WiWi Gast schrieb am 18.03.2023:
Also ich wäre da sehr vorsichtig.
KI wird nicht nur ein paar Jobs ersetzen, sondern 100000+ schlichtweg überflüssig machen.
Das mühselig angesammelte Wissen über verschiedene Tech-Stacks wird nutzlos.
Wieso sollte man überhaupt noch programmieren lernen?
Solche Aussagen können nur von Leuten kommen, die IT in einem Konzern noch nie von innen gesehen haben.
Ich arbeite seit einigen Jahren bei einem großen DAX Industriekonzern und habe davor verschiedene Konzerne und Mittelständler von innen gesehen. Ich gebe jetzt mal meine Erfahrung wieder, auch wenn das für manche schockierend sein wird.
95% der IT ist hoffnungslos veraltet, qualitativ minderwertig, kaum oder gar nicht dokumentiert. Von den Herstellern (egal ob intern oder extern) kommt kein oder nur unzureichender Support.
Wir haben eine Abteilung >100 Leute die ausschließlich Ops und Incident Management für Bestandssoftware macht. Alleine in meinem Team (~10 Leute) haben wir 10-20 Vorfälle am Tag, die Aufwirkungen auf den Produktivbetrieb haben. Zum Thema Sicherheit sage ich da mal nichts... Wir stopfen Lücken nur noch aufs Notwendigste.
Konzernweit sind nach letzter Zählung >5000 verschiedene Anwendungen im Einsatz. Die meisten davon über 20 Jahre alt.
Eigentlich müsste man da mal massiv aufräumen, Systeme ablösen, modernisieren, vereinfachen etc. aber dafür sind keine Ressourcen und kein Geld vorgesehen. Stattdessen steigt die Anzahl der IT Probleme jedes Jahr an und die Betriebskosten erreichen immer astronomischere Höhen.
Und das ganze wird nicht besser sondern nur schlimmer.
Ich prognostiziere, dass wir in den nächsten 10 Jahren den IT-Supergau in vielen Großkonzernen und Behörden erleben. Einfach weil man sich viel zu sehr auf Systeme verlässt, die kaum noch zu beherrschen sind.
Die ganzen Alteingesessenen schielen schon auf die Rente (>50% in der Abteilung) und die jungen Kollegen hauen nach 1-2 Jahren spätestens wieder ab (was ich auch verstehen kann).
Man sourced das dann an Dienstleister aus, aber die haben das gleiche Problem. Auch deren Leute kennen sich mit den Legacy Systemen nicht aus (woher auch) und dort ist die Fluktuation nochmal höher (30% nicht selten).
Das einzige was dann passiert ist, dass im Notfall böse Escalation E-Mails hin und her geschickt werden. Aber das bringt die Systeme auch nicht wieder ans Laufen. Immerhin kann das Management dann den schwarzen Peter an den Dienstleister weiterreichen. Denen ist das aber auch herzlich egal, ist ja nicht ihr System. Die sind inzwischen erfahren genug ihre Verträge so zu formulieren, dass ihnen abseits einer Kündigung nichts passieren kann.
Insofern sollte man sich als ITler eher die Frage stellen, ob man IT in Deutschland wirklich machen möchte und ob das Schmerzensgeld (aka Gehalt) hoch genug für die Kopfschmerzen ist.
Jobs gibt und wird es genug geben. Dafür sorgt die "Digitalisierung" schon.
Das kann man man meiner Ansicht nach nicht verallgemeinern. Die Qualität der IT und der IT-Mitarbeiter ist meiner Erfahrung sehr unterschiedlich ebenso wie das Betriebsklima und die Firmenkultur.
Ich habe Firmen kennengelernt, da könnte ich mir gut einen Wechsel in die IT vorstellen, und bei anderen würde ich auch bei einer Verdopplung meines Gehalts nicht arbeiten wollen.
Fakt ist leider, dass es etliche Firmen gibt, die unter dem Deckmantel des angeblichen "Fachkräftemangels" ganze Fabriken schließen.
Siemens baut intern aktuell massivst Stellen ab (Ingenieure in deren Entwicklung etc.)
Diese Leute werden natürlich nicht einfach gekündigt, sondern können selbstverständlich in Osteuropa das arbeiten beginnen, zu optimierten Arbeitsbedingungen.
ZF entlässt mal eben 9000 Mitarbeiter, weil Werke geschlossen werden.
Bei Daimler, Bosch, Diehl sieht es nicht anders aus.
Ein Berufseinsteiger tut mir aktuell einfach nur Leid, da gut ausgebildete Ingenieure (Bachelor oder auch Master) keinerlei Jobs finden (Direkteinstieg).
Wenn ich nochmal jung wäre, würde ich mich sicherlich nicht mehr von dem angeblichen "Fachkräftemangel" prägen lassen.
Ingenieure sind leider zu bedauern, da diese ständig um Jobs kämpfen müssen (Quelle: Ü40, Dipl.-Ing., Dax30).
Die glorreichen Zeiten sind schon lange vorbei und man hat es als Ü40 extrem schwer einen Job zu finden, wenn plötzlich der Arbeitgeber die Abteilung dicht macht (Quelle: Bekannter bei Siemens).
Es gibt schlichtweg keinen Fachkräftemangel.
Ihr müsst nur Mal auf den bekannten Jobplattformen suche. Dort wird man sehr schnell feststellen, dass es nur noch Dienstleister-Jobs (ANÜ) gibt.
Die geplante Übernahme wird ständig verschoben und durch raffinierte Tricks schließlich nie vollzogen.
Wenn es hier Leute der "Letzten Generation" etc. gibt, dann solltet ihr lieber dagegen demonstrieren, als euch für irgendwelche anderen Dinge anzukleben.
Dienstleister gehören endlich verboten.
Die Arbeitgeber müssen endlich zu ihren Arbeitnehmern stehen.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
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