"Dazu hat er mir jetzt erst einmal 15 Publikationen zugesandt, die ich nach Forschungslücken hin durchlesen soll und daraus einen Entwurf entwickeln soll."
Das zeigt schon mal, dass der DV nicht so verkehrt ist. Ein guter Test. Sieh es einfach so: Wenn Du es schaffst, das zu machen, also die Papers lesen, sie strukturiert in Beziehung setzen kannst, eine Frage entwickeln kannst, weitere Literatur recherchierst, liest und einbaust und so zu einem Entwurf aka Expose kommst, dann stehen die chancen nicht schlecht, dass es mit der Diss was wird. Wenn Du das nicht schaffst, vergiss die Sache einfach. Sei Dir bewusst, dass das keine einfache Sache ist und geh mit entsprechendem Respekt dran! Die Entwicklung einer bearbeitbaren (!) Fragestellung ist das A und O einer Diss und vielleicht sogar mit das Schwerste.
Das die Chancen dann nicht schlecht stehen, heißt aber nicht, dass sie gut stehen. Dass man Motivationstiefs hat ist klar. Meiner bescheidenen Meinung und Erfahrung nach ist eine Promotion nebenberuflich und in einem sauberen akademischen Umfeld (also keine Titelmühlen) nur möglich, wenn man wirklich intrinsisches Interesse an einem Thema hat. Wenn man das hat, ist zumindest einiges (bei Leibe nicht alles!) der Arbeit an der Diss wie Fernsehen.
Was grds. hilft sind Routinen und Rituale. Geh zum Arbeiten (an der Diss) an einen speziellen Ort, den du nur dafür aufsuchst und an den Du auch nur zum Arbeiten gehst. Führe feste Zeiten ein. Nicht einfach "wenn dir danach ist". Mo 19-21 Uhr, Sa 10-16 Uhr bist Du dort, um zu arbeiten. (z.B.) Diese Zeiten sind genauso geblockt, wie Deine zeit im Beruf. Soll heißen Du musst Deiner Famlie, Freunden und evtl dem Arbeitgeber klar machen, dass Du in dieser zeit einfach nicht verfügrbar, nicht erreichbar und nicht ansprechbar bist. Und das auch durchziehen. Das wird oft auf Unverständnis stoßen, weil ein runder Geburtstag ansteht, eine Hochzeit oder oder oder.
Die Motivation die Frau oder Famlie nicht enttäuschen zu wollen wäre für mich nichts. Da tickt jeder anders, aber ich habe niemanden von meinem Promotionsvorhaben erzählt, bis alles unter Dach und Fach war und ich wirklich begonnen hatte. Ich hatte zu viel Angst vor den bohrenden Fragen, wenn es nix geworden wäre. Und grundsätzlich hasse ich es, wenn durch Herumerzählen Ansprüche an mich gestellt werden/ erwartungen geweckt werden.
Meine Motivation war viel mehr das Interesse am Thema und die Herausforderung des Projektes an sich. Beruflich hat es mir nicht viel gebracht, dazu war es fachlich zu weit entfernt von meinem Beruf. Aber persönlich hat es mich weiter gebracht und ich habe unheimlich viel gelernt und viele interessante fachliche Diksussionen gehabt. Gäbe es in der akademischen Welt vernünftige Anstellungsverhältnisse, würde ich auf jeden Fall weiter in der Forschung bleiben und dafür auch Abstriche beim Gehalt machen. Aber wer gibt schon einen unbefristeten vergleichsweise gut bezahlten Vertrag auf für befristete Mitarbeiten?
Tja, was kann man praktisch noch zu Deinem Fernsehproblem sagen? Du kennst Dich selbst wohl besser, aber ich würde statt fern zu sehen einfach raus gehen. Entweder schnappst Du dir ein paper und setzt Dich in ne Kneipe oder ein Cafe und liest es dort oder Du gehst spazieren und grübelst über ein Expose oder was weiß ich. Das mit der Kneipe ist kein Witz. Such dir eine Umgebung, die eher leger ist, nicht nach Arbeit aussieht und zieh dich zurück. Dabei blätter mal in den papers, mach ein mindmap, kritzel ein wenig herum. Ganz ungezwungen udn ergebnisoffen. Selbst wenn Du ohne Ergebnis heim kommst, war es besser als Fernsehen.
Ein bisschen Verrücktheit gehört zu so einem Projekt dazu ;)
Ich will nicht verschweigen: Aus meiner Perspektive sieht es nicht so aus, als würde das bei dir was werden. Nimm die Aufgabe die Dir Dein DV gestellt hat ernst. Wenn Du es hinbekommst, sehen wir weiter.
Hattest Du während des Studiums schon Erfahrung mit wissenschaftlichem Arbeiten und Schreiben?
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