Wie schön, ein weiterer Thread zum Thema Berufs- und (darauf aufbauend) Lebensunzufriedenheit. Diesen Thread können wir direkt zusammenlegen mit dem Thread "Abermals Berufseinstieg: Grundsatzfragen", denn es geht dort um dieselbe Sache. Der eine stellt die Fragen vor dem Berufseinstieg, die andere erst danach. Der Tenor dieser Threads: Ich erwarte von meinem Beruf den totalen Begeisterungskick ohne eigenes Zutun, dieser will sich aber leider nicht einstellen. Stattdessen ist das Berufsleben so grau wie das übrige Leben drumherum. Welch eine Enttäuschung. Es findet sich immer irgend ein Haar in der Suppe, verdammt.
Ein paar Gedanken dazu:
Mit der Suche nach einem sicheren Einkommen und einer guten Perspektive hat die TE die Maslowpyramide von unten erklommen. Hat nun einen Job gefunden und stellt fest, dass sie tatsächlich nur das gefunden hat, was er gesucht hat - einen Job. Dies kann das Resultat einer völlig falschen beruflichen Planung sein, muss es aber nicht. Scheinbar war das Kriterium bisher nur, dass irgendwie Geld verdient werden sollte, und das ist nun erreicht. Was spricht dagegen, das erstmal als Erfolg zu verbuchen? Mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag bei einem großen Unternehmen hast Du etwas, was viele andere nicht haben. Und Du verdienst bereits mehr als der durchschnittliche Arbeitnehmer in Deutschland.
"Nicht alles im Leben ist planbar und nicht jede vorher bewusst getroffene Entscheidung muss sich später auch als die Richtige herausstellen."
Nach einem Monat (!) in einem Beruf stellt sich erstmal gar nichts heraus. Dass man beruflich auf dem falschen Weg ist, kann man frühestens nach 1-2 Jahren feststellen. Alles andere sind Anfangsschwierigkeiten. Bei der TE scheinen sich ja bereits negative Erinnerungen an die Praktika aufzuaddieren, aber das ist mit Berufserfahrung nicht gleichzusetzen. Man kann doch wohl erwarten, dass jemand eine berufliche Tätigkeit für 1-2 Jahre durchhält, bevor er an seinem Lebensentwurf zweifelt.
"Überlege nun alles hinzuschmeißen, und ganz was Anderes zu machen. Dachte sogar schon an Stewardess - kein Spaß! Karriere interessiert mich nicht, ich will einfach nur einen Job, der mir Spaß macht."
Du stellst dir selbst eine Falle. Der Faktor "Spaß" mag im Moment im Vordergrund stehen, aber das Leben ist dynamisch. In zwei Jahren könnte es zeitliche Flexibilität sein, zwei Jahre später dann die Arbeitsplatzsicherheit, zwei Jahre später dann die finanziellen Möglichkeiten, zwei Jahre später dann das Überleben des Arbeitgebers in einer Krise. Du kannst dich nicht in kurzen Abständen von Beruf zu Beruf hangeln, um das jeweils vorherrschende Kriterium auszureizen.
"hier die TE: habe das Studium wohl aus den falschen Gründen gewählt: breitgefächertes Einsatzgebiet, Verdienstmöglichkeiten, ect..."
Weshalb sollten das die falschen Gründe sein? So manch einer wünscht sich rückwirkend, auf diese Kriterien geachtet zu haben. Du hast allerdings den Fehler gemacht, zu diesen Gründen nicht noch weitere Kriterien hinzuzufügen. Du bist nun in der Ecke der Brotgelehrten gelandet.
"Was mich ankotzt: einfach die Thematik, ich finde es super langweilig und sinnlos was man im Audit, Tax, Finance oder auch Marketing macht."
"Sinnlos"? Das kann doch nicht Dein Ernst sein. Diese Tätigkeiten sind durchaus "sinnvoll" für den Erfolg eines Unternehmens. Auf einem anderen Blatt steht, ob Du in diesen Aufgaben Deine ganz persönliche Erfüllung siehst. Dann könnte es aber sein, dass Wirtschaftsbetriebe insgesamt nicht der richtige Ort für Dich sind.
"Dann diese Anwesenheitsmentalität, die Bürokratie, das "nur am Schreibtisch" sitzen, die übermotivierten, unreflektierten Kollegen,..."
Dies ist eine andere Dimension, die Dir auch in sehr "sinnvollen" Berufen begegnen kann.
"Die Themenbereiche, die mich grob interessieren würden: Essen/Lebensmittel (ich liebe es zu kochen und neue Gerichte zu kreieren aber das fällt wohl eher in die Kategorie Hobby), Immobilien, Personalberatung, Medizin"
Das ist wiederum eine dritte Dimension. Auch in einer Immobilienfirma oder bei einer Essen-und-Trinken-Zeitung kann es Finanzen/Marketing sowie ein Büro mit unmotivierten Kollegen geben.
Meiner Ansicht nach fokussierst Du dich sehr stark auf die "Haare in der Suppe", die Dir jeweils nicht gefallen. So wird das langfristig nichts werden. Deine Motivation kann nicht einzig in der Vermeidung von Übel liegen, denn die Berufe sind immer nur Kompromisse (siehe der "Grundsatzfragen"-Thread) und jeder Beruf hat seine Lasten zu tragen. Du hangelst dich dann nur von einer Übelvermeidung zur nächsten. Du brauchst Erfahrungen, in denen Dir ein Hauch von innerer Erfüllung erschienen ist, und sei sie auch noch so banal. Gab es denn keine Schulfächer, in denen Du Freude hattest?
Trotzdem wirst Du in jedem Beruf die Tugend benötigen, die man früher Durchhaltevermögen nannte. Schau dir mal die anderen Beiträge an:
"Habe vor kurzem den Arbeitgeber gewechselt und mir geht's genauso."
"Ich erlebe gerade dasselbe, wobei ich schon seit über einem Jahr in der Beratung arbeite."
"Das gleiche denke ich mir auch, aber schon seit vielen Jahren. Mich stört es, dass alles so sinnlos ist, im Grunde ist man nur ein ganz kleines Rädchen im System und sorgt dafür, dass die Bosse noch mehr Geld scheffeln."
Da wundere ich mich doch sehr. Schon seit über einem Jahr Berater und noch nicht befördert? Skandalös. Sofort umschulen zum Zoowärter (was mit Tieren), Altenpfleger (was mit Menschen) oder Filmvorführer (was mit Medien). Wenn man hingegen "nach vielen Jahren" noch immer im ungeliebten System hängt, dann wäre es mal an der Zeit für ein "love it or leave it". Weshalb fehlt die Energie, so einen schmerzlichen Schritt zu gehen?
Ich glaube, dass auch schon die vorherigen Generationen nach einer inneren Erfüllung aus der beruflichen Tätigkeit gesucht haben. Sie waren dabei nur beiweitem nicht so ungeduldig mit sich selbst und hatten auch weniger Auswahl, da ihnen viele Wege von vornherein nicht offen standen. Insofern muss man die heutige Generation auch mal wohlwollend in Schutz nehmen. Die Geduld vorheriger Generationen allerdings würde man einem heute helfen, nicht überstürzt ständig die Berufe wechseln zu wollen.
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