Unzufrieden mit Job in Versicherung (ID)
Hallo zusammen,
ich wende mich heute an euch und würde gerne eine Einschätzung meiner Situation haben, da ich jobmäßig zur Zeit sehr unzufrieden bin.
Bin 29 Jahre und habe Mathematik (M.Sc.) studiert. Das Fach hat mich schon immer begeistert und daher war das Studium insgesamt eine tolle Zeit für mich. Das Studium habe ich mit ?sehr gut? innerhalb der Regelstudienzeit (bzw. 11 Semester, da ich ein Auslandssemster gemacht habe) abgeschlossen. Nach dem Studium bin ich bei einem Start-Up als Software-Entwickler und IT-Berater eingestiegen. Das Jahresbruttogehalt war 40k EUR bei einer Arbeitszeit von ca. 45 Std. pro Woche, in heißen Projektphasen auch deutlich mehr. Hinzu kam dann noch die Reisezeit. Im Arbeitsvertrag wurde ?Vertrauensarbeitszeit? vereinbart, so dass keine Überstunden erfasst wurden. Ich war neu und hatte wenig Ahnung vom Business; auch in der Programmierung war ich kein Profi. Die Arbeitssituation empfand ich immer als belastend, da ein hoher Druck ausgeübt wurde. In dem Projekt wurde ein Teil eines Bestandsführungssystems für einen Versicherungskonzern umgesetzt? jedenfalls fachlich sehr anspruchsvoll und von der Programmierung her natürlich auch. Umgesetzt wurde das ganze nach der SCRUM-Methode. Die Kollegen waren sehr nett (fast alle waren männlich), es gab flache Hierarchien und alle waren per Du. Mein ?Chef? (der sich aber gar nicht als Chef sah), war ein richtiges Arbeitstier und hatte unglaublich viel auf dem Kasten! Nach fünf Monaten habe ich dort gekündigt, um mir was Anderes zu suchen, da ich das nicht auf Dauer machen wollte.
Gelandet bin ich nun bei einer großen Versicherung im Innendienst im ?Produktmanagement? einer bestimmten Sparte, wo ich nun seit über 2 Jahren arbeite.
Anfangs habe ich mich super gefreut über das Angebot wegen dem höheren Gehalt (52k EUR exkl. Bonus), Gleitzeit mit Überstundenabbau, 30 Urlaubstage, Kantine und den sonstigen Vorteilen. Dennoch bin ich nicht wirklich glücklich mit dem Job. Es geht um die Entwicklung und Pflege der angebotenen Produkte bzw. Tarife, Erstellung von Bestands- und Schadenanalysen mit SAS und Excel, Erstellung diverser anderer Statistiken und Auswertungen, Schreiben von Entscheidungsvorlagen an die Bereichsleitung oder Vorstand etc.. Das hört sich aber interessanter an als es in Wirklichkeit ist :-) Die meisten Aufgaben sind monoton. Unter meinen Kollegen sind auch Wirtschaftswissenschaftler und nicht nur Mathematiker. Manchmal denke ich mir, dass ein Studium für den Job gar nicht notwendig wäre, da man mit den Grundrechenarten alleine ganz gut zurecht kommt.^^
Was mir sofort aufgefallen ist: Das Unternehmen ist sehr hierarchisch gegliedert. Es gibt unzählige Gruppen und Abteilungen und Bereiche, von Sachbearbeiter (wie mich) über Gruppenleiter, Abteilungsleiter, Bereichsleiter und Vorstand. Dass das in einem Konzernen ganz normal ist, ist mir klar... es ist halt ein krasser Unterschied im Vergleich zum Start-Up. Am meisten stört mich aber meine Vorgesetzte. Sie ist Gruppenleiterin, Anfang 30, und extrem zickig! Man kann nicht normal mit ihr reden, weil sie wegen jeder Kleinigkeit total ausrastet und so laut schreit, dass es sogar die Wirtschaftsprüfer, die am Ende des Ganges sind, auch noch mitbekommen (die werden sich was denken). Oft rastet sie aus, weil sie von bestimmten, eher unwichtigen Dingen nicht vorher in Kenntnis gesetzt wurde. Sobald etwas nicht so läuft wie immer oder so wie sie es sich vorstellt, geht sie an die Decke. Sie ist absolut keine Führungspersönlichkeit! Ich habe das Thema mal am Mittagstisch angesprochen, aber dann war plötzlich bei den Kollegen großes Schweigen angesagt. Keiner wollte dazu etwas sagen. Im Nachhinein habe ich dann erfahren, dass andere Kollegen ebenfalls Probleme mit ihr haben. Fachlich hat sie auch oft wenig Ahnung von den Dingen, so dass sie uns bei fachlichen Fragen meistens nicht weiterhelfen kann. Aber sie regt sich gerne darüber auf, wenn in einem Satz ein Komma fehlt. Sie führt lange Privatgespräche am Telefon während der Arbeitszeit, lästert über andere Kollegen oder gar ganze Gruppen, buckelt nach oben und tritt nach unten, ist extrem egozentrisch und zickig. Außerdem achtet sie immer darauf, WIE man etwas sagt; sie will immer perfekt ausformulierte ganze Sätze hören etc.
Im Mitarbeitergespräch hat sie mich schlecht bewertet und irgendwelche an den Haaren herbeigezogenen Dinge über mich behauptet, woraufhin meine Motivation natürlich total in den Keller ging. Ich kann verstehen, dass manche Kollegen nur noch ?Dienst nach Vorschrift? machen.
Ein Gespräch mit ihr zu führen, ist sehr nervenaufreibend, da sie sofort auf die emotionale Ebene wechselt und nie sachlich über etwas diskutieren kann. Es ist für sie sehr wichtig, was andere, vor allem die Leute über ihr, denken. Daher hat sie auch keine eigene Meinung. Findet ihr das ?normal? oder kennt ihr so ein Verhalten auch von euren Vorgesetzten? Liegt es evtl. auch daran, dass es eben ein Versicherungskonzern ist und es dort anders zugeht? Bin irgendwie mit der Situation sehr unzufrieden und überfordert. Es ist einfach ein zwischenmenschliches Problem, das sich wohl nicht so einfach aus der Welt schaffen lässt. Soll ich vielleicht direkt mit der Abteilungsleitung darüber sprechen?
Ich frage mich, wie es mit mir persönlich weitergehen soll, da ich die Befürchtung habe, zum System-Lemming zu werden, der einfach nur Befehle ausführt, keine Kreativität hat und genau so spießig und borniert wird. Ich dachte, als Mathematiker würde ich interessante Probleme lösen, Verantwortung tragen und ein Stück weit eigenständig handeln. Leider ist die Realität, zumindest bei diesem Versicherungskonzern, völlig anders.
Würde gerne eure Meinung dazu hören. Wenn ich mir einen neuen Job suche, was sollte ich am besten als Grund für den Wechsel angeben? Welche Branche würdet ihr mir empfehlen?
Danke!
Viele Grüße
luc-29