WiWi Gast schrieb am 29.08.2021:
Ich selbst habe zu meinem Berufseinstieg von 2010-2014 als SAP Berater für einen großen Dienstleister gearbeitet und bin auch in Kontakt mit einigen Freiberuflern gekommen - selbstständig habe ich allerdings nie gearbeitet. Nach 2014 habe ich mich zum Entwickler weitergebildet und bin auf eine andere technologische Basis umgesattelt.
Mich würde interessieren, ob diejenigen, die hier an einer Selbstständigkeit im SAP Bereich interessiert sind schon mal als SAP Berater gearbeitet haben oder noch relativ grün ihre grundlegende Karriereplanung machen.
SAP ist eine recht "spezielle" Branche, in der nach meinen Erfahrungen irgendwo in den 2000ern die Uhren aufgehört haben zu ticken.
Das Produkt mit seinen Modulen ist ziemlich starr und inkonsistent aufgebaut und erinnert an eine Abrechnungssoftware aus den 80ern. Das muss man mögen und entsprechend schmerzfrei bei der Qualität der Arbeitswerkzeuge sein.
Wie ein Vorposter schon beschrieben hat muss man, um als freiberuflicher SAPler erfolgreich zu sein einen entsprechend großen Erfahrungsschatz und - noch wichtiger - das entsprechende Netzwerk besitzen. Ist das der Fall kann man tatsächlich sehr erfolgreich sein und viel Geld machen.
Zum Thema Scheinselbstständigkeit: Das ist tatsächlich für viele Freelancer ein Problem. Wichtig ist es hier, eine gewisse Fluktuation bei den Kunden zu haben, um erst gar keinen Verdacht zu erwecken. 5 Jahre in einem Projekt ist somit kaum möglich. Meist seid ihr als Freelancer eh nicht direkt von dem leihenden Konzern beauftragt, sondern habt 1-x Vermittlungsfirmen dazwischen sitzen, die a) eure Marge schmälern und b) ein Auge darauf haben, dass es erst gar nicht zu Problemen zu Scheinselbstständigkeit kommt. Im Zweifel wird dann rigoros der Beauftragung der Stecker gezogen.
Rechnet bei SAP auch mit enormen Kosten für Zertifizierungen und Weiterbildungen, die im SAP Umfeld noch sehr beliebt sind und die sich die SAP fürstlich entlohnen lässt. Zudem ist die ganze Branche vom Mindset her sehr oldschool unterwegs. Rechnet nicht damit, dass "Home Office" irgendwem nach Corona noch ein Begriff ist, sondern dass ihr brav Mo-Do vor Ort beim Kunden antanzen und im Hotel schlafen dürft.
Wenn man das richtige Mindset hat und die ziemlich spezielle SAP-Welt einen liegt kann man da sicherlich erfolgreich sein. Mein Tipp für alle die es interessiert: Macht erst mal ein paar Jahre SAP Beratung bei einem Dienstleister und sammelt Erfahrungen - vorher nimmt euch als Freelancer eh niemand ernst. Wenn euch das Umfeld liegt kann man immer noch weiter sehen.
Ich habe mich nach 20 Jahren Beratungstätigkeit selbständig gemacht und konnte glücklicherweise mit einer guten Auslastung durchstarten.
Eine vorsichtige Kalkulation würde ich wie folgt aufbauen:
180 Tage á 720,00 EUR = 129.600 EUR/Jahr (entspricht 68,96 fakturierbarer Zeit)
Abzug 20% für Betriebskosten 25.920 EUR/Jahr
103.680 EUR Gewinn im Jahr.
Einkommensteuer 33.585 EUR/Jahr (Steuerklasse 1)
Korrektur Einkommensteuer um anrechenbare Gewerbesteuer 10.946-
Gewerbesteuer 13865,50
Gesamt Steuern = 36504,50
Verbleibendes Netto:
Gewinn 103.680,00
Abzug Steuern 36504,50
Nettoeinkommen Jahr = 67.175,50
Netto Monat 5.597,95
Von diesem Betrag muss dann noch Altersvorsorge betrieben werden.
Hierfür sollte angesetzt werden:
103.680,00 * 19,6% / 12 = 1.693,44
Kranken-/Pflegeversicherung ca. 900,00 EUR/Monat
Verbleibendes verfügbares Netto 3.004,51 EUR
Niemand wird durch ehrliche Arbeit reich, aber man kann davon leben.
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