Berufseinstieg in der Restrukturierung vs. StB/WP
Guten Tag liebes Forum,
ich stehe aktuell kurz vor meinem Masterabschluss und habe noch Entscheidungsschwierigkeiten bezüglich des Jobeinstiegs und würde gerne wissen, wie ihr euch entscheiden würdet und warum.
Ich hadere aktuell damit, ob ich den Einstieg bei einer Restrukturierungsberatungen (Andersch, ESMC, Big4) wagen oder doch lieber den Weg Richtung StB/WP einschlagen soll.
Eigentlich hatte ich immer geplant möglichst schnell das Steuerberater- und das Wirtschaftsprüferexamen abzulegen und dann entweder eine eigene Kanzlei zu gründen oder mich irgendwo im Mittelstand einzukaufen. Mir machen Steuern- und Rechnungslegung in der Theorie Spaß und ich habe dementsprechend auch meine fachlichen Schwerpunkte gesetzt. Vor den Berufsexamen habe ich zwar Respekt, bin aber zuversichtlich, dass ich diese mit entsprechender Vorbereitung bestehen kann.
Was mir aber Sorge bereitet ist die praktische Arbeit. Ich habe bereits bei Big4 und Mittelstand im Bereich Steuern/WP Praktika gemacht und dort saß man 8-12 Stunden hat Zahlen von rechts nach links geschoben und sich ab und zu mal nen Kaffee geholt. Gerade im Mittelstand war selbst der Kundenkontakt sehr selten und die Kollegen waren nicht gerade motiviert. Kurzum: Es war ziemlich langweilig und ich weiß nicht, ob ich wirklich die nächsten 40 Jahre meines Lebens in so einem Umfeld verbringen möchte.
Nun bin ich im Studium mehrmals in Kontakt mit Restrukturierungsberatungen gekommen und habe mich über deren Arbeit informiert. Diese scheint mir deutlich interessanter und intensiver zu sein als im Bereich Steuern/WP. Gerade auch der Gedanke, dass man nicht nur vergangene Geschäftstätigkeit zu Zahlen verarbeitet, sondern auch positives für die Zukunft des Unternehmens bewirken kann, reizt mich doch sehr. Mir ist bewusst, dass die Erstellung von IDW S.6/S.11 Gutachten schon große Ähnlichkeiten zu Tätigkeiten in der klassischen WP aufweist. Sofern man diese aber auch operativ umsetzten darf, empfinde ich die Tätigkeit doch deutlich spannender als die Prüfung.
Daher würde ich kurzfristig auf jeden Fall zu dem Bereich Restrukturierung tendieren. Einzig die langfristige Perspektive schürt doch etwas Zweifel in mir. Sofern man StB/WP besteht, ist eine Partnerschaft (zumindest im Mittelstand) mir großer Wahrscheinlichkeit erreichbar. Dementsprechend auch ein sehr guter Verdienst und hohe Jobsicherheit bei zwar hohen aber doch nicht extremen Arbeitszeiten.
Partnerschaft in der Restrukturierung scheint mir deutlich schwerer zu erreichen. Auch die Exit-Optionen überzeugen mich nicht vollends. Zwar kann man höchst wahrscheinlich im Konzern irgendwo im mittleren Management einsteigen, ist dann aber doch irgendwo wieder nur ein kleines unbedeutendes Rädchen, dass zum Vorankommen von dem guten Willen des Vorgesetzten abhängig ist. Das wäre absolut nicht meins.
Locken tut die Restrukturierung natürlich mit deutlich höheren Einstiegsgehältern. Bekannte von mir sind bei Andersch & RB und sprechen von 80.000€ aufwärts. Das sind zwar knappe 30.000€ mehr als im Bereich Steuern/WP gezahlt wird aber dennoch frage ich mich, ob das Gehalt wirklich nachhaltig höher ist. Klar verdient ein Partner in der Restrukturierung mehr als ein klassischer Mittelstandspartner StB/WP aber wie viele erreichen diese Gehälter auch und versauern, dank Exit, nicht vorher irgendwo in ihrem Konzernjob? Ist es, wenn man die Chance die Endstufen zu erreichen mit einbezieht, nicht sogar monetär lohnenswerter Richtung Steuern/WP zu gehen? Variiert die Lebensqualität bei den sowieso hohen Gehältern überhaupt noch nennenswert?
Zudem frage ich mich auch, ob im Bereich Steuern/WP eine zunehmende Seniorität die Tätigkeit spannender macht, da man nicht mehr den ganzen Tag vor Excel/Datev sitzt, sondern mehr mit Menschen zu tun hat und sich fachlich mit anspruchsvolleren Themen beschäftigt. Gerade als Partner bringt der unternehmerische Aspekt und Kanzleicontrolling nochmal ganz andere Aufgabengebiete mit, als die, die man zum Berufseinstieg hat.
Ein weiteres Thema ist natürlich Familie und Freizeit. Ich bezweifle leider, dass sich beides gut mit der Restrukturierung vereinen lässt. Ich brauche nicht jeden Tag um 17:00 Uhr Feierabend aber 1x unter der Woche Sport würde ich schon gerne einbauen und auch Abends mit der Familie essen wäre mir wichtig. Ist das möglich?
Vielleicht gibt es ja hier Leute, die aus der jeweiligen Perspektive berichten können und mir bei meiner Entscheidungsfindung behilflich sein können. Wenn das so ist, würde mich vor allem auch interessieren, ob ihr glücklich mit der Arbeit seid. Also ob ihr morgens aufsteht und doch tendenziell eher gerne zu Arbeit geht und ob ihr wenn ihr wieder am Anfang des Berufslebens stehen würdet, nochmal genauso entscheiden würdet.
Vielen Dank!
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