Wahnsinn, was einige hier vom Stapel lassen. Schwer vorstellbar, dass es wirklich Menschen gibt, die sich selbst dadurch aufzuwerten versuchen, dass sie andere wegen eines vermeintlich minderwertigen Studiengangs runtermachen müssen.
Im Prinzip hat der Kollege, der weiter oben Mathias Döpfner erwähnt hat, bereits alles zum Thema gesagt. Ich will das hier bloß auch aus meiner Erfahrung untermauern, weil ich die Unsicherheit kenne, die man als Geisteswissenschaftler mit Blick auf die berufliche Zukunft spürt.
Anders als bei vielen Diplomstudiengängen, die auf konkrete Berufsfelder vorbereiten, muss man sich diesen Bereich eigenständig erschließen. Das kostet Energie, Zeit und auch Geld (Wiwis würden vermutlich von Opportunitätskosten sprechen). Man kann nicht erwarten, dass Unternehmen einen für die im Studium erworbene Expertise zum präraffaelitischen Farbauftrag einstellen. Es ist insofern wichtig einen Wissensbereich zu finden, der für Unternehmen relevant ist: PR und HR/PE sind die naheliegenden Bereiche, weil sich das als Geisteswissenschaftler oder Sozialwissenschaftler relativ leicht erschließen lässt.
Da eigentlich jedes Unternehmen durch die Konsequenzen der Digitalisierung derzeit in einer Umbruchphase steckt, gibt es aber auch ganz neue Rollen, die sich für Quereinsteiger eignen, weil es insgesamt zu wenig Leute gibt, die sich damit auskennen. Da reicht es dann nämlich nicht das BWL-Wissen abzurufen, aus den imaginierten "Target-Unis", auf denen alle selbsternannten High-Performer waren. Statt im Meeting bei jeder Gelegenheit "Made my day" zu rufen, muss man da tatsächlich den Kopf einschalten. Und das ist eine Fähigkeit, die Geisteswissenschaftler im Studium trainieren.
Ich würde schätzen innerhalb der ersten 5 Jahren im Job lernt man die Strukturen eines Unternehmens sowie die gängigen Strategien, Prozesse und Methoden. Danach haben BWLer keinen nennenswerten fachlichen Vorteil mehr. Ich würde sogar sagen, dass man sogar einen echten Vorteil hat, wenn man es als Geisteswissenschaftler zu dieser Entwicklungsstufe geschafft hat. Denn man bietet dem Unternehmen dann beides: konkretes verwertbares Wissen und die Fähigkeit eigenständig, analytisch und kreativ neue "challenges tacklen" (und Beratersprech raushauen geht natürlich auch wie 1 piece of cake).
Im Ernst: Lass dich von den Kids nicht einschüchtern, die hier auf dicke Hose machen. Das wächst sich bei den meisten aus. Der Anfang ist als Geisteswissenschaftler nicht ganz einfach, für mich war das rückblickend ein echter Kraftakt. Ich kenne viele Philosophen, die erstmal ein paar Jahre in eine UB gegangen sind, was auf jeden Fall ein interessanter Weg ist. Aber es geht auch im Unternehmen. Und "das Invest" lohnt sich. Ich habe beobachtet, wie wie viele BWL-Kollegen mit Mitte 30 in eine Sinnkrise gefallen sind, weil sie da gemerkt haben, dass sie ihr Job inhaltlich eigentlich kaum interessiert. Denn wenn man erstmal ein paar Jahre ein tolles Gehalt eingefahren hat, fängt das sehr schnell an zu langweilen. Viele Lösen das dann mit "Family", weil man es halt so macht. Insofern: Ich bereue mein Studium heute kein bisschen nicht mehr, obwohl ich nach Abschluss auch kurz Zweifel hatte. Aber viel wichtiger als mein Kontostand ist mir heute, dass ich inhaltlich souveräne Entscheidungen treffen kann - beruflich wie privat.
Alles Gute und viel Erfolg!
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