WiWi Gast schrieb am 05.05.2023:
Nun soll ich auf einmal alles selbstständig bearbeiten, habe Mandatsverantwortung und mein Aufgabenbereich ist ja auch ein ganz anderer. Ich fühle mich diesem ohne weitere Einarbeitung einfach nicht gewachsen, weil ich einfach nur „schwimme“. Einen konkreten Ansprechpartner habe ich nicht und es hat auch niemanden Zeit mir mal ausführlicher etwas zu zeigen.
Die Arbeit so zu erledigen, wie ich glaube dass es richtig ist, ist absolut nicht mein Anspruch und ich habe keinen Lerneffekt.
Ich überlege zu den Big4 zu wechseln, da ich denke, dass es es eine andere, bessere „Ausbildungsstruktur“ gibt.
Kann hier vielleicht jemand von seinem Berufseinstieg in der Steuerberatung bei einer der Big4 berichten? Bzw. hat jemand Ähnliches erlebt oder Tipps?
Mich wundert es, dass du als Berufseinsteigerin und Assistentin schon Mandatsverantwortung übernimmst. Ich arbeite als Steuerassistent in einer mittelgroßen Kanzlei mit knapp 100 MA und dort dürfen nur Steuerberater die Mandatsverantwortung übernehmen. Ich als Assistent arbeite den Beratern nur zu und entlaste sie bei der Recherchevorarbeit und -aufbereitung für die Beratung und Steuererklärungen. Abgesehen davon würde mir nach nur etwas über 8 Monaten in der ich dort arbeite (ist auch mein erster Vollzeitjob nach meinem Studium) die nötige Erfahrung und Souveränität fehlen, um die Mandanten angemessen betreuen und beraten zu können.
Man muss hierzu aber auch sagen, dass in der Kanzlei in der ich arbeite der Schwerpunkt mehr bei der Klärung spezifischer steuerlicher Einzelfragen und Steuergestaltung liegt. Das kann man jetzt nicht einfach so in die Verantwortung eines Berufseinsteigers und Assistenten geben. Zumindest nicht in dem Sinne, dass diese es alleine wuppen sollen.
Meine Arbeiten werden da immer vorher von den jeweiligen Steuerberatern für die ich zuarbeite gegengecheckt und wenn die da kein grünes Licht geben, weil es da noch was zu überarbeiten gibt, wird das auch nicht rausgehauen. Nennt sich "Vier-Augen"-Prinzip und minimiert Fehler, die man alleine etwa nicht auf Anhieb erkennt. Bedeutet im Umkehrschluss auch, dass ich das korrigierte Ergebnis vom Steuerberater auch nochmal durchgehen muss ehe das wirklich raus kann. So hatte ich auch schon noch ein paar weitere Flüchtigkeitsfehler entdeckt. Würde mich auch wundern, wenn das bei dir nicht der Fall wäre.
Zu deinem Kernproblem: Als ich frisch in der Kanzlei angefangen hatte war der Einstieg für mich auch etwas holprig. Die Aufgaben, die ich anfangs bekommen hatte waren aber noch nicht so wahnsinnig anspruchsvoll (Bescheide prüfen, Schreiben an Finanzämter vorbereiten, paar Anrufe u.a.). Ich wurde gefragt, ob ich diese Aufgaben schon mal gemacht habe. Wenn nicht, wurde es mir einmal gezeigt und dann musste ich es selber ausprobieren. Wenn ich etwas nicht verstanden hatte, unsicher war oder nicht weiter kam, fragte ich nach und anfangs musste ich ziemlich viel nachfragen. Mit der Zeit hatte ich den Dreh raus und irgendwann kamen dann anspruchsvollere Aufgaben. So lief bei mir die Einarbeitung und dieser Prozess der Einarbeitung wird sich auch noch bei mir weiterziehen, weil eben immer wieder neues dazu kommt.
Das Gefühl des "schwimmens" kenne ich noch aus den ersten zwei Monaten. Da musste ich mir angewöhnen selber nachzufragen, wenn ich mit etwas nicht klar kam oder nicht sicher war. Das ganze wissen aneignen und umsetzen musste ich dann selbst. Der Lerneffekt ergibt sich im übrigen daraus, dass man es auch mal selber ausprobiert und dabei auch Fehler macht aus denen man lernen kann. Durch das "Vier-Augen"-Prinzip bekomme ich auch direkt Feedback zu meiner Arbeit und das hatte mir immer sehr geholfen.
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