Virtualisierung: Unternehmensberatungen planen virtualisierte Beratungsleistungen
Die Digitalisierung führt in Unternehmen zur Virtualisierung von Leistungen, Prozessen, Strukturen und Geschäftsmodellen. Consultingfirmen unterstützen Unternehmen dabei. Einige Unternehmensberatungen haben erkannt, dass die Virtualisierung auch bei Beratungsleistungen großes Potenzial besitzt. Wie virtuell sind Beratungsleistungen bereits und was erwartet Unternehmensberatungen zukünftig? Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. hat eine Studie zur Virtualisierung im deutschen Beratungsmarkt durchgeführt. 92 Prozent der Unternehmensberater erwarten in den nächsten fünf Jahren eine Zunahme der Virtualisierung ihrer Dienstleistung.
Virtualisierung: Unternehmensberatungen planen virtualisierte Beratungsleistungen
Die deutschen Unternehmensberater sehen die Virtualisierung von Beratungsleistungen zum Beispiel in Form von Online Collaboration, E-Learning oder Virtuellem Assessment mehrheitlich als Chance. Gleichzeitig werden die Potenziale von Consultingfirmen aber zu wenig genutzt, da häufig noch die Nachfrage und Akzeptanz der Klienten vermisst werden. Zu diesen Ergebnissen kommt die gemeinsame Studie Virtualisierung in der Unternehmensberatung des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU) und der Technischen Universität (TU) Ilmenau. Insgesamt haben 552 Berater aus Beratungsgesellschaften aller Größenordnungen an der Befragung teilgenommen. 62 Prozent der Consultants erwarten, dass sie durch virtualisierte Beratungsleistungen die eigene Wertschöpfungskette optimieren und neue Klientensegmente erschließen können. Als Chance wird auch bewertet, dass innovative Referenzprojekte die eigene Reputation als digitaler Pionier stärken. Das Problem: Knapp Dreiviertel der Befragungsteilnehmer beklagen bislang eine fehlende Nachfrage ihrer Auftraggeber aus Wirtschaft und Verwaltung nach virtuellen Beratungsleistungen.
BDU-Präsident Hans-Werner Wurzel zur Virtualisierung: Es gilt für uns, zwei Dinge voranzutreiben: Wir müssen als Branche stärker virtualisierte Beratungsangebote entwickeln und anbieten. Und wir müssen unsere Klienten parallel aktiv von den Vorteilen und Chancen der sich hierausergebenden neuen Formen der Zusammenarbeit überzeugen. Unter anderem schaffen wir es damit, benötigtes Know-how von Expertinnen und Experten leichter und ortsunabhängig in die Projektarbeit einzubeziehen.
Nutzung von Beratungsleistungen mit verschiedenen Virtualisierungsgraden
Eine Beratungsleistung mit einem hohen Virtualisierungsgrad ist ohne Technologie nicht realisierbar und beinhaltet Konzepte wie virtuelle Berater. Eine Beratungsleistung mit einem geringen Virtualisierungsgrad zeichnet sich durch einen geringen Technologieeinsatz und überwiegend direkte Interaktion der Akteure aus.
Die Nutzungshäufigkeit bei den befragten Beratern nimmt mit steigendem Virtualisierungsgrad der Beratungsleistung ab:
- Beratungsleistungen und Ansätze mit einem sehr hohen Virtualisierungsgrad und Automatisierung von Beratungsleistungen werden nach Aussage von 80 Prozent der Teilnehmer gar nicht genutzt. Nur ein Prozent der Berater gibt an, diese Form der Virtualisierung zu nutzen.
- 63 Prozent der Befragten geben an, dass sie die nächste Stufe des hohen Virtualisierungsgrades mit weitgehend automatisierten Leistungen gar nicht nutzen. Hier kommen komplexe Individualentwicklungen zum Einsatz, die u. a. neueste Datenanalyseverfahren beinhalten, wie Remote-Diagnose-Tool, angebunden an das zentrale ERP-System des Kunden.
- 44 Prozent der Beratungen mit einem mittleren Virtualisierungsgrad (Online Coaching, Ansätze von automatisierten Lösungen) wird schon tendenziell selten bis 35 Prozent gar nichtgenutzt.
- Am häufigsten werden besonders gering oder gering virtualisierte Beratungsleistungen und Aufgaben, unterstützt durch Tools wie z. B. E-Mails, Konferenztools, Chatanwendungen, Zusammenarbeit auf Kollaborationsplattformen und Project-Places.
Beratungsbranche in Wartestellung: Die Top 3-Hemmnisse
- 62 Prozent der Teilnehmer sehen in der fehlenden Nachfrage der Kunden das größte Hemmnis für die Virtualisierung. Virtuelle Consulting-Services werden nur entwickelt, wenn der Kunde sie direkt nachfragt.
- Die fehlende Akzeptanz der Kunden für eine virtuelle Beratungsleistung sehen 43 Prozent der Teilnehmer als ein Hemmnis für die Virtualisierung. Als Gründe wurden z.B. fehlendes Know-how und mangelnde Vorbereitung der Kunden genannt.
- 38 Prozent finden, dass ein unklarer wirtschaftlicher Nutzen die Umsetzung der Virtualisierung hemmt. Für 62 Prozent der befragten Teilnehmer stellt entsprechend der wirtschaftliche Nutzen kein Hemmnis dar. Die geringe Verbreitung virtueller und insbesondere komplexer virtueller Beratungsprodukte deutet darauf hin, dass der unklare wirtschaftliche Nutzen doch ein größeres Hemmnis darstellt, als die Teilnehmer angeben.
Die Top -Technologietrends für die Virtualisierung in der Unternehmensberatung
Die Virtualisierung wird von verschiedenen Technologietrends begleitet. Die Teilnehmer haben die Bedeutung dieser Trends für die Virtualisierung von Beratungsleistungen in ihrem Unternehmen bewertet.
- Top 1 - Mobile Technologien: z. B. mobile Kommunikation, unternehmensinterne Applikationen, kundenspezifische Apps und Expertensysteme zur vollautomatischen und ortsunabhängigen Analyse von Massendaten
- Top 2 - Cloud-Technologien: z. B. cloudbasierte Softwaretools und Dienstleistungsnetzwerke
- Top 3 - Industrie 4.0: Potenziale zur Vernetzung mit dem Kunden, Einsatz von Big Data Verfahren, Informationen über reale Prozesse in Echtzeit
- Top 4 - Big Data und Analytics: Methoden, Technologien, IT-Architekturen und Analysewerkzeuge, um steigende Volumina und vielfältige Informationen in fundierte und zeitnahe Entscheidungen umzusetzen.
Bestimmung des Virtualisierungspotenzials von Beratungsleistungen
Wie und mit welchen Faktoren kann das Virtualsierungspotenzial von Beratungsleistungen ermittelt werden? Die Analyse erfolgt in drei Stufen:
Stufe 1: Evaluation des prozessbezogenen Virtalisierungspotenzials bei Beratungsleistungen
- Faktoren wie eine große Komplexität und hohe Interaktivität wirken sich negativ auf das Virtualisierungspotenzial und die Akzeptanz von Beratungsleistungen aus.
- Faktoren wie große Dringlichkeit und großes Vertrauen des Kunden wirken sich positiv auf das Virtualisierungspotenzial und die Akzeptanz von virtuellen Beratungsleistungen aus.
Stufe 2: Unternehmensbezogene Analyse des Virtalisierungspotenzials
- Die Faktoren hoher Reifegrad des Beratungsanbieters und hohe Verfügbarkeit geeigneter Berater wirken sich positiv auf das Virtualisierungspotenzial und die Akzeptanz von virtuellen Beratungsleistungen aus.
Stufe 3: Strategische Analyse des Virtualisierungspotenzials von Beratungsleistungen
- Untersucht die Chancen und Risiken der Virtualisierung im Rahmen eines ganzheitlichen Business Cases.
- Der Faktor hoher strategischer Fit wirkt sich positiv auf das Virtualisierungspotenzial aus
Qualitätserwartungen, Vertrauen und Akzeptanz von Klienten sind für den Erfolg von virtuellen Beratungsleistungen entscheidend. Dafür sind laut Studie folgende Kriterien entscheidend:
- Ein Mix aus virtualisierter Beratungsleistung und klassischer persönlicher Beratung steigert die Akzeptanz beim Kunden
- Gemeinsame Datenbasis als Grundlage: Datenschutz und Sicherheitsmechanismen in einem schlüssigen Gesamtkonzept anbieten
- Frühzeitige Einbeziehung technologieaffiner Schlüsselkunden in den Konzeptions- und Entwicklungsprozess virtueller Beratungsprodukte
- Verbindung von fachlichem und technologischem Wissen: Gezielte Partnerschaften und Kooperationen mit Technologieanbietern, Hochschulen und anderen Akteuren
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Virtualisierung in der Unternehmensberatung
Studien-Hintergrund
Anonymisierte Online-Studie der Technischen Universität Ilmenau , Prof. Dr. Volker Nissen, Fachgebiet Wirtschaftsinformatik für Dienstleistungen in Kooperation mit dem Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU). Befragt wurden Consultingfirmen aller Größenordnungen aus der gesamten Consultingbranche im Zeitraum November/Dezember 2015. Insgesamt haben an der Befragung 552 Unternehmensberater teilgenommen.