du vermutest das Problem im Vertrieb und der Vertriebler zuckt mit den Schultern.
"Habe mir jetzt vorgenommen am Montag ein Gespräch mit dem Chef zu suchen und ihm die Situation darzulegen."
Schlechte Idee. Die Situation ist ihm bekannt. Dass Du irgendwelche Gespräche führst, hilft ihm nicht weiter. Alles bloße Rechtfertigungen. Damit beweist Du nur, dass er das Problem richtig vermutet hat, nämlich bei Dir.
"Möchte ihm sagen, dass ich seit Wochen nicht mehr schlafen kann..."
Ach herrje...
"...und ich mir der Auftragslage bewusst bin, ich aber in den Kundengesprächen immer die gleiche Aussage erhalte, nämlich das man unser Produkt aufgrund der Auftragslage nicht braucht, man will aber im Laufe des Jahres (angeblich!) wieder auf unser Produkt zurückkommen."
Gute Vertriebler sind kreativ - beweise ihm, dass es nicht an Dir liegt! Biete Deinem Chef Lösungsvorschläge anstelle von Problembeschreibungen. Präsentiere Ideen, die dazu beitragen können, dass Ihr wieder etwas verkauft - selbst wenn diese teuer sind, Investitionen benötigen oder bisher als unwirtschaftlich abgelehnt wurden: Mit dem Preis runtergehen? Das Zahlungsziel ändern? Rabatte für größere Aufträge geben? Die bereits bestehenden Kunden anrufen und sie zu einer Präsentation neuer Produkte einladen? Es mal in einem anderen Markt versuchen? Anzeigen schalten? Auf einer Messe etwas ausstellen? Das Produkt technisch optimieren? Das Produkt verleasen und nicht verkaufen? Das Produkt testweise kostenlos potenziellen Kunden ausleihen? Einen guten Kunden zu einem Workshop einladen und über Optimierungsmöglichkeiten des Produkts sprechen?
Wenn mein Chef mir vor versammelter Mannschaft sagen würde, ich müsste in die Pötte kommen, dann würde ich vor allem eines tun: In die Pötte kommen!
"Hallo Chef, Sie haben mir in der letzten Woche ihre klare Meinung gesagt, und das lasse ich nicht auf mir sitzen. Ich habe übers Wochenende zehn Vorschläge ausgearbeitet, die uns aus der Misere bringen können. Sie müssen nur noch Ja sagen und sofort geht's los!"
Danach macht der dich kein zweites Mal runter. Sondern überlegt sich, ob die Welt vielleicht doch ein wenig komplexer ist.
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