Ein sehr interessantes Thema.
Vorab einige Argumente zur Situation des Threaderstellers:
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Eine Karriere ist niemals "verbaut". Wenn Du ein gutes Netzwerk hast, einen sehr guten Job machst und/oder zur richtigen Zeit am richtigen Ort bist, dann kommst Du auch aus einer "verbauten" Situation wieder heraus und kannst dich in Deinen Wunschbereich entwickeln.
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Eine Jobentscheidung ist immer ein Risiko. Mit jeder Entscheidung für einen Weg entscheidest Du dich gegen eine Vielzahl von anderen Wegen. Eine Garantiekarriere gibt es nicht. Man kann auf vielen Wegen Erfolg, aber auch Misserfolg haben. Du solltest eine Entscheidung nicht an den Wegen messen, gegen die Du dich damit entscheidest. Es wird immer so aussehen, als wäre es schade um sie.
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Du lebst nur ein Leben und kannst es nicht zweimal leben, um hinterher den Erfolg der einzelnen Wege zu vergleichen.
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Das Leben besteht aus strategischen Weichenstellungen und taktischen Schritten. Du kannst strategisch gute Entscheidungen treffen (gute Uni, gutes Fach, gute Schwerpunkte, guter Arbeitgeber...), aber taktisch daneben greifen (Klausuren vermasselt, Job vermasselt, Chef verärgert...). Genauso kannst Du strategisch falsch liegen (nicht studiert, falschen Beruf ergriffen, wirtschaftlich schwache Region erwischt...), aber taktisch gut sein (hochgearbeitet, guter Draht zum Bürgermeister, Auftrag für Dachsanierung des Rathauses an Land gezogen). Am Ende ist der Stratege vielleicht ein kleines Licht im Konzern und der Taktiker hat einen gut laufenden Handwerksbetrieb mit 20 Angestellten. Wer hat es nun besser? --> Vergiss vor lauter Strategie die Taktik nicht.
- Es gibt Statistiken, aber hinter den Statistiken stecken Einzelschicksale. Es mag sein, dass ein bestimmter Berufsweg statistisch gesehen häufiger zu einem bestimmten Ergebnis führt als ein anderer, aber das nützt Dir nichts. Studierte werden häufiger Chef als Unstudierte, aber sollte das einen Unstudierten davon abhalten, Chef werden zu wollen? Du kannst ungewöhnliche Wege gehen, wenn Du nur willst.
Nun zur konkreten Frage: "...wie es um die Chancen steht, nach 3-5 Jahren im Controlling eines kleinen Unternehmens (weit unter 100 Mitarbeiter), in ein großes Unternehmen ins Controlling zu wechseln und dann "echte" Karriereperspektiven zu haben?"
Perspektiven hast Du in beiden Fällen, wenn Du gut bist. In Konzernen steigt nicht jeder automatisch auf. Es gibt viele Menschen, die nicht aufsteigen. Die erforderlichen Fähigkeiten für einen Aufstieg sind im Konzern und im Mittelstand verschieden (auch wenn es Gemeinsamkeiten gibt).
Im Konzern beschäftigst Du dich nicht nur mit dem eigentlichen operativen Problem, sondern auch mit der Konzernumwelt:
- Bin ich überhaupt zuständig für das, was ich da tue?
- Gibt es einen Standard, an den ich mich halten muss? Wenn ja, wer hat die Hoheit über den Standard?
- Aus welchen IT-Systemen hole ich meine Daten und wie besorge ich Daten, die fehlen? Mit wem sollte ich sprechen, bevor ich diese Daten verwende?
- Welche Bereiche sollten informiert sein über das, was ich da tue? In welcher Form werden sie informiert? Holschuld oder Bringschuld?
- Wie wirkt sich die Umstrukturierung des Bereichs xyz auf den Ansatz aus, den ich gerade verfolge?
- Wer darf am Ende entscheiden, ob meine Arbeit erfolgreich erledigt wurde, und nach welchen Kriterien wird er entscheiden?
Wenn Dir solche Fragestellungen zuwider sind, dann mache einen Bogen um den Großkonzern. Großkonzerne übernehmen selten (aber nicht "niemals") Mitarbeiter aus kleinen Unternehmen, weil diese entweder von vornherein keine Lust hatten auf die Konzerndenke (und deshalb in den Mittelstand sind) oder sich in den ersten Berufsjahren derart viele Entscheidungsfreiheiten angewöhnt haben, dass sie für den Konzern verdorben sind.
Ich persönlich mag den Großkonzern, da ich in ihm nicht nur einfach Arbeit erledige, sondern auch viel Zeit in die dahinter liegenden Prozesse, Systeme, Regeln, Strukturen etc. investiere, wodurch das Arbeiten eine ganz andere akademische Tiefe bekommt. Da große Summen bewegt werden, lohnen sich diese Überlegungen auch.
Mein Rat an den Threadersteller: Entscheide dich zwischen groß oder klein. Ein späterer Wechsel von klein nach groß ist statistisch unwahrscheinlich, aber keineswegs unmöglich. Vor allem würde ich mich fragen: Wenn Du in den Großkonzern willst, warum nicht direkt dort einsteigen? Der "Umweg" erscheint mir nicht plausibel, denn die Arbeit ist eine ganz andere.
"Berufserfahrung wird immer honoriert."
Ja, aber Berufserfahrene stellen auch andere Ansprüche an die inhaltliche und finanzielle Seite eines Jobs und erwarten andere Perspektiven. Der Berufserfahrene steht deshalb nicht in Konkurrenz zu einem Einsteiger, sondern zu den anderen Berufserfahrenen. Oder würdest Du dich mit 5 Jahren Berufserfahrung auf eine Anfängerstelle setzen lassen und das dann als "meine Erfahrung wird honoriert" werten?
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