Ich kann gerne meine Erfahrungen bei ALDI Nord wiedergeben, ich denke mal die Bedingungen werden ähnlich sein wie bei Süd.
Zunächst einmal kann ich den Vorrednern nur recht geben, der Job ist tatsächlich nicht für jedermann geeignet. Ich habe vor und während meines Studiums bereits jede Menge Erfahrung im Handel gesammelt und habe bei Top Adressen wie METRO, Edeka und Markant gearbeitet. Deshalb war es für mich nach dem Studium selbstverständlich, einen Einstieg im Handel zu finden. Bei meinen Recherchen nach einem passenden Arbeitgeber bin ich dann auf Aldi gestoßen. Die Tätigkeit schien interessant zu sein, die Möglichkeit früh Verantwortung zu übernehmen sowie das attraktive Gehalt waren die Hauptgründe für meine Bewerbung.
Die Realität ist allerdings nicht ganz so spannend wie man aufgrund der Stellenanzeige vermuten kann. Gerade wenn man wie ich vorher bei den "Premium- Händlern" gearbeitet hat, ist die Arbeit im Discount eine ganz schöne Umstellung. Ich habe relativ schnell festgestellt, dass ich mich mit dem Discounter-Prinzip nicht identifizieren kann, habe es allerdings dennoch einige Zeit durchgezogen, bevor mich dann entschied, das Unternehmen wieder zu verlassen. Schlecht reden möchte ich den Job nicht, die Zeit bei Aldi war interessant, ich bin um einige Erfahrungen reicher und alleine deshalb hat es sich gelohnt. So nun zu den Fakten:
Das Gehalt ist wirklich super und zu beginn bekommt man direkt einen Firmenwagen mit Tankkarte zur privaten Nutzung - in meinem Fall ein 2006er Passat Variant mit 307.000km auf der Uhr und in einem ziemlich ungepflegten Zustand innen wie außen. Die ersten 12 Wochen wird man als Filialleiter eingearbeitet. Nach jedem Schritt der Einarbeitung findet eine mündliche Zwischenprüfung statt und am Ende noch mal eine abschließende Prüfung. Das theoretische Wissen welches man für die Lösung der Prüfungsaufgaben benötigt, muss man sich im Selbststudium neben der Arbeitszeit erarbeiten. Ist aber alles ohne Probleme machbar und intellektuell nicht besonders fordernd. Die 12 Wochen Einarbeitung waren bei mir relativ entspannt, ich war in der Umsatzstärksten Filiale meiner Gesellschaft eingesetzt, deshalb hatte man hier immer genug Stunden zur Verfügung, so dass immer in einer 3er bis 4er Besetzung gearbeitet wurde. In dieser Zeit habe ich nie mehr als 40 Stunden die Woche + Zeit fürs Selbststudium gearbeitet.
Nach den 12 Wochen wurde mir dann meine eigene Filiale übertragen. Eine Filiale in einem sozialen Brennpunkt gelegen, die Kunden waren hauptsächlich Alkoholiker, Arbeitslose etc.. Aufgrund dieser Kundenstruktur waren die Umsätze dementsprechend niedrig und lagen wöchentlich im Schnitt bei 68.000?. Der Umsatzfaktor den der BL vorgab, lag je nach Monat zwischen 410 und 420. Wenn man den Wochenumsatz nun durch den Umsatzfaktor teilt, erhält man die Anzahl der Stunden die man pro Woche verbrauchen darf. Wenn ich also von einem geplanten Wochenumsatz von 68.000? und einem Umsatzfaktor von 420 ausgehe, darf ich in dieser Woche ca. 162 Stunden verbrauchen (68.000/420). Das sind dann bei 6 Tagen die der Laden in der Woche geöffnet ist ca. 27 Stunden am Tag. Mit Vor- und Nachbereitung ist der Laden 12 Stunden pro Tag geöffnet, also darf ich um meinen Umsatzfaktor zu erreichen, lediglich in einer 2er Besetzung arbeiten. Das heißt, eine Kassiererin an der Kasse und ich als FL bzw. meine Vertretungskraft muss alles andere machen: dazu gehört Obst- und Gemüsebearbeitung, Inventurlauf (3mal täglich), backen bis zu 6 mal täglich, Warenannahme, Ware verräumen, Zweitplatzierungen aktualisieren, Aldi Aktuell Strecke überarbeiten+ 2 Mal die Woche aufbauen, Disposition, Büroarbeit, Kontrollprogramm etc. und dann kommen noch Sonderaufgaben vom BL hinzu wie z.B. Warenaustausch für andere Filialen etc. Wer also glaubt dass man diese Aufgaben in einer 8 Stundenschicht (wie es von ALDI vorgegeben ist) schafft, der irrt sich gewaltig. Ich habe jeden Tag im Schnitt von 6.45 bis 19 Uhr manchmal auch bis 20 Uhr gearbeitet. Auf Pausen habe ich komplett verzichtet. Wenn man dann aus irgendwelchen Gründen den Planumsatz nicht gemacht hat, hat man automatisch den vom BL vorgegebenen Umsatzfaktor nicht erreicht, was zu Diskussionen führte. Der BL meinte dann immer, dass ich dann rechtzeitig die Stunden kürzen müsse, wenn der Umsatz nicht so wie geplant kommt. Wenn man aber permanent in einer 2er Besetzung arbeitet, kann man keine Stunden kürzen. Auf meinen Einwand ob ich den Laden dann ganz alleine schmeißen soll, wusste der BL keine Antwort und suchte den nächsten Punkt, den er kritisieren kann.
Ich könnte noch Stundenlang weitererzählen aber um das ganze zum Ende zubringen, kann ich zusammenfassend sagen, dass ich von morgens bis abends nur am Malochen war wie ein Tier und geistig absolut gar nicht gefordert wird. Das ist in der Tätigkeit als BL übrigens vermutlich auch nicht anders... man muss stupide Listen abarbeiten und das wars. Für Akademiker absolut unterfordernd, was für mich der ausschlaggebende Punkt war das Unternehmen zu verlassen. Weitere Gründe war einfach das widersprüchliche Unternehmensleitbild. Aldi schreibt sich Qualität und Kundenfreundlichkeit auf die Fahnen, aufgrund der niedrigen Stunden die man verbrauchen darf, ist es aber nicht möglich, diese Ziele zu erfüllen. In den Filialen wird so unglaublich viel gepfuscht, das kann man sich gar nicht vorstellen.
Eine Unternehmenskultur gibt es für mich nicht wirklich, es herrschte eine Jeder gegen Jeden Stimmung. Anstatt im Team Lösungen für Probleme oder Fehler in den Filialen zu finden, verbreiteten die BL oder VL nur Druck und Angst bei den Mitarbeitern, meiner Meinung nach nicht zielführend. Alles im allem läuft dort in meinen Augen jede Menge falsch und bei näherer Betrachtung läuft auch alles aufgrund der veralteten Strukturen sehr ineffizient. Das Prinzip von Aldi Nord widerspricht sich in vielen Aspekten selbst und ist einfach nicht mehr zeitgemäß.
Aber wie gesagt probiert es aus, ob diese Tätigkeit zu euch passt und tut euch den Gefallen und gesteht euch selbst früh genug ein, wenn es nicht passt.
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