Ich bin selbst Arzt und die meisten Ärzte, die ich kenne, sagen, dass sie ihren Job hassen und nicht wieder Medizin studieren würden - zumindest die, die in der Klinik arbeiten. In der Niederlassung sieht das zum Teil anders aus. Aber erstens ist die nicht mehr so einfach zu machen, und zweitens ist auch das Leben in der Niederlassung nicht mehr das, was es früher einmal war. Bedenke, dass die GOÄ in den 90ern (!) das letzte Mal angepasst wurde und die Abrechnungsbeträge für Kassenpatienten (in Form der EBM-Punkte) jährlich um nur ca. 1% steigen - das war schon früher deutlich unter Inflation, momentan ist es drastisch.
Und der Ärztemangel nützt dir auch nichts, wenn alle Kassensitze von PE Funds oder Großpraxen gekauft werden, die dich dann nur noch einstellen. Wobei ich mir vorstellen kann, dass die aktuelle Entwicklung der Honorate (GOÄ, EBM) dafür sorgt, dass sich Investoren so langsam zurückziehen. Wenn die Inflation noch 2-3 Jahre auf dem aktuellen Niveau oder nur leicht darunter bleibt, und die Ärztehonorate nicht angepasst werden, wird ein signifikanter Teil der Praxen schließen.
Davon abgesehen: Das, was du schreibst, klingt mehr nach Klischee denn nach dem, was ein Arzt sagen würde. Selbst die, die ihrem Job positiver gegenüberstehen, würden sich so nicht ausdrücken. Und die Assistenzarztzeit ist nicht nur ein "bisschen anstrengender", sondern, je nach Fach und Haus, die Hölle auf Erden mit 70h aufwärts körperlich anstrengender Tätigkeit. Es stimmt aber, dass die Boomer-Ärzte außerhalb der Klinik oft ein bisschen den Kontakt zur Krankenhaus-Realität der Gegenwart verloren haben, vielleicht kennst du nur die (aber selbst die drücken sich nicht so aus...).
Ich bin nach 3 Jahren Klinik in die UB gegangen. Ich verdiene auf Anhieb das Doppelte (so viel wie meine Oberärzte früher, und mehr als ein angestellter Facharzt im ambulanten Bereich), und die Tätigkeit ist auch nicht anstregender - im Gegenteil. Leben aus dem Koffer ist auch nicht mehr die Regel wie vor COVID (das kenne ich aber nur aus Erzählungen). Und mein Sozialleben ist besser geworden, ich habe jetzt wenigstens die Wochenenden frei. Für einen Arzt ein kaum zu fassender Luxus.
Medizin ist kein schlechtes Studium, aber die meisten haben halt nur diese Klischee-Bilder im Kopf, wie sie der Vorposter auch aufführt.
ja du hast recht, die guten geschichten kommen in meinem umfeld oft von älteren ärzten. in der tat sind die jungen absolventen teilweise auch frustriert von den arbeitsbedinungen an der klinik und der teilweise lächerlichen hierarchie, das stimmt.
hier geht es aber um die frage, was man studieren soll und da sehen die meisten dann ein, dass es da nunmal kaum bessere alternativen gibt (jura bei entsprechenden noten eventuell noch). wenn man sich für medizin interessiert, erwartet einen ein interessantes studium mit einer wahnsinnig guten (verglichen zu mint) didaktik und einem riesigen weiterbildungsangebot bis ins hohe alter. es gibt kaum durchfallquoten im medizinstudium, die promotion gibt es quasi geschenkt und der weg bis 100k grundgehalt ohne dienste für eine fachliche tätigkeit ist durch den tarifvertrag und den staatlich geschützen mangel in jedem dorf in deutschland garantiert. das ist mehr als es in jedem einzigen mintstudium gibt, wo die einzige garantie nach dem studium mit teilweise 70% durchallquote ist, dass man vermutlich nicht arbeitslos wird und über 45k verdienen wird, wenn man genug praktika gemacht hat und bereit ist, zum nächsten industriestandort zu ziehen. wenn man fächer wie mathe und physik studiert hat, darf man sich den rest des arbeitslebens noch darüber freuen, nie wieder etwas aus seinem anspruchsvollen studium gebrauchen zu dürfen.
dass man in einer UB eventuell auf einigen karrierestufen mehr verdient als in der klinik, mag sein. doch bei der ausgangsfrage ging es darum, welcher studienabschluss im regelfall zu besseren gehältern führt und da führt einfach kein weg an medizin vorbei. dass man in der Top UB besser verdient, ist ungefähr ein so gutes argument als wenn man sagt, dass man beim FC bayern besser verdient, da weder der eine noch der andere studienabschluss den absolventen besser oder schlechter für den job als profifußballer qualifiziert - genauso ist es bei der UB auch. dieser karriereweg steht faktisch allen absolventen aller studienfächer gleichermaßen offen.
Meine these (die ich nicht belegen kann) ist jedoch sogar, dass man mit einem medizinabschluss (wegen des mangels) deutlich einfacher bei den top UBs reinkommt, als mit jedem anderen abschluss.
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