WiWi Gast schrieb am 22.07.2021:
Ich bereue einiges, insb. Studium und Arbeit und alles zu straight durchgezogen zu haben, zu lange bei meinem Eltern kleben geblieben zu sein, nicht ins Ausland gegangen zu sein als ich leicht die Möglichkeit dazu hatte, zu wenig auf Frauen zugegangen zu sein, zu viel gezockt und den Sport zu oft geschwänzt zu haben.
Abi mit 18, danach 1 Jahr Zivildienst gemacht auf Forderung meiner Eltern. Wollte eigentlich zum Bund weil mich das interessiert hat (ohne die Absicht dort länger als nötig bleiben zu müssen) aber meine Eltern haben irgendwas von 3. Weltkrieg phantasiert (als ob mich der Zivi davor geschützt hätte). Zivi natürlich beim Sozialbetrieb um die Ecke und danach ab ins Kinderzimmer.
Studium dann an der örtlichen FH und auch wieder bei den Eltern gewohnt (Leider auf dem Dorf). Für Bafög waren meine Eltern auf dem Papier zu reich, gleichzeitig haben diese aber zu schwer arbeiten müssen um ihnen monatlich 500€ abzuknöpfen und das mit meinem Gewissen zu vereinbaren. Im Nachgang hätte ich das mit einem 400€ Job, meinem Ersparten, das Jährliche Weihnachtsgeld der Verwandtschaft und einem kleinen Taschengeld der Eltern auch hinbekommen...
Im Studium dann auf der einen Seite alles zu straight durchgezogen, leider jedoch in der Freizeit einen Durchhänger mit leicht depressiver Phase gehabt. D.h. viel bei den Eltern rum gehockt, gezockt, gegessen und immer eine Ausrede gehabt warum man nichts mit den Kollegen oder Kommilitonen machen konnte (habe in dieser Zeit gut zugenommen, weswegen ich auch ungern unter Leute gegangen bin). Auslandssemester dann auch nicht gemacht.
Anschließend nach dem Bachelor im Job gestartet, natürlich Big4 mit 50h Woche weil Performer und so... Weil ich mit 23 noch jung war und wie 16 aussah haben mich die Manager und Partner natürlich auch nicht ernst genommen und ich war auch noch so unerfahren mir viel gefallen zu lassen. Nach 5 Jahren dann der Exit Richtung Senior in einem Konzern.
Ein sehr guter Kumpel von mir hat im Gegenzug alles sehr locker genommen. D.h. Ausbildung gemacht + 2 Jahre sehr gut bezahlt gearbeitet, Wehrdienst wurde just abgeschafft daher danach direkt in eine neue Stadt und studieren (hatte ja Kohle), zwei Auslandssemester gemacht, in den Semesterferien immer Travel, oft die Freundin gewechselt, viel Party. Der ist dann etwas über 5 Jahre später mit 28 fertig geworden und dank seiner bisherigen Berufserfahrung + Auslandssemester direkt bei einem OEM eingestiegen.
Die beste Entscheidung, mit Berufseinstieg, trotz massiver Gegenwehr der Eltern (warum Miete verschwenden....), ENDLICH vom heimischen Kinderzimmer ausgezogen zu sein. Das Zimmer und das Dorf hinter mir zu lassen und der Tapetenwechsel im Allgemeinen haben mich direkt aus dieser Depri-Phase wieder raus geholt.
Mein Tipp an alle hier im Forum: 1. Fixiert euch nicht zu sehr aufs Haus. Nehmt lieber das Reiheneckhaus oder die DHH und investiert das Geld in Erinnerungen und die Zukunft eurer Kind. 2. Lasst eure Kinder selber entscheiden was sie möchten, solange es kein Studienplatz in Genderwissenschaften ist...
Mir ging/geht es ähnlich. Hatte ein super Abi, aber kein Bafög und meine Eltern wollten mir nicht das Studium finanzieren, weil sie meinten, der Ruf Uni sei egal (sie kommen aus dem ÖD und denken sogar, seit Bologna spiele Uni/FH keine Rolle mehr, dabei ist es außerhalb des ÖD natürlich ganz anders). Einen Nebenjob habe ich mir aufgrund des zeitaufwändigen MINT-Studiums nicht zugetraut, wie sich später herausstellte zurecht. Habe deshalb an der nächsten Uni von der Heimat aus studiert, obwohl ich eigentlich an eine TU9 wollte, von denen alle weit weg sind. Meine Uni zählt laut Rankings zu den schlechtesten in Deutschland und ist bei MBB fast gar nicht vertreten. FH kam für mich aufgrund meiner hohen Ambitionen nicht in Frage, aber letztlich wäre es dort wahrscheinlich zumindest leichter gewesen, während die Uni trotz des geringen Ansehens sehr hart war. Ich war unglücklich über die Uni, insbesondere auch weil ich gemerkt habe, dass es mit Zulassung zu Elite-Unis und teilweise sogar TU9s im Master wohl nicht klappt, weil wir die falschen Module, insbesondere ein paar CP zu wenig Mathe hatten. Dabei mochte ich Mathe immer gerne, selbst die beweislastige Mathematik im Studium, also wenig Mathe war nicht mal unbedingt leichter für mich. Schwierig fand ich hingegen eher die technischen Fächer.
Irgendwann bin ich dann doch ausgezogen, weil ich das ganze Pendeln nicht ausgehalten habe, da es extrem zeitaufwendig und vor allem wegen der ständigen Bahnverspätungen auch unberechenbar war, aber das hat meine Leistungen sogar noch schlimmer gemacht. Ich musste aus Kostengründen in einer Wohnheim-WG wohnen und das war einfach nur schrecklich. In meiner WG waren größtenteils internationale Studenten, die eine ganz andere Kultur und daher auch ganz andere Ansichten zum Thema Lautstärke hatten. Leider lasse ich mich auch recht leicht ablenken und habe Konzentrationsprobleme. Im Wohnheim konnte man sich die Mitbewohner halt nicht aussuchen, sondern sie wurden einem zugeteilt. Meine Eltern wollten nach meinem Auszug aber auch nicht mehr, dass ich zurückkehre. Ich habe dann jedenfalls zur Finanzierung viel nebenbei gearbeitet, trotzdem oft weniger gehabt als Bafög-Satz (musste dann ja auch die Krankenkasse selbst bezahlen), und auch darunter hat das Studium gelitten, weil dann Projekte von Arbeit oft Vorrang hatten und ich auch viele relevante Veranstaltungen an der Uni nicht mehr besuchen konnte. Zeit für Praktika war dementsprechend natürlich auch nicht da, ich konnte meinen Job auch nicht einfach kündigen, weil ich ja auf ihn angewiesen war.
Ich habe mein Studium jedenfalls deutlich überzogen und zurzeit befinde ich im Gap Year, um erstmal eine Praktika zu machen und die Zeit bis zum nächsten Wintersemester zu überbrücken. Bin jetzt noch am überlegen, ob ich wirklich den Master weitermachen soll, weil es im Bachelor ja schon so schlecht gelaufen ist und es für die richtig guten Unis auch nicht mehr reicht. Alternative wäre einen Kredit aufnehmen und dann Wiwi an einer Target zu studieren, quasi als Neuanfang. Natürlich bereinigt es meinen katastrophalen Lebenslauf nicht vollständig, aber zumindest könnte ich dann endlich an einer Uni mit vernünftigem Ruf studieren und würde mir wohl nicht mehr so viele Gedanken machen. Denn diese Gedanken "Was wäre, wenn ich an einer guten Uni studiert hätte" plagen mich fast täglich und haben wohl ihr übriges zu meinem Leistungsabfall beigetragen. Dann wäre meine Karriere vermutlich anders verlaufen uns ich hätte zudem noch ein cooles Studentenleben gehabt und erhoffe mir, das vielleicht doch noch nachholen zu können. Ich möchte hier auch nicht die Schuld auf andere schieben, vermutlich hätte ich einfach einen Studienkredit nehmen sollen, ist natürlich nicht so schön wie Bafög, aber wenn ich bedenke, wie enorm sich die Jobchancen je nach Uni unterscheiden und wie viel Geld ich in den verschwendeten Jahren ich, selbst in einem durchschnittlichen, erst recht aber in einem Top-Job, hätte verdienen können, wäre das finanziell deutlich klüger gewesen. Oder ich hätte, als ich dann doch ausgezogen bin, die Reißleine ziehen sollen, und dann direkt einen Neuanfang an einer vernünftigen Uni wagen sollen, auch wenn dann meine vorherigen Leistungen "umsonst" gewesen wären (was neben der Finanzen der Hauptgrund war, warum ich es damals dann doch nicht gemacht habe).
Ein Bekannter, der damals an einer TU9 studiert hat, hat anschließend den Master dann an einer europäischen Elite-Uni gemacht und promoviert jetzt an einer US-Elite-Uni. Natürlich auch nicht der Standardlebenslauf für TU9ler, aber er hatte einen guten, aber keinen außergewöhnlich guten Bachelorschnitt, von meiner Uni kommt man hingegen nicht mal mit 1,0 an diese Top-Uni. Natürlich freut es mich für ihn, aber gleichzeitig macht es mich traurig, dass sowas für mich nie möglich war ubd wohl selbst bei einer TU9 im Master wohl nicht sein wird (er hatte ja TU9 nur im Bachelor als Sprungbrett zur europäischen Target). Vielleicht mit einem "cleanen" Neuanfang von einer Top-Uni aber ja doch.
Mich würde auch interessieren, was ihr mir raten würdet. Lieber Master an Semi-Target TU9 machen oder Neuanfang Bachelor an Top-Uni? Es gäbe da tatsächlich eine Möglichkeit, Bachelor und Master innerhalb von 7 Semester zu machen. Vielleicht wäre ich damit sogar schneller, als mich durch den konsekutiven Master zu quälen. Andererseits wäre dann natürlich auch alle Munition "verpulvert", während ich nach dem Konsekutiven Master vielleicht noch irgendwann meinen MBA machen könnte, wobei es da für die Top-Programme mit meinem Bachelor sicherlich auch nicht reichen würde. Und was mich am meisten qm Neuanfang zögern lässt wäre, dass ich dann vielleicht schon zu alt wäre, denn auch wenn ich mein genaues Alter nicht teilen möchte, könnt ihr euch ja ungefähr ausrechnen, dass ich mit deutlich überzogenem Bachelor und Gap Year nicht mehr Anfang 20 beim Studienbeginn wäre.
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