WiWi Gast schrieb am 27.11.2020:
Also ich bin Mitte 30 und kurz vor Ende meines BWL-Masters. Werde wohl mit sehr gut beenden, wie schon im Bachelor. Bin, glaube ich, aktuell im 23. Studiensemester. Mein CV ist wohl der Sicht einiger Leute etwas "durcheinander". Dieses ganze hinter Credits herjagen, Regelstudienzeit einhalten und das alles, was sich viele antun, war nie, was ich wollte. Es gibt auch sehr viele gut verfasste Artikel zu finden, die sich mit dem ganzen Irrsinn, den sich viele Studenten und auch Arbeitgeber antun. Sollten einige hier besser auch mal lesen. Aber dennoch hat es sich ergeben, dass ich ein paar sehr gute und auch außergewöhnlich seltene Kompetenzen zu bieten habe. Trotzdem muss ich davon ausgehen, dass ich es schwer haben werde, in die Berufswelt einzusteigen. Aktuell habe ich von 35 Bewerbungen 31 Absagen. Lediglich zwei Telefoninterviews waren dabei. Alles andere war immer eine direkte Absage per Email.
Ich habe es eben schwer, weil ich nicht die Erwartungen an manche Kriterien erfülle. Aber vielleicht sollten die Arbeitgeber auch mal ihre Kriterien und Annahmen hinterfragen.
Eine Dame hat eben geschrieben, dass jemand für den Arbeitgeber zunehmend unattraktiver wird, je länger er arbeitslos ist. Dies war mir nicht neu, nur frage ich mich, warum ist das so? Welche Annahmen macht denn der Arbeitgeber, dass jemand unattraktiver für ihn wird? Allgemein wird wohl unterstellt, er hätte wohl alles verlernt oder hätte sich an eine andere Lebensweise gewöhnt und könnte nicht mehr zurück. So was oder so ähnlich werden die Annahmen sein. Aber ist das wirklich so? Ich glaube nicht. Diese Annahmen sind Schubladendenken, das sich Menschen im Laufe der Zeit aneignen und bei ihren Bewertungen davon ausgehen. Auch jemand, der drei Jahre arbeitslos war, kann genau so beruflich einsteigen mit Erfolg wie alle anderen auch.
Auch das Thema Noten gehört dazu. Hier tun viele so als würden diese wirklich etwas aussagen, das genau zu erfassen ist. Ich hatte schon immer sehr gute Noten. Insbesondere im Studium wurde mir deutlich, dass viele, die wirklich etwas können, trotzdem schlechte Noten schreiben und nicht jeder, der gute Noten hat, kann auch was. Trotzdem tun viele so als würden Noten nur aussagen, dass jemand es nicht verstanden hat. Und auch viele Arbeitgeber/Personaler tun so, doch sollten die es nicht besser wissen, denn die hatten doch selbst mal studiert und (hoffentlich) andere Studenten kennengelernt.
Die Leute nehmen sich keine Zeit, mal ihre Annahmen zu reflektieren. Aber mir ist es egal, wenn ich keinen Job bekommen werde. Ich mache mir keinen Stress, werde auch nicht verhungern. Habe auch bereits eine Selbstständige Tätigkeit vorzuweisen und habe Pläne, wie ich das ganze erweitern kann. Ich brauche mich vor keinem Personaler oder so zu verbiegen, nur um einen Job zu bekommen.
Der Punkt ist eben, dass wir einen Arbeitsmarkt haben, der mit Absolventen überschwemmt ist und die Arbeitgeber diejenigen sind, die die Kriterien bestimmen, zu denen sie einstellen. Gerade, wenn man so viele Bewerbungen bekommt, braucht man objektive Kritieren und objektiv messbar sind nun einmal: Noten, Studiendauer, Alter und Anzahl der Praktika. Subjektiver wird es dann im Gespräch. Deswegen wird vorsortiert. Da muss niemand "reflektieren".
Außerdem sind die Unternehmen mit ihrem Kurs erfolgreich und der Bewerber eben nicht. Wer hat Recht? Da kannst du natürlich darüber jammern, aber es ändert nichts.
Auch die ewigen Bemerkungen, dass in einem Absolventen mit schlechten Noten, immer ein Genie stecken, helfen da nichts, denn zu 99% steckt hinter eniem Absolventen mit schlechten Noten ein Absolvent mit schlechten Noten, denn einfacher als heute war es noch nie, gute Noten in einem Studium zu erhalten. Man braucht nur ein wenig Fleiß um im Durchschnitt von ca. 2,3 zu landen, keine Intelligenz. Wenn man aber nicht einmal im Studium halbwegs fleißig ist, warum sollte man dann als Arbeitgeber davon ausgehen, dass der Kandidat es im Beruf sein wird? Der größte Teil der Stellen sind Routinestellen und da hole ich mir ein Faultier rein?
Gleiches Spiel bei dem Verlernen. Als Absolvent kannst du praktisch nichts. Wenn du dann auch noch jahrelang den Einstieg nicht packst, dann nehme ich lieber Leute, bei denen der letzte theoretische Leistungsnachweis zeitnah ist. Ist doch logisch, oder?
Natürlich wünsche ich dir einen erfolgreichen Jobeinstieg, aber mit 23 Semestern und Mitte 30 wird das eine interessante Erfahrung werden.
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