WiWi Gast schrieb am 28.07.2014:
Vielen BWLer in meinem Umfeld wollen einfach nur ihr Einkommen maximieren. Nur wenigen geht es wirklich um die Sache, um das Produkt oder den Beitrag, den die eigene Arbeit zu Gesellschaft leistet. Vielen BWLern ist es komplett gleich, ob sie Controlling für Panzer oder Marzipankartoffeln machen (wer Loriot kennt).
In anderen Disziplinen ist das anders. In VWL spezialisiert man sich ja automatisch auf bestimmte Wirtschaftsbereiche und Berufsfelder. Auch Ingenieure müssen auf Branchen fokussieren, weil die Jobs so gestaltet sind. Damit ist man quasi gezwungen, nach Interesse zu handeln, und an entwas zu arbeiten, was einen nachhaltig interessiert und motiviert, und eben nicht einfach nur Geld zu verdienen.
Ich mache gerade meinen Doktor und denke schon darüber nach, wie es dann weitergeht. Auch in der Wissenschaft ist Interesse entscheidend, da man sonst nicht gut genug ist. Das ist aber auch das was die Leute an dem Job schätzen, dass sie relativ frei forschen können, ihre eigenen Fragen beantworten, und nicht nur die anderer Menschen (korreliert). Für mich ist das nix mein Leben lang, aber einen Job annehmen ohne Interesse nur wegen der Kohle, wie es soviele machen, kann ich mir längst nicht mehr vorstellen. Vielleicht kommt das auch mit den Jahren.
Wie kann es sein, dass WiWis, insb. BWLer so agnostisch ggü. den Inhalten ihrer Tätigkeit sind und einfach nur Kohle machen wollen? Auf mich wirkt das manchmal deprimierend.
(ich greife den Strang einfach nochmal auf, ist ja ein Evergreen)
Gut beobachtet. Ich denke auch, dass genau so viele Probleme unserer modernen Arbeitswelt entstanden sind. Nicht umsonst haben BWLer in allen Branchen, wo sie auftauchen einen schlechten Ruf. Herzlose Zahlenknechte, denen es nie um das Produkt/die Dienstleistung geht, sondern immer nur darum, was am Ende geldmäßig dabei rauskommt. BWLer haben einen "unemotionalen" Blick auf das, was andere kreieren. Gedacht war das wahrscheinlich einst, um die eigentlich Kreativen, also die Ingenieure, Ärzte, Modeschöpfer von allem zu entlasten, was nicht direkt mit dem wertschaffenden Prozess zu tun hat. Die BWLer sind sozusagen die Spezialisten für das lästige Drumherum.
Viele BWLer machen ihren Job ohne sich darüber im Klaren zu sein, welchen Sinn er tatsächlich hat und sind eigentlich in ihrem Beruf falsch ohne es zu wissen. Was ist der Sinn der BWL-Berufe? Es kann ja nicht sein: Ich will die beste XXX-Maschine der Welt konstruieren oder ich will möglichst viele Menschen heilen. Aber was dann?
Ich denke, man muß zwischen den einzelnen Disziplinen unterscheiden.
Kostenrechner/Controller/Buchhalter/Steuerberater müssen eher leicht autistisch veranlagte Ordnungsfanatiker sein, die einfach eine totale Befriedigung daraus ziehen, Dinge zu kategorisieren und nach gewissen Regeln zu ordnen. Da ist das Produkt in der Tat zweitrangig, da geht es drum, dass alles ordentlich dokumentiert und sortiert wird, damit man schnell Informationen über die aktuelle Geldsituation des Unternehmens abrufen kann.
Das ist der Sinn: die perfekte Ordnung (nicht das perfekte Produkt oder irgendwem zu helfen!) Hier muss man nochmal differenzieren: Steuern/Accounting/Buchhaltung sind eher juristische Disziplinen, wo der Sinn der Tätigkeit eigentlich der ist, möglichst gut Daten gemäß gesetzlichen Regelungen zu sortieren und damit indirekt den gesetzlichen Ordnungsrahmen aufrecht zu halten. Controlling/Kostenrechnung sind hingegen Disziplinen, die eigentlich ihren Sinn erst dann haben, wenn die gewonnen Informationen jemandem nahegebracht werden, der Ahnung vom Produkt hat.
Als Vertriebler/Marketingspezialist/Pressesprecher musst man hingegen selber jemand sein, der sich fast so gut mit dem Produkt auskennt,wie der, der es tatsächlich erschafft. Anders kannst du deinen Job nicht sinnvoll ausüben. Es gibt zwar Vertriebler, die ihr Produkt im Prinzip nicht leidenschaftlich lieben, sondern denen es nur darum geht, ihre Kunden abzuzocken, aber das sind meiner Meinung nach eher Trickbetrüger, was ja auch für manche Charaktere ein sinnvoller Beruf zu sein scheint (narzisstisch).
Personaler (im Sinne von Personalentwickler) können ihren Sinn auch unabhängig vom Produkt finden, denn sie können theoretisch selber etwas erschaffen: ähnlich wie Lehrer, können sie die Menschen, die für das Unternehmen arbeiten besser machen (in der Realität haben sie aber leider oft eine andere Funktion).
Sehr sinnvoll sind auch BWLer-Jobs, bei denen es um Prozessoptimierung geht. Denn das hilft ganz direkt denjenigen, die Werte schaffen, ihre Arbeit effizient verrichten zu können. Allerdings muss man für diesen Job dann eigentlich auch schon wieder fast selber Ingenieur usw. sein, um die Prozesse wirklich zu verstehen.
Zusammengefasst: Eigentlich muß man für BWLer-Jobs so ausgebildet sein, dass man das Produkt/die Dienstleistung auch selber herstellen könnte oder zumindest sehr gut die Herstellung nachvollziehen kann. Und man muß das Produkt lieben/sinnvoll finden (was jemand als sinnvolles Produkt erachtet, ist oft sehr subjektiv, aber zumindest sollte das Produkt einen Nutzen haben für den Käufer).
Ausnahme hiervon: BWLer-Jobs im Bereich Controlling/Steuern/Buchhaltung/Accounting/Kostenrechnung und im Bereich Personal.
Noch krasser zusammengefasst: Du solltest nur BWL studieren, wenn Du eine der 3 Fähigkeiten besitzt:
1) du bist in der Lage/hättest Spaß daran, das Produkt, was deine Firma verkauft, selber herzustellen
2) du bist ein autistischer Ordnungsfanatiker, der entweder Zahlen oder Gesetze liebt
3) zu willst das Beste aus Menschen rausholen und sie fördern
Ich weiß, dass ich das alles sehr polarisierend dargestellt habe und viel vereinfacht habe. Aber ich finde die Diskussion interessant und wollte ihr einen neuen Anstoß geben.
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