WiWi Gast schrieb am 12.09.2022:
Der Anstieg der Neubaukosten (für den Kunden) in den letzten Jahren hatte wenig mit dem Anstieg der Baukosten (für den Anbieter) zu tun.
Doch, genau das war der Grund. Kannst mal locker 100% Baukostensteigerungen über die letzten 10 Jahre rechnen.
Jetzt sackt die Nachfrage deutlich ein. Die Bauträger müssen aber trotzdem bauen, weil irgendwie muss das Unternehmen ja weiter laufen.
Schon mal was von 100% Kurzarbeit gehört? Niemand arbeitet Aufträge ab, welche Verluste generieren. Die Fixkosten sind häufig sehr niedrig, es gibt vielleicht ein kleines Beratungsbüro. Die Bauarbeiter sind draußen vor Ort (kein Büro oder so), die Gerätschaften werden häufig gemietet (weil man für einen KS-Bau andere Geräte braucht als für einen Poroton-Bau usw.). Die Baustoffe werden direkt vom Baustoffhändler angeliefert. Mit 100% Kurzarbeit hat man als kleiner Baubetrieb häufig einen großen Teil der Kosten erschlagen.
Das Spannungsfeld aus sinkender Nachfrage und steigenden Baupreisen (für den Anbieter) wird letztendlich zu einem Sinken der Marge oder in Extremfällen zu einer Insolvenz mancher Unternehmen führen.
Kleine Baubetriebe gehen häufig mal insolvent. Wenn man klug genug war, vorher alles Geld rauszuziehen, ist das häufig nur eine leere Hülle mit einem billigen Mietvertrag für ein kleines Beratungsbüro und einigen Arbeitsverträgen. Das wird dann einfach mit 25k Startkapital neu gestartet und gut ist.
Nur weil der Bauträger jetzt 20% mehr Kosten hat, kann er die nicht automatisch 1:1 an den Kunden weitergeben. Erst Recht nicht mit dem Anstieg der Finanzierungskosten aktuell.
Wie gesagt, er muss. Niemand nimmt Aufträge an, welche von vornherein mit Verlust abschließen werden. Arbeiten und Geld verbrennen - auf sowas kommen auch nur BWLer.
Unternehmerische Konsequenz könnten sein z.B. Abbau von Personal, Reduzierung der Marge etc. wie in jeder anderen Branche auch.
Da ist keine Marge. Leider habe ich keine Zahlen für Deutschland, aber in der Schweiz wird die Gewinnmarge der Bauunternehmen vom Bundesamt für Statistik ermittelt. Die Gewinnmarge dort beträgt: 2-3 Prozent.
Man stelle sich vor, ein kleiner Bauunternehmer, der EFHs baut für 500.000 Euro (inkl. USt) pro Stück. 20 Stück pro Jahr. Bauzeit ist ca. 6 Monate, wobei davon ca. 6 Wochen nichts gemacht wird (Estrich trocknen). Es sind also ca. 7-8 Häuser gleichzeitig zu betreuen (2-3 Vor-Ort-Besuche pro Tag, im Schnitt vielleicht ein Vor-Ort-Termin je Haus und Woche).
Pro Haus werden 2-3% verdient, also 8-13k. Am Ende verdient unser kleiner Unternehmer 170k-250k brutto. Eine gute Summe für ein gutes Leben.
Aber wie hoch wäre jetzt das Potenzial, um auf Marge zu verzichten. Lohnt sich der Stress für 100k brutto inkl. unternehmerischem Risiko noch? Das sind in der Regel erfahrene Bauingenieure oder Architekten, welche auch anderweitig gut verdienen würden.
Wenn wir von ca. 200k Unternehmergewinn auf ca. 100k Unternehmergewinn runtergehen, dann kann das durchschnittliche Haus von 500k auf 494k sinken. 1,2% geringerer Preis - wow - das ändert alles.
Also, da ist keine Marge. In der Baubranche sind niedrige einstellige Gewinnmargen üblich. Auch in den letzten Jahren war das so. Der Kostentreiber ist die Inflation der Baupreise. Die schon immer deutlich oberhalb der normalen Inflation gestiegen sind.
Marge senken geht nicht. 100% Kurzarbeit geht und kein Material bestellen. Damit macht man wenigstens keine Verluste. Aber Marge auf 1% reduzieren bei hohem unternehmerischem Risiko - komplett an der Realität vorbei.
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