Was ich gerne hören will, ist letztlich, wie der Anfang für (ehemals) Selbstständige hier im Forum war und wie man sich am besten verkauft bzw. wo man seine ersten Kunden findet, wenn man kein hartes Skill wie Website-Programmierung oder Grafikdesign vorweisen kann. Solche Erfahrungen wären sehr inspirierend!
Ich hatte zwei Starts als Selbständiger:
Zum einen wurde ich während eines Praktikums im Studium von einem Vorgesetzten angesprochen, der eine Idee hatte, aber nicht wusste, ob man diese umsetzen könne. Das habe ich während des Praktikums als Prototyp implementiert, daraufhin hat er sich als Geldgeber angeboten. Er schlug für die Vermarktung eine KG vor und wurde Komplementär, und ordnete zudem einen seiner Mitarbeiter zum neuen Unternehmen ab (und um eine wissenschaftliche Publikation über das Produkt zu schreiben). Das war zwar inhaltlich spannend, wurde aber kein kommerzieller Erfolg und schlief wieder ein (immerhin ohne Verlust). Trotz dieses Fehlstarts war dies eine wertvolle Erfahrung für mich
Zum anderen war ich neben dem Studium für ein lokales Beratungshaus tätig. Erst trivale Jobs (z.B. Doku schreiben), aber durch Kompetenz empfahl ich mich nach und nach für komplexere Aufgaben, bis ich vom Beratungshaus hier und da einzelnen Kunden empfohlen wurde, was für schöne Tagessätze gelegentlicher Studijobs sorgte. Gegen Ende meines Studiums wurde ich im Systemhaus für die Semesterferien zum de-facto-Mini-Projektleiter, der für das Projekt sechs Studis zusammensuchen sollte. Das Projekt war ein Erfolg, vor allem aber fragten wir uns fast alle, wie man denn den Schritt in die Selbständigkeit schaffen könne. Mit einem der auffälligeren Mitstudenten habe ich schliesslich für eine Anzeige in der Computerwoche zusammengelegt. Wir sind dann mehr als eine Woche bundesweit bei allen vorbeigefahren, die sich auf die Anzeige gemeldet hatten, um uns vorzustellen. Im Nachhinein waren da ein paar peinliche Auftritte von uns dabei, weil wir absolut gar keine Ahnung hatten, weder von den Marktbedingungen noch den Anforderungen. Die persönlichen Gespräche halfen jedoch sehr, auch wenn wir vereinzelt ausgelacht wurden. Letztendlich bekamen wir aber dennoch beide zumindest aus unserer damaligen Sicht attraktive Angebote (120 DM/h im Jahr 1997). Der erste Auftrag dauerte ein Jahr lang, ab da war die Akquise weitaus einfacher (es half, dass der erste Auftraggeber ein bekannter Name war). Wir brachen beide unser Studium ab (ich hab' sehr viel später zu Ende studiert), und sind seitdem beide erfolgreich fulltime selbständig, zeitweilig gemeinsam in einer GmbH, inzwischen aber seit langem solo.
wie man sich am besten verkauft
Selbstbewusst, auf Augenhöhe, nicht als Bittsteller.
Fokus auf den Kunden, nicht auf sich selbst: Schwerpunkt ist nicht, was man kann und gemacht hat, sondern wie man dem Kunden helfen kann und ihn unterstützen wird. Gerne kann man auf Erfahrungen und Qualifikationen verweisen, aber immer im Auge behalten: Was könnte das dem Kunden bringen? Schon im Pitch Lösungen suchen, nicht Probleme aufzeigen!
Räumliche Flexibilität hilft enorm. Ich habe in den ersten zehn Jahren an acht Orten in D, CH und GB gewohnt und gearbeitet. Als uns eine schwere Branchenkrise traf, war ich einer der wenigen, die willens waren an einer sehr unbeliebten Location schwierige Dienste zu leisten (was sich in jeder Weise ausgezahlt hat, finanziell wie im CV).
Auch organisatorische und sogar finanzielle Flexibilität können sich auszahlen. Beispiel 1: Ich pitchte als Projektmanager (PM), erfuhr aber erst im Gespräch, dass die Rolle soeben besetzt wurde; ob ich nicht untergeordnete Rolle X annehmen wolle? Gemacht, getan, allerdings zu den Konditionen als PM. Drei Wochen später war der Projektmanager weg, ich der neue Projektmanager, und das Honorar erhöhte sich. Beispiel 2: Pitch für eine full-time Position; Gespräch ergibt, dass eigentlich nur für 60% Auslastung gesucht wird. Tja, was tun? Ok, 60%, aber mit deutlicher Honorarerhöhung per Stunde. Klappt. Wochen später: Auftrag wird erhöht auf 100%, mit stabil hohem Stundensatz.
Ebenfalls sehr hilfreich: Die Fähigkeit und der Wille, glaubwürdig "Nein" zu sagen oder zumindest androhen zu können. Das muss man sich auch leisten können, dies hilft insbesondere beim Einstieg. Ich empfehle, sich mit Verhandlunsgstheorie zu beschäftigen. Begriffe wie BATNA oder ZOPA sollte man verinnerlichen. Insbesondere die Publikationen des "Harvard Negotiation Projects" hätte ich gerne schon beim Einstieg gekannt (etwa "Negotiation Genius" von Malotra/Bazermann oder der ältere, aber immer noch gute Klassiker "Getting to Yes" von Fisher/Ury).
Weiterhin wichtig: Jenseits der Kernkompetenzen genug von Drumherum (Steuern, Legals, Compliance…) zu wissen, dass man erkennt, wann und wo man Profis zu Rate zieht (und wo nicht). Da habe ich anfangs mehrfach (und kostspielig) geirrt, und zwar in beide Richtungen.
Was ich heute anders machen würde: Ich hatte anfangs keinen klaren Fokus darauf, wo ich mich als Selbständiger hin entwickeln wollte. Die Umsätze waren daher stets gut, aber ich habe viel zu lange gebraucht, ein für mich ein klares Zielprofil zu entwickeln (und dadurch einiges Potential verschenkt).
Als für mich persönlich zentral wichtig hat es sich erwiesen, permanent zu lernen, und zwar in allen Dimensionen (technisch/sozial, allgemein/domänenspezifisch, formal/informell, inhaltlich/prozessual). Wiederholt habe ich Aufträge angenommen, von denen ich zu Beginn noch nicht wusste, wie ich sie lösen sollte. Meist (nicht immer!) ist das gutgegangen, mit für mich langfristig enormem Mehrwert. Ich sah das nicht nur als persönliche Entwi8cklung, sondern auch als Versicherung meiner Selbständigkeit, so dass ich falls etwas schief ginge immer einen Plan B oder C hätte. Aber das ist eine sehr persönliche Entscheidung, das geht natürlich sicherlich auch anders.
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