WiWi Gast schrieb am 24.06.2021:
Interessant, ich nehme an, dass du in einer der Großstädte warst oder? Könntest du noch etwas ausführen was dir am Arbeiten und Leben so missfallen hat?
Zum Arbeiten oder allgemein? Privat dürfte ich mittlerweile fast in jeder größeren japanischen Stadt und an jedem Touriflecken außer auf Shikoku gewesen sein. Ich habe allein zwischen meinem Kindheitsaufenthalt und den 2 Jahren Expat exklusive Auslandssemester noch mal gut 2-3 Jahre an Urlauben in Japan zusammen.
Was mir missfällt, man muss halt sagen ich war bei einem japanischen Traditionsunternehmen nicht bei einer Niederlassung eines ausländischen Konzerns:
- Wetter: die Sommer sind unerträglich in Tokyo, vor allem die Regen Saison da verbringe ich keine Minute im Freien
- Arbeitskultur ist schwierig: Alle sind vor ihrem Vorgesetzten da und gehen erst nach ihm Heim, Arbeiten ansich ist egal Hauptsache anwesend. Entscheidungen werden immer in der großen Gruppe getroffen damit niemand schuld ist
- Alle sassen in einem großen Raum an einem langen Tisch, der Chef vorne am Kopf, daneben der Tisch der nächsten Abteilung der Bereichsleiter an der Wand auf einer kleinen Anhöhe
- man muss extrem gut zwischen den Zeilen lesen können, direkte Ansprache geht gar nicht. Im japanischen sagt man dazu "Luft lesen". Gerade für Deutsche eine 180% Wende
- Es wird erwartet nicht seinen Urlaub zu nehmen, wenn man krank ist gibts kein Geld oder Urlaubstage verwenden
Bei Freunden die direkt in Japan angehört haben kamen dann halt so typische Hinhalte Spielchen dazu. Man kann in Japan auf verschiedene Arten angestellt sein und die meisten fangen als so ein "halber interner" Mitarbeiter an das geht schon mal 5 Jahre. Dann wird der Vertrag aber doch nicht umgewandelt oder bei dem einen Kollegen der war für die Firma dann zwischen drin 1 Jahr in Deutschland. Es war vereinbart für diese 5 Jahre die Wohnung zu bezahlen dann bei Festeinstieg mehr Gehalt. Die 5 Jahre mit der Wohnung da wurde das 1 Jahr Deutschland abgezogen den festen Vertrag sollte es aber erst nach 5 Jahren in Japan geben also 1 Jahr Wohnung selber bezahlen bei niedrigem Gehalten gleich mal eigenen Tausender weniger im Monat ...
Wie gesagt für mich ist Japan das perfekt Urlaubsland. Super zum Einkaufen, super Essen, super sicher, super Service, ich kann Stadt Urlaub mit Luxus Ressort auf Okinawa verbinden und dann noch zum Ski fahren auf Okinawa ... dieser Mega Service etc. kommt aber auch nur daher zustande das sich die Mitarbeiter da richtig aufopfern das nehme ich dann lieber als Ausstehender mit.
Danke für den interessanten Beitrag!
Du hattest geschrieben, dass du Japanologie als nebenfach studiert hast?
Hattest du vor Ort Leute getroffen welche eventuell einen ähnlichen Werdegang haben bzw. in der Finanzindustrie als Banker, Berater, finanbuchhalter etc etc. aber eben auch aus dem Ausland gekommen sind ?
Mich würde sehr interessieren wie Leute aus diesem Sektor den einstieg/transfer geschafft haben, bzw. inwiefern so etwas planbar und realistisch ist.
Danke nochmals für deine Story!
Ich wohne seit 5 Jahren in Tokyo. Hier PhD gemacht und danach bei Big Tech Unternehmen im strategiebreich eingestiegen. Kenne einige Berater, weniger Banker, die hier als Ausländer arbeiten. Die negativen stories hier im thread halte ich für übertrieben. Allerdings arbeite ich auch in einem sehr internationalen Umfeld. Von den Jungs in der Beratung beschwert sich aber auch keiner so richtig. Ich glaube die hier geschilderten horrorstories treffen hauptsächlich auf klassische japanische Großkonzerne zu.
Was allerdings stimmt ist dass du es außerhalb der IT ohne Japanischkenntnisse praktisch vergessen kannst. Natürlich kann man als Expat nach Japan entsand werden ohne Sprachkenntnisse. Das kann man aber in der regel nicht planen.
Hast du denn eine position eingenommen die fluency in jp & eng erwartet ?
Ich habe z.B bei google in Tokyo geschaut, und gemerkt, dass so gut wie alle non-tech engineer Stellenausschreibungen fluency eben erwarten.
Ich versuche einzuschätzen, was das genau bedeutet, grundsätzlich wird ja bei N1 JLPT Level so ziemlich von fluency gesprochen, gleichzeitig habe ich gehört, dass viele Leute sagen, dass es nicht annähernd der Fall ist.
Denkst du man kann mit eben diesen Sprachkenntnissen auf solche Positionen angenommen werden ?
Man muss natürlich bedenken, dass die Konkurrenz wohl hauptsächlich aus Muttersprachler besteht, auch wenn es sich um GOOGLE handelt...
Selbst wenn man genommen wird, kann ich schlecht einschätzen, ob man denn tatsächlich in der Lage ist alle aufgaben auf japanisch ausreichend zu erfüllen.
In meiner position brauche ich zum Glück kein Japanisch. Das ist allerdings eine sehr große Ausnahme. Normalerweise wird business oder native Level verlangt. JLPT N1 zeigt eigentlich nur dass du gut Kanji und Vokabeln gelernt hast. Diese Bescheinigung öffnet dir die Tür zum Interview. Ob du wirklich fließend sprechen kannst stellt sich dann in den Interviews heraus. Oft haben selbst Kandidaten mit JLPT N2 oder N1 extreme Probleme sich fließend zu unterhalten. Das ist eben leider nicht Teil des Tests und wird somit nicht ausreichend geübt. Keine Sorge, die werden dich sicher nicht nehmen wenn dein Japanisch nicht gut genug ist, um die Aufgaben des Jobs problemlos zu meistern. Gerade bei Unternehmen wie Google ist die konkurrenz dafür viel zu groß.
Meine Einschätzung: extern bewerben direkt nach der Uni ohne Sprachkenntnisse: nahezu unmöglich. Mit business Level japanisch aber ohne Visum aus Deutschland heraus ebenfalls schwierig. Schon in japan lebend mit Sprachkenntnissen und Japanischem uniabschluss: gut möglich. Als Expat oder internal transfer rüber: je nach UN ebenfalls möglich. Beispielsweise weiß ich von McKinsey, dass man ab Manager ohne Probleme ins Tokyo Office wechseln kann. Die suchen stark und geben einem dann einfach einen Interpreter an die Hand. Als new hire hingegen wiederum ausgeschlossen.
Hoffe das hilft. Keine ahnung ob du schon ins Arbeitsleben eingetreten bist aber der einfachste und häufigste Weg ist mit sicherheit in Japan in ein englisches Masterprogramm reinzukommen dann parallel 2 Jahre lang jeden Tag Japanisch zu lernen und dann mit JLPTN2 und japanischem Uniabschluss in den lokalen Arbeitsmarkt einzutreten. Nachteil allerdings ist das lächerliche Gehalt für new grads in japanischen Unternehmen und die Arbeitsbedingungen wenn du wirklich ganz unten anfängst. Best of luck!
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