Die Globalisierung ist schon ein guter Ansatzpunkt. Natürlich tretten wir, als Akademiker oder zukünftige Akademiker, nicht in den Wettbewerb mit über einer Mrd. Chinesen, wohl aber mit hunderttausenden chinesischen Hochschulabsolventen, welche auch nicht weniger als wir können - evtl. aber auch deutlich mehr.
Nach dem Krieg gab es in Deutschland Jobs auf allen Ebenen. Hilfsarbeitertätigkeiten und viele manuelle Arbeiten, z.B. bei der Herstellung von Textilien, wurden ebenso von Deutschen verrichtet, wie natürlich vorwiegend Deutsche an den dt. Unis studiert haben und in Unternehmen Karrieren gemacht haben. Die Gehälter in der Wirtschaft waren noch nicht so weit entfernt von der Wissenschaft und der öffentlichen Verwaltung, so dass Eliten sich auch in Wissenschaft, Politik und Verwaltung gefunden haben.
(Man schaue sich nur mal die Politikergeneration von damals an: Juristen, Volkswirte und einige andere Akademiker - die folgende Politikergeneration besteht hauptsächlich aus Politikwissenschaftlern (siehe aktuelle Spitzenpositionen in den Jugendverbänden), welche fachlich gar nichts beiträgen könnten und eigentlich an die Uni gehören).
Heutzutage sind Jobs am unteren Ende allerdings rar. Die sehr einfachen Tätigkeiten, wofür man früher nichtmal schreiben, lesen oder rechnen musste, sind aus dem Land verschwunden. Wer früher gerade noch für eine Hilfsarbeitertätigkeit qualifiziert war - dem bleibt heute nur noch Hartz IV.
Ebenso ist die Luft an der Spitze dünner geworden. Das Management wird kleiner, dafür steigen die Bezüge relativ gesehen auf ein völlig anderes Niveau. Auch wird die Konkurrenz international. Damit meine ich auch, dass aus der ganzen Welt Studenten an dt. Unis kommen und schließlich auch Positionen im UB oder IB bekommen. Wer sich mal an manchen Unis in die Finanzvorlesungen der höheren Semester setzt, der wird auf weniger Deutsche treffen, als er vllt. vermutet.
Auch ändern sich die Voraussetzung für guten Jobs vollkommen. Auslandsaufenthalte, Fremdsprachen, ein sehr gutes Diplom, profundes Fachwissen und die Bereitschaft, sein Leben komplett für die Arbeit zu opfern, sind Grundvoraussetzungen um heute Karriere zu machen. Und es gibt genug Absolventen, welche diese Grundvoraussetzungen mitbringen. Also spielt man das Spiel nach den vorgegbenen Regeln oder steigt aus (= Willkommen in der Mittelmäßigkeit).
Kurze Zusammenfassung: Die Jobs unten sind weg - die Jobs oben werden rarer, umkämpfter und der Anspruch steigt. Was bleibt? Die große Mitte. Aber eben genau deswegen implodiert auch die mittlere soziale Klasse: Es gibt hier nicht genug Platz und wer früher als Hilfsarbeiter immerhin noch einen Job hatte, der wird diese heutzutage nicht mehr finden.
Was bleibt einem als Absolvent übrig? Entweder, man opfert sein Leben für einen Job "da oben" oder man versucht es, in der Mitte. Das Problem ist nur, dass auch die Mitte umkämpft ist, so dass man auch hier keinen ruhigen Job finden wird. Trotzdem werden das viele noch besser finden als 70-90h bei UB/IB.
Letztendlich gilt aber für jeden: Das Hamsterrad dreht sich weit. Man muss auch ganz klar sagen: Nie waren die Möglichkeiten, sozial aufzusteigen so sicher. Wer in diesem Hamsterrad ein bisschen schneller läuft, seine Auslandsaufenthalte macht, sein sehr gutes Diplom schreibt und diese 70-90h Wochen durchhält, der steigt auch auf. Doch es möchten nur Wenige.
Systemhass? Auf keinen Fall. Die Entbehrungen, welche das Arbeitsleben mit sich bringt werden durch die wirtschaftlichen Vorteile mehr als kompensiert. Auch gibt es wohl keine Alternative. Staatswirtschaft war noch nie erfolgreich. In der DDR wartete man 10 Jahre auf einen technisch rückständigen Trabanten und trotzdem war der Staat anno 1990 bankrott. Die Folgen der Staatswirtschaft sieht man noch heute. Auch bedingen wirtschaftliche und bürgerliche Freiheit einander und niemals würde ich die Errungenschaften des Liberalismus für irgend ein wirtschaftliches System aufopfern. Man sollte auch nicht vergessen, dass die gelebte 40h-Woche nur in einem sehr kurzen Zeitabschnitt unserer Geschichte Realität war. Noch zur Zeit des dt. Wirtschaftswunders gab es offiziell die 48h-Woche.
Und im Endeffekt weiß ich auch: I am free to choose. Wenn ich mein Leben für viel Geld aufgeben will, dann kann ich das machen. Wenn ich es mir irgendwo in der upper middle class gemütlich machen will, dann kann ich das machen. Und wenn ich die Konsummöglichkeiten des Sozialismus haben will, dann beantrage ich Hartz 4 und muss im Gegensatz zum Sozialismus nicht mal dafür arbeiten.
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