"Im Einkauf Ingenieure ganz oben" - !?
Kann ich überhaupt nicht bestätigen. Die Frage ist natürlich, WAS man einkauft. Der einmalige Einkauf einer komplizierten technischen Anlage zur Herstellung einer Chemikalie wird sicherlich hauptsächlich von Wissenschaftlern mit kaufmännischem Zusatzwissen organisiert. Der Abschluss von Lieferverträgen in der Großindustrie für ein standardisiertes Produkt hingegen ist ein kaufmännisches Geschäft, bei dem Ingenieurswissen lediglich als nettes Sahnehäubchen gilt.
Was der Einkauf genau macht und wie er arbeitet, hängt sehr stark von der Organisationsstruktur ab. Wenn Einkauf nur Rechnungsprüfung, Zahlungsanweisung und Bestellabwicklung heisst, ist das nichts weiter als Buchhaltung. In einem vernünftig aufgestellten Unternehmen hat der Einkauf die Aufgaben Lieferantenauswahl, Preisverhandlung, Vertragsabschluss, Risikomanagement, Finanzreporting, Lieferantenentwicklung, Projektmanagement. Das sind allesamt Funktionen mit einem hohen Anteil an Finanzthemen. Man sollte im Vorstellungsgespräch herausfinden, welche Aufgaben der Einkauf hat und welche nicht. Jede Firma ist da verschieden.
Im Moment würde ich sagen, dass ich ca. 50% meines Alltags vor dem Excel verbringe, um Preise zu vergleichen, langfristige Verträge zu bewerten und wirtschaftliche Entscheidungen zu begründen. Finanzthemen pur. Die technische Bewertung hat dabei längst jemand anders für mich vorgenommen.
Den Hauptunterschied zwischen Einkauf und Finanzen sehe ich darin, dass der Einkauf eine nach außen gerichtete Funktion in der Hauptwertschöpfungskette ist, während die Finanzen eine nach außen und innen gerichtete Funktion der Aufbauorganisation ist. Also: Im Einkauf darfst Du das Unternehmen nach außen vertreten, mit externen Partnern verhandeln und direkt am Produkt mitarbeiten. Im Finanzbereich verbringst Du viel Zeit mit der internen Datensammlung, -auswertung, -aufbereitung und -präsentation.
Ein weiterer Unterschied ist, dass der Einkauf mit sehr vielen Bereichen der Hauptwertschöpfungskette zu tun hat (Manufacturing, Engineering, Controlling, Accounting, Logistics), so dass man nach einiger Zeit ein weites Netzwerk über das gesamte Unternehmen aufbaut und Erfahrung im Kernprozess des Unternehmens sammelt. Man selbst steckt ja mitten drin.
Übrigens: Aus beiden Funktionen kannst Du gut in die jeweils andere wechseln. Wer im Einkauf anfängt, kann gut in die Finanzen wechseln (und umgekehrt). Eine endgültige Entscheidung zwischen diesen beiden Aufgaben musst Du also noch gar nicht treffen.
Die Karrierechancen hängen stark von Dir selbst ab. Wenn Du analytisch und kommunikativ bist und zudem gut verhandeln kannst, kannst Du im Einkauf sehr weit kommen und Dir einen guten Namen machen.
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