"Gutes Arbeitsklima" - halte ich für ein fragwürdiges Argument. Wer sich mit dieser Begründung bewirbt, kann gleich "kurze Arbeitszeiten" oder "nette, lustige Leute" schreiben. Auch das Thema "Reputation" ist im Grunde nicht wirklich hilfreich.
Wer sich ernsthaft für einen Job bewerben möchte, der sollte sich mit dem Unternehmen beschäftigen:
- Was stellt es her?
- Wo wird produziert?
- Für welche Eigenschaften ist das Unternehmen bekannt? ("guter Ruf" reicht nicht -> worauf fußt der gute Ruf?)
- Welche Herausforderungen stehen in den nächsten Jahren bevor?
- Welche Statements seitens des Unternehmens gibt es (aus Reden, Vorträge, meinetwegen auch Werbung, Anzeigen etc.), aus denen man auf die Arbeitsschwerpunkte schließen kann?
Und dann:
- Welche persönlichen Fähigkeiten hat man, die besonders gut zum Unternehmen passen?
- Wie kann ich diesen Fit glaubhaft in Worte fassen?
Hier im Forum wird oft geschrieben, wie schwierig es doch sei, die Wahl des Unternehmens zu begründen. Da frage ich ernsthaft: Welches SIND denn wirklich die Motive? Hat man alle Firmen dieser Welt in einen Hut geworfen und dann gezogen? Sicherlich nicht! Also muss es irgend etwas geben, an dem man sich orientiert hat.
Wenn man ehrlich zu sich ist, sind es doch oft die folgenden Motive:
- Unternehmen ist nicht so weit weg
- Angeblich hohes Gehalt
- großer Laden, da wird man schon irgendwo unauffällig unterkommen und kann auch mal krank sein, ohne dass man gleich angemacht wird
- Vermutlich sicherer Arbeitsplatz ohne viel Stress
- Unternehmensname sieht im Lebenslauf gut aus, d.h. man kommt irgendwann mal wieder weg, wenn es einem nicht gut gefällt
- Nicht so lange Arbeitszeiten (sagt man), um 18h fällt spätestens der Stift, da hab ich noch Zeit für Hobbys
- Die machen viel im Ausland, das ist bestimmt spannend
Das Problem ist, dass viele dieser guten Eigenschaften
- oftmals längst nicht mehr wahr sind oder
- nur für die "guten Zeiten" gelten (gegolten haben) oder
- nur für Positionen ohne viel Verantwortung gelten.
Spätestens, wenn der Druck steigt (z.B. wegen schlechter Zahlen), sind die netten Kollegen, das hohe Gehalt, der sichere Arbeitsplatz und das stressfreie Arbeiten Geschichte. Man muss dann auch mal für 2-3 Jahre durch ein tiefes Tal. Und wer in einem Beamtenladen auf eine Führungsposition steigt, hat meistens lauter Beamte unter sich und muss selbst in Abendschichten die liegen gebliebene Arbeit wegschaffen.
Was bleibt dann noch von der Motivation?
Ich kann jedem nur raten, sich ernsthaft (!) mit dem potenziellen Arbeitgeber auseinander zu setzen. In Deutschland hat im Schnitt jeder zweite Arbeitgeber innerlich gekündigt und arbeitet nur noch als lustlose, leere Hülle. Natürlich trägt nicht jeder Arbeitnehmer die Schuld an diesem Zustand, aber wenn wir alle uns sehr genaue Gedanken machten, könnten wir uns auf Arbeitgeber konzentrieren, bei denen wir wirklich arbeiten wollen. Die Benefits allein machen keinen guten Job aus! Natürlich gibt es auch viele GUTE Jobs, aber diese zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass man in ihnen im richtigen Maß gefordert + gefördert wird.
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