Vieles von dem, was gesagt wurde, würde ich unterstützen. Das grundlegende Unverständnis seitens heutiger Studierender ist aber, dass gesellschaftlich mittlerweile die Vorstellung dominiert, dass ein Studium Wissen vermitteln soll, das für den Beruf gebraucht wird, das also "praxisrelevant" ist.
Das mag für einige Studiengänge auch stimmen. Medizin, vielleicht (!) Jura.
Man stellt sich vor, dass man etwas lernt, das später angewendet wird. Und dass das, was man später macht ohne ein solches Wissen nicht machbar wäre. Und wenn man später nichts von dem gelernten braucht, dann hätte man es auch nicht lernen müssen.
Diese Beschreibung passt auf eine klassische duale Berufsausbildung, wo man im Betrieb lernt. Wenn der Schreinergeselle am Ende seiner Ausbildung sein Wissen im Umgang mit Holz nicht auf das Arbeiten mit Holz anwenden kann - dann war die Ausbildung schlecht oder der Lehrling unfähig (und sollte die Ausbildung eigentlich nicht abschließen können).
Wozu ein Studium eigentlich mal gedacht war und was in den vorangegangenen Beiträgen auch angeklungen ist, ist aber eine gewisse Form des Denkens, Reflektierens und Arbeitens zu fördern und zu bilden. Es geht nicht darum, dass jemand ein Problem zur Lösung gestellt bekommt, man ihm dazu noch den Lösungsweg mindestens skizziert und er DANN sein "Wissen" aus der Uni anwendet, um diesen Weg zu gehen und das Problem zu lösen. Das ist (im übertragenen Sinne gemeint) "Handwerk" und das kann in einer Berufsausbilung oder on the job viel besser gelernt werden.
Worum es geht ist, dass das Problem entweder selbst erkannt wird "hey ich mache hier diese Abläufe seit 2 Jahren und mal im Ernst: Das geht viel effizienter, wenn man das so und so macht. Ich hab mir dazu mal Gedanken gemacht". Oder aber, wie schon beschrieben, dass mein ein Problem kurz skizziert bekommt und dann damit alleine gelassen wird und in der Lage ist das Problem ohne bereits bekannte und im Unternehmen implementierte Standardansätze zu lösen. Und "Problem" kann auch "Ziel" bedeuten. "Wir wollen das und das machen, denken Sie sich mal aus, wie wir das umsetzen können und was wir dafür brauchen".
Ich könnte das noch mit Praxisbeispielen anfüttern, wird mir aber zu lang. Eher will ich auf einen profaneren Teil kommen: Berufserfahrung ist einfach zum Signaling gut geeignet. Den hat schon mal jemand genommen (Auswahlverfahren etc bestanden) und der hat das da auch ein paar Jahre gemacht, also kann er bspw. unter sozialen Aspekten nicht ganz verkehrt sein.
Und nun lehne ich mich noch weit aus dem Fenster: In Zeiten, in denen ein Studium die Signaling-Wirkung zunehmend verliert, weil es viele haben, gewinnt Berufserfahrung in dieser Hinsicht enorm an Bedeutung. Es gibt vielleicht einfach mehr und mehr "Akademiker", die es nicht auf die Reihe bekommen einen ordentlich aussehenden Geschäftsbrief aufzusetzen oder sich angemessen verhalten und sich an die Gepflogenheiten halten, die man im Geschäftsverkehr und im Umgang mit Kunden erwartet. Vielleicht war das früher anders, weil mehr derer studiert haben, die aus "gutem Hause" kamen und von daher schon eine gewisse Ausdrucksweise etc "in die Wiege gelegt" bekamen. Darüber will ich nicht sinnieren und ich will auch gar nicht sagen, dass das besser war (!). Ich will nur sagen, dass erste Berufserfahrung für einen neuen Arbeitgeber signalisiert "so ganz verkehrt kann der nicht sein".
Nur so ein paar Gedanken.
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